Corly hatte wieder eine Interessante Themenwoche in ihrem Blog. Es ging zum zweiten Mal um das Thema Märchen. Da Rollenspiel nichts anderes als interaktive Märchen sind, hier meine Gedanken dazu.
Lieblingsmärchen?
Mein Lieblingsmärchen ist überraschenderweise kein Märchen der Großen Zwei (die Grimms) sondern stammte aus der Feder von Wilhelm Hauff:
Die Geschichte von Kalif Storch
Was mir an der Geschichte gefällt? So ziemlich alles. Das orientalische Setting (ich bin ja auch ein Fan von Mays Orientzyklus), das fantastische Element (Zauberer und Verwandlungspulfer), die Verwünschung (Werde zum Tier, aber wenn Du lachst, vergiss das Zauberwort für die Rückverwandlung!) und das Ende der Geschichte.
Was fasziniert euch eigentlich so an Märchen?
Märchen sind Abenteuergeschichten, Moralpredigten, Schwänke und Kulturgut in einem. Richtig dargeboten beflügeln Sie den Geist von Kindern und Erwachsenen, richtig aktualisiert vermitteln Sie durchaus auch heute noch Moralbotschaften (Nimm keine Drogen, vor allem nicht aus Langeweile (Kalif Storch)! Lass keine Fremden ins Haus (Der Wolf und die Sieben Geißlein. Eigentlich die Paradegeschichte gegen den Enkeltrick)! Sei gütig, fleißig und hilfsbereit, dann wirst Du dafür entlohnt (Frau Holle)!).
Welche Märchenwelt magst du am liebsten?
Was meinst Du mit Märchenwelt? Jedes Märchen ist in seiner eigenen Welt mit seinen eigenen Regeln, ein paar Regeln gelten zudem für alle Welten. Darf ich die Frage auf Fantasy-Welten ausweiten? Dann die Welt des Schwarzen Auges. Hier bin ich seit mehr als 20 Jahren daheim.
Welche Märchen mögt ihr dagegen nicht?
Märchen mit fragwürdiger Moral. Nein… mit antiquierter Moral. Beispiel gefällig? Der fliegende Koffer, ein orientalisches Märchen von H.C. Anderson. Schon klar, die Moral ist, dass man brav, fleißig und nicht übermütig Leben soll, aber mir gefällt nicht, wie – Entschuldigung – strunzdoof und religiös analphabetisch hier die Türken dargestellt werden.
Das ganze macht eigentlich ein riesen Fass auf: Political Correctness. Und ich höre euch schon Heulen: „Jey! Last uns alle Märchen gendern und alle N-Wörter löschen! Und der arme missverstandene Wolf! Und Allerleirau! Ein Inzestmärchen zwischen Vater und Tochter! Trigger!“ und „Muss das sein? Das sind 200 Jahre alte Märchen, die muss man im Kontext der Zeit lesen. Und habt ihr nicht schon genug bekommen? Bei Pipi Langstrumpf heißt es jetzt Südseekönig statt Negerkönig. Irgendwann muss doch genug sein mit all der PC“.
Egal was ich jetzt schreibe, ich werde mich nun in die Nesseln setzten und einen, im schlimmsten Fall sogar zwei Shitstorms ernten. Aber, was solls…
- Der Mensch lernt durch eigene Erfahrung (da klappt das sehr gut) und durch Geschichten (Märchen, Sagen, Religion, Vorlesungen des Profs an der Uni. Da tritt ein Lerneffekt durch häufiges wiederholen ein).
- Will man progressive (im Sinne von aufgeschlossen, umweltbewusst, freundlich, hilfsbereit, empathisch) Menschen, bracht man progressive Erfahrungen, die diese erleben oder progressive Geschichten, die diese erzählt bekommen.
- Einige Märchen haben durchaus eine fragwürdige Moral, die nicht mehr so recht in unsere Zeit passen will. Es schadet nicht, die Märchen neu zu erzählen und die fragwürdigen Stellen anzupassen. Bevor jetzt der Aufschrei kommt… mit Geschichten wurde das schon immer gemacht und das sind keine religiöse Texte (und selbst da gibt’s immer wieder Neuübersetzungen, die gravierend vom Gewohnten Abweichen, siehe Bibelneuübersetzung)
- Es gibt immer Ausnahmen zu Punkt 3. Ich denke da an die ganze Südstaaten-Mississippi-Literatur (Tom Sawyer, Huck Finn, How To Kill A Mockingbird…). Die spielen in einer ganz bestimmten, rassistischen Zeit in den USA. Wenn ich dort bestimmte negative Begriffe lösche, geht meiner Meinung nach die Intention der Geschichte (z.B. zu zeigen, dass es Freundschaft trotz unterschiedlicher Hautfarbe geben kann) flöten. Bevor jemand fragt: Ja, mir ist bewusst, dass es einen scharfen Streit auch um den Rassismus von Carl May gab, und seine Einstellung gegenüber Türken, Chinesen und bestimmten Indianerstämmen ist heute mehr als befremdlich und sind mir auch schon sauer aufgestoßen.
- Ich habe keine Ahnung, wie das Problem zu lösen ist. Ich denke, der beste Ansatz ist es, diese Fragen in einem breiten Diskurs zu verhandeln, ohne die andere Seite als spinnerte Gutmenschen oder Rassisten zu verunglimpfen. Wenn man sich, wie beim erwähnten Südseekönig auf eine gute Alternative einigen kann, toll. Wenn nicht, ist vielleicht eine kommentierte Ausgabe mit entsprechenden Fußnoten, die erklären, warum der Autor gerade diese oder jene Meinung vertritt, ein gangbarer Weg.
Von welchem Autor lest ihr Märchen am liebsten?
Von allen. Ich habe keinen Liebligsautor.
Welche Märchen guckt ihr zu Weihnachten?
Die, die gerade kommen. Mal sehen… die ARD hat zwei neue Filme gedreht...im Kika kommen auch welche…
Fazit zum Thema Märchen?
Märchen sind ein toller Fundus für Fantasy-Abenteuer. Ich selbst habe das mir verhasste Märchen vom fliegenden Koffer mal als Aufhänger für ein DSA-Abenteuer genommen. Ein Maraskani aus Fasa “entführt” mit einen fliegenden Koffer seine Liebste, eine Bonjarentochter. Die Helden_innen müssen sie zurückholen. Nun, das Abenteuer war eher was für den Papierkorb, aber hier habe ich mich mit Verwünschungen auseinandergesetzt, die ja oft Teil von Märchen sind.