Oh man, da hab ich mit meinen Beitrag wohl in ein Wespennest gestochen und zumindest bei einem geschätzten Kollegen ein mittelschweres Trauma ausgelöst… Nunja, Tschuldigung und Shit Happens.
Zu meiner These 1: „Borbarads Fluch ist kein schlechtes Abenteuer, es wurde nur zur falschen Zeit geschrieben.“
Was ist ein Abenteuer, was heißt „geschrieben“ und was meine ich mit der falschen Zeit?
Ein Abenteuer ist das Zusammentreffen einer Idee auf einen Autor. Der Autor kann ein Spielleiter sein, der das Abenteuer ad hoc für eine Gruppe erfindet oder eine Person sein, die eine Idee schriftlich fixiert. Eine Idee besteht oft nicht mehr als ein, zwei Sätzen, die das Kopfkino lostreten (Beispiel: Wir spielen ein umgedrehtes Kapitän-Kirk-Szenario. Die Helden gehören zu einem isoliert lebenden Volk, ein Schiff strandet bei den Helden, der Kapitän führt sich auf wie ein Idiot und das ganze wird zur Bedrohung des Volkes.)
Ich definier jetzt mal, dass es gute und schlechte Ideen gibt. Die Einteilung der Ideen ist, wie so vieles in kreativen Prozessen, erst mal rein subjektiv. Man kann eine gute Idee mit schlechtem Schreibstil zu einem (subjektiv) mittelmäßigen bis schlechten Abenteuer machen, man kann aus einer schlechten Idee mit gutem Schreibstil ein mittelmäßiges bis gutes Abenteuer machen. Gute Idee und guter Schreibstil ergibt ein Abenteuer, von dem wir unseren Kindern noch vorsingen werden, Schlechte Idee und schlechter Schreibstil ergibt ein Abenteuer, von dem wir unseren Kindeskindern noch vorjammern werden.
Der Schreibstil. Der Schreibstil ist stark vom Autor abhängig. Wie viel Übung hat er im Abenteuerschreiben? Welchen Wortschatz besitzt der Autor? Kann er das, was er sagen will, kurz und knackig rüberbringen und, als mitunter wichtigsten Punkt, welche Abenteuerform nutz der Autor. Übung und Wortschatz sind eine Sache, die man trainieren kann, am besten, mit einem Germanisten/Deutschlehrer als Lektor im Team. Dauert, bringt aber viel.
Als Abenteuerformen stehen zwei Formen zur Verfügung: Das Solo-Abenteuer (z.B. Borbarads Fluch) und Gruppenabenteuer (mit einen Unterformen Sandbox und Railroad sowie Mischformen aus beiden). Jede Form hat ihre Vorteile und Nachteile. Im Folgenden werde ich auf ein paar eingehen, die mir bei meinem Schaffen bisher aufgefallen sind. Andere Autoren, wie die hochgeschätze, wunderbare, einzigartige, erfahrene Anna Mháire Stritter (so, ich hätte dann gern mal für die Lobdudelei eine positive Review für ein Rakshazar-Abenteuer! Bittedanke!), mögen mir wiedersprechen und recht haben, das sind meine recht subjektiven Eindrücke.
Gruppenabenteuer: Bei Gruppenabenteuren gibt es zwei Hauptformen. Nummero uno: Sandbox. Hier kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Wichtig ist der Rote Faden: Warum sind die Helden in der Sandbox und was ist deren Ziel (Anfangsbedingung, Endbedingung). Der Rest ist Personenbeschreibungen, Setting-Beschreibung, verstecken von Sidequests und möglichen Reaktionen auf das Handeln der Helden. Was man vermeiden sollte sind ellenlange Beschreibungen, in denen Spielleiterinformationen versteckt sind. Lieber je Peron eine kurze, knackige Infobox (mit Name, Agenda, Vorlieben und Spielwerten) und klare Beziehungsdiagramme statt langer Texte. Ebenfalls sollte man vermeiden, eine Railroad einzuzwängen, wo keine Railroad hingehört. Schwieriger wird die ganze Sache bei Railroad-Abenteuern. Das schlechteste, das man machen kann, ist ein Abenteuer zu schreiben, dass eigentlich gern ein Roman wäre. D.h, den Helden werden kaum Möglichkeiten geboten, die Handlung zu beeinflussen (NPCs retten durch ihr Handeln den Tag oder sterben ohne dass Helden etwas dagegen unternehmen können), Handlungen der Helden werden vorweggenommen usw. Besonders blöde: Cut Scenes. Ja, ich denk an Dich, Tal der Finsternis! Zudem gilt es, alle eventuellen Möglichkeiten der Helden vorauszuberechnen und dem Spielleiter entsprechende Reaktionen in die Hand zu geben. Das ist etwas, was mir bei „Tore im Eis“ und „Ingerimms Fluch“ richtig schwer gefallen ist. Privat spiele ich eher selten magische Charaktere und noch seltener Geweihte (und dann auch nur von Phex und Aves), wie soll ich dann wissen, was ein Zauberer in einer konkreten Situation anstellt? Bei über 170 Zaubersprüchen in DSA5 Hier hat sich ein Lektoren-Team als nützlich erwiesen, die einem immer wieder auf Plot-Holes, mögliche Heldenreaktionen oder alternative Lösungswege hinweisen. Ein gut geschriebenes Abenteuer war in dieser Hinsicht „In den Höhlen des Seeogers“.
Wichtig ist auf jeden Fall, dass am Ende des Abenteuers ein ordentlicher Anhang steht. Personenbeschreibung, wiederkehrende Monster, zu findende Spezialwaffen/Artefakte und genaue Beschreibung der Gegend bzw. Gebäudeplan.
Solo-Abenteuer gibt es in Zwei Varianten. Die einen geben einen Helden vor, die anderen sind so gestaltet, dass der Spieler diese mit seinem Lieblingshelden spielen kann.
Solo-Abenteuer mit Vorgegebenen Helden haben einen entscheidenden Vorteil: Ich kann das Abenteuer auf einen speziellen Helden zuschneiden, die Gegner und die Talentproben entsprechen dem Niveau des Helden und sind nicht zu schwer oder zu leicht. Wenn man nicht grade grobe Fehler macht (Helden Entscheidungen abnehmen, Dialoge aufzwingen, Abschnitte, die ins Nirwana führen, zu jovialer Ausdruck usw. ) ist das ganze „a gmaade Wiesn“, wie man bei mir daheim so schön sagt. Schwerer wird es, wenn ein Abenteuer für einen anonymen Helden geschrieben wird. Vor allem magische Möglichkeiten werden dabei regelmäßig vergessen, vielleicht, weil das Ganze dann noch komplexer wird, als es schon ist. Deshalb gibt’s auch in Systemen wie DSA wenig Solis für Magier.
Vom technischen Standpunkt aus kann man bei einem Solo-Abenteuer nicht viel falsch machen. Mary Sues sind OK, Dialoge aufzwingen, Entscheidungen abnehmen und Klick-O-Platsch-Fallen eher nicht (Failing Forward ist hier das Zauberwort. Ich hasse Solis, bei denen man einen bestimmten Gegenstand haben muss, um den Endgegner zu besiegen). Größtes Problem ist es, die Übersicht über die ganzen Abenteuerstränge zu behalten (ist mir auch nicht immer gut gelungen).
Solis sollten zudem immer einen bestimmten Pfiff haben: tag-und-nachtsensible Orte, freie Wahl der Subquests, Boni, wenn man bestimmte Aufgaben/Subquests meistert…
Nach dem Theroiekram geht’s jetzt in die Praxis, sprich zur Rezension von Borbarads Fluch und Fires of Creations.
Borbarads Fluch ist ein Abenteuer von 1984, also zwei Jahre vor Tschernobyl (was insofern Nice To Know ist da sich die Idee des Abenteuers um einen überhitzenden Atomreaktor in einem Raumschiff dreht). Wir haben es mit einem 63 Seiten starken Solo-Abenteuer zu tun, dass mit dem eigenen Helden gespielt werden kann. Geschrieben hat es Claus Lenthe. Drüben beim Dereblick gibt es eine ausführliche Rezession. Ich will hier nur auf den Teil eingehen, der mit meiner These 1 zu tun hat. Gut gefallen haben mir die Laserkanone (Abschnitt 139), die schematische Darstellung der Räume im Dungeon, damit man sich die Karte selber zeichnen kann und der Anhang mit den Monstern, die man im Abenteuer findet. Mies hingegen sind diverse Klick-Oh-Platsch-Fallen, Autorenwillkür (Abschnitt 164, man kämpft grade mit einem Ork, besiegt die Kröte und wird dann zum Abschnitt 12 teleportieret, weil der F***r ein magisches Amulett dabei hatte), ein laaaaaanges Ende über mehrere Abschnitte und wenig ausgefallene Aliens. Der Zeit geschuldet ist wahrscheinlich der Schreibstil, der einem vor allem den Höhepunkt des Abenteuers, das Zusammentreffen mit dem Hirn (Abschnitt 154) vermiest.
Die Stimme stellt sich als jenes Kontrollgehirn vor,das sich vor Ihnen in dem Behälter befindet. Es erzählt Ihnen eine phantastische Geschichte: Sie befinden sich an Bord eines Raumschiffes, das von den auf RigelVII ansässigen Aliens erbaut wurde und vor über 400Jahren in Aventurien landete. Der schon damals mächtige Magier Borbarad brachte es in seine Gewalt, baute seinen Turm um das Raumschiff herum und versuchte, nach Kräften von den technischen Errungenschaften der Rigelaner zu profitieren. Die einstige Besatzung machte er zu Sklaven. Dennoch unterlag Borbarad letztendlich im Duell der Magier, und das Wissen über das Raumschiff geriet in Vergessenheit.
Aber vor seinem Tod wollte der Magier sich noch rächen, und er wußte genug über die fremde Technologie, um fernen Generationen Unheil zu bescheren. Er kappte fast alle noch verbliebenen Verbindungen zwischen Kontrollgehirn und dem restlichen Schiff. Zwar bewirkten Sicherheitsschaltungen die Aufrechterhaltung der allerwichtigsten Lebenserhaltungs- und Wartungssysteme, aber das Durchgehen des Reaktors war vorprogrammiert. Jetzt, nach all den Jahrhunderten, ist es soweit, daß sich Borbarads Fluch als atomare Katastrophe erfüllen kann. Das isolierte Kontrollgehirn registrierte das Herannahen dieses Augenblicks, vermochte ohne fremde Hilfe aber nichts dagegen zu unternehmen. Nur dem Zufall, daß ihm ein einziger ferngesteuerter Laser verblieben war, blieb zu verdanken, daß das Kontrollgehirn im Königspalast von Zorgan die hilfesuchende Feuerschrift anbringen konnte. Von den überlebenden Rigelanern war keine Hilfe zu erwarten, denn sie waren degeneriert und unfähig zum intelligenten Handeln! Der Name dieser rigelanischen Rasse war unaussprechlich, die Übersetzung ins Aventurische lautete: Feueraugen. Die Überlebenden einer zweiten Rasse, die einst so etwas wie Schoßhündchen der Feueraugen waren, hatten, ganz im Gegensatz dazu, in ihrer Intelligenz einen großen Sprung nach vorn gemacht. Aber abgesehen davon, daß sich ihnen das Gehirn nicht mitteilen konnte, waren auch sie nicht in der Lage, den Reaktor auszuschalten. Ihr Name: Chanjus.
Das Gehirn erklärt Ihnen weiter, daß das Raumschiff sich zwar in einem schlimmen Zustand befindet, aber immer noch voll funktionstüchtig ist. Wenn Sie dem Gehirn helfen, kann nicht nur der außer Kontrolle geratene Reaktor wieder gebändigt werden, sondern auch der Computer ausgeschaltet werden. Das Raumschiff könnte dann nach Hause zurückkehren.
Was ist zu tun, werden Sie sicher trotz aller Verwirrung tatendurstig fragen. Das Gehirn verrät es Ihnen. Sie müssen nach Süden gehen, ein sogenanntes Modul am Computer ersetzen (Sie finden es in demselben Raum wie den Computer – das große, funkelnde Metallgehäuse) sowie in dem westlich von hier liegenden Raum einen bestimmten Schalter betätigen. Beides zusammen gibt dem Kontrollgehirn die Macht über das Schiff zurück. Der Schalter, verrät es Ihnen, befindet sich fünf Meter von der Tür entfernt in einer Bodenvertiefung. Allerdings ist diese Vertiefung verschlossen, und der Schlüssel liegt irgendwo in Borbarads Turm versteckt. Haben Sie alles verstanden? Dann kehren Sie bitte nach Abschnitt 59 zurück, um sich wieder zu orientieren. Zuvor allerdings könnten Sie noch das freundliche Angebot des Kontrollgehirns annehmen, Sie einer Regenerierungsbehandlung zu unterziehen, die Ihnen alle verlorenen Lebenspunkte zurückgibt. Ich habe oben mal einige Stellen markiert, die mir am stärksten aufgestoßen sind.
Vieles von Borbarads Fluch würde heute nie und nimmer so geschrieben werden. Wenden wir und dem ersten Teil der Iron Gods Kampagne „Fires of Creations“ zu. Warum grade dieses Abenteuer aus der Kompagnie? Wie hier die Helden zum ersten Mal in ein Raumschiff eindringen und erkunden. Eine gute Rezession ist hier zu finden. Mir geht es hier aber weniger um den Inhalt (die Idee lässt sich wie folgt zusammenfassen: Helden erkunden einen seltsamen Dungeon und müssen herauskriegen, warum die Quelle des Wohlstands einer kleinen Stadt plötzlich versiegt ist), mir geht es eher um den Schreibstil. Gut finde ich das Vorwort, bei dem, meine These 2 unterstützend, auf die gefühlte Unverträglichkeit von Zweihänder und Laserschwert eingeht. Gut sind auch die Hinweise zu Stimmungsvollem Rollenspiel für das Aufeinandertreffen von technologisch unterlegen Wesen und Raumschiffen. Toll ist auch die Möglichkeit, den Dungeon in Abschnitten zu erkunden und immer wieder nach Torch zurückzukommen. Die Autoren haben sogar daran gedacht, Ereignisse an der Oberfläche zu entwerfen, die die Ausgangslage nach den Ausflügen ins innere Des Raumschiffs verändern. Bei den Gegnern gibt es eine große Bandbreite, vom Pflanzenwesen über fremdartige Aliens über Roboter zu Androiden. Im Anhang findet man alles vom Raumanzug bis zur Inferno-Pistole und dann noch die Beschreibung der Stadt Torch.
Der Schreibstil gefällt mir richtig gut. Hier ein Beispiel:
B5. Functional Biolock
Two strange machines sit to the north and south against the walls here, their faces appear similar to coils of metal tubes with several nozzle-like protrusions pointing into the room itself.
This chamber once served as a sort of airlock between the alien habitat and the ship’s decks—quick sterilization procedures here ensured that no contaminants were introduced into the habitat when wildlife or visitors entered the area beyond, but these machines are not functional until the power is restored.
Development: If full power is restored to the habitat (see area B12), the sterilizers on the wall hum back to life. A single glowing panel on either wall next to either door can be used to activate them, but only if both doors are closed. One round after the sterilizers are activated, they spin and hum and spray the room with a mixture of nanites and chemicals that affects all creatures in area B5 with a remove disease effect (CL 10th). Unfortunately, because of long centuries of neglect, the sterilizers can function in this manner only once per day—but these represent a handy way for PCs who’ve become infected by the mutant russet mold or other disease effects to swiftly cure their ailments.
Erst mal ein kurzer Text, der den Raum so mysteriös beschreibt, wie man einen Raum beschreiben kann, ohne die Begriffe „außerirdisch“, „Schalttafeln“ usw. zu verwenden (Tabu anyone?), eine Beschreibung des Raums für den Spielleiter und ein Abschnitt zur Entwicklung des Raumes im Laufe des Abenteuers. Kurz, knapp, ausreichend Ausführlich und objektiv. So sollte ein Abenteuer geschrieben sein.
Zeit: Tempus fugit. Zeit verfliegt. Und mit der Zeit ändern sich auch Schreibstile, Seh- und Lesegewohnheiten. Was vor zehn Jahren noch Modern war, nach dem Kräht heut kein Hahn mehr. Bestes Beispiel ist „Wetten Das?“ In meiner Jugend war das noch ein Pflichttermin, spätestens seit dem Jahr der großen Toilette (get it?) gingen die Zuschauerzahlen zurück und heute… kein Mensch unter 40 vermisst Wetten Das. Wie muss es da erst mit einem Abenteuer sein, das nach über 30 Jahren und dutzenden anderen Abenteuern zum schlechtesten DAS-Produkt gewählt wurde?
Fazit: Borbards Fluch ist ein über 30 Jahre altes Abenteuer. Es krankt daran, dass es so geschrieben wurde, wie man halt Abenteuer für DSA vor 30 Jahren schrieb. Heut würde kein Mensch mehr diesen Abenteuerstil pflegen. Wenn man dann sich noch ansieht, was der Autor sonst noch so geschrieben hat, wird man feststellen, dass dieses Abenteuer am Beginn seiner Kariere stand. Die Idee, in einem klassischen Fantasy-Setting Raumschiffe und Aliens auftauchen zu lassen, ist aber auch heute noch aktuell und hat IMHO verdammt viel Potential.