In letzter Zeit weht ein gar eisiger Wind durch die Weiten der Rollenspielerwelt. Gräben tun sich auf und plötzlich stehen Rollenspieler Rollenspieler feindlich gegenüber. Rajagefällige Schriften landen auf dem Scheiterhaufen, Vampire werden der Nazi-Kollaboration bezichtigt, Warhammer zu einem faschistischen Spiel erklärt und Mirdgard antisemitische Tedenzen unterstellt. Zeit uns zu fragen, was da eigentlich los ist und ob wir alle zusammen noch bei Trost sind!
Was ist momentan los?
Drei große Kontroversen habe ich in den letzten Wochen mitbekommen und warscheinlich sind mir ein Dutzend unter dem Radar entgangen.
Die neueste Geschichte ist die Kontroverse um die Wege der Vereinigung, dem unter anterem (positiver) Rassismuss und Sexismus vorgewofen wird. Mein Kollege Riesländer hat bereits einen ausgewogenen Artikel zu dieser Kontroverse veröffentlicht. Ulisses hat hierzu auch Stellung bezogen. Mháire und andere haben auch Content dazu veröffentlicht.
Auch die Vampire sehen sich seit ein paar Wochen Angriffen ausgesetzt, da gehts um Gedankengut der Alt-Right-Bewegung.
Mirdgard war wegen eines Szenarios, in dem die Protokolle der Weisen von Zion als wahr angenommen werden sollten, unter Beschuss.
Egal um welches Thema es ging, auf beiden Seiten, der Seite der Verteiliger, die das Jeweilige System verteidigten und die angesprochenen Probleme relativierten und auf Seiten der Angreifer, die am liebsten zum Beukott des jeweiligen Systems aufriefen, ging es schmutig her und Nachrichtenagrigatoren wie der RSP-Blog mussten eine Zeit lang gar ihre Facebookpräsentz abstellen, weil sie es gewagt hatten, einen kontroversen Blogeintrag zu verbreiten, ohne ihn zu Kommentieren.
Die Schildwälle stehen, die Kriegsparteien schlagen wild mit ihren Äxten gegen die Schilde.
Worum geht es eigentlich?
Eins ist sicher, es geht nicht ums Rollenspiel. Ich glaube, wir Rollenspieler werden gerade zum Schauplatz einer anderen Auseinandersetzung. Der Auseinandersetzung um die Gesellschaftsordung der (westlichen) Welt für die nächten 30-40 Jahre. Werden wir in den nächsten Jahren eine offene Gesellschaft haben, deren Sprache eine Sprache ist, die genderneutral und includierend ist, die Rassengrenzen niederreißt, die Kolonialisierung (auch der Kultur) beendet und den Weg in eine neue Zeit führt oder eine Gesellschaft, die nach Jahrzenten der ungezügelten Globalisierung, des freien Handels und der (in Europa für Europäer) offenen Grenzen zurück möchte zu klar definierten Grenzen, zu traditionellen Strukturen und Werten, zurück ins bessere Gestern.
Und genau in diesen Konflikt sind wir Rollenspieler, aber auch die Computerspieler und die Filmschaffenden, ja die ganze kreative Welt gerarten.
Ich habe vor kurzem die Thesen von Bred Weinstein, dem Skandalprofessor des Evergreen-Collage gehört. In der These geht es darum, dass die progressiven Linken, die Guten, von radikalen Linken, die Mächteverhältnisse zu ihren Gunsten verändern und eine Gesinnungsdiktatur errichten wollen, manipuliert werden. Die These würde ich auch gerne auf die Gegenseite ausweiten. die konservativen Rechten, die Guten, werden von radikalen Rechten, die die Mächteverhaltisse zu ihren Gunsten verändern und eine Diktatur des Blutes erstellen wollen, manipuliert. Ich unterstelle keiner Seite böse Absichten, aber der Weg in die Hölle soll ja von guten Absichten gepflastert sein.
Der Sturm über uns
Ich habe von der Schlacht um unsere Zukunft vor etwa fünf Jahren etwas mitbekommen. Damals wurde in den neuen Pipi-Langstrupf-Geschichten aus einem Negerkönig ein Südseekönig. Auch dem „Nigger“ in Tom Swoyas und Huck Finns Geschichten und der Hütte sollte es an den Kragen gehen. Etwa um die gleiche Zeit begann eine Gender-Debatte in der deutschen Sprache. Schon damals gab es Gegenwind, der durchaus berechtigt war. Schon damals wurden die Gegner als Rassisten beschimpft, oder als Homophob. Schon damals wurde der Grundstein für die Schlacht gelegt. Seit etwa zwei Jahren tobt nun der Gegenangriff, der sich dem gleichen Muster bedient: Jeder, der Sprache, Zusammensetzung eines Filmcasts oder Missachtung der Rechte von homo- und transsexuellen Menschen kritisiert, wird zum SJW, zum linken Spinner oder zum Gutmenschen abgewertet. Mit dem Gamergate kam diese Kontroverse 2014 in die Spielesubkultur, mit Vampire und den Wegen der Vereinigung haben wir in unserer Kommunity nun den Sturm. Ein Sturm, der das Zeug hat, unsere Kommunity zu zerreißen und den Spaß am Spiel für immer zu verderben.
Der Strum verlangt, dass man Stellung bezieht. Nun, so will ich Stellung beziehen und gleich von beiden Seiten zerfleischt werden.
Zur inkludierenden Sprache
Sprache wird von uns Menschen genutzt, um zwischen uns Ideen, Visionen und Wünsche auszutauschen. Sprache wird genutzt, um auch ziemlich abstrakte Dinge wie Gefühle zu beschreiben.Sprache ist etwas, was sich ständig wandelt, neue Begriffe oder Ideen aufnimmt, sich ständig neu erfindet. Beispiele dafür gibt es in der Deutschen Sprache genug: Französische Wörter, Jiddische Wörter, Wörter aus dem Rotwelsch, Englische Wörter, neuerdings auch Wörter aus dem Arabischen (Yalla war 2013 Nummer 3 der deutschen Jugendwörter, Habibi taucht jetzt verstärkt im Sprachschatz der Jugendlichen auf). Sprache, vor allem aber Grammatik ist etwas, das langsam gewachsen ist. Über Jahrhunderte. Das zu ändern dauert viel länger und läuft oft über den Umweg der Sprache (Stichwort: Der schleichende Tod des Genetivs).
Als ich das erste mal von Gendern gehört habe, als ich von Profisorx dem _ und dem * gehört habe, dachte ich auch, was wohl dieser Unsinn soll. Ich habe meine Meinung geändert.
Grund war das Abenteuer „König der Huren“. Ursprünglich wollte ich ein Abenteuer schreiben, dass die SJW ein wenig neckt, da es expliziten Kontent besitzt und nicht ganz unproblematisch ist. Barbarische Männer (Helden) betreiben ein Bordell und beuten Menschen des Profits wegen aus. Andererseits treffen sie Entscheidungen und müssen mit den Konzequenzen leben. Für jede Szene in dem Abenteuer gbt es eine katastrophale Lösung und eine Lösung, mit der die Helden gut leben können und die das Gewissen beruhigt. Als Krönung dachte ich mir, wäre es doch toll, das Abenteuer gendern zu lassen. Plötzlich können nicht nur Männer fiese Zuhälter oder nette Puffväter sein, sondern auch Frauen und Trans* können das Schicksal des Bordells mitbestimmen. Ich habe jemand Transsexuellen in meinem Bekanntenkreis, der mir beim gendern half.
Durch das Ergebnis und die Auseinandersetzung mit der Sprache fiel mir etwas auf: Im Rollenspielbereich gibt es kaum ein Abenteuer oder ein System, das gendert. Das fand ich dann ziemlich ungerecht und ich wollte das ändern. Seither versuche ich in meinen Texten zu gendern. Im Juli wurde ich aber wegen eines Blogeintrags Kritisiert. Der Text sei nicht leserlich, weil eben zu sehr mit _ durchsetzt. Gut, seither verwende ich standartmäßig die weibliche Form. Glücklich bin ich damit nicht. Transsexuelle und alle, die sich irgendwie anders gendermäßig zuordnen, werden ausgeschlossen.
Hier ist mein Arbeitsauftrag an die Sprache: Bitte findet eine praktikable und leicht lesbare Lösung fürs gendern. Am Besten wären geschlechtsneutrale Begriffe. In der deutschen Sprache ist das zugegeben nicht einfach. Und kommt mir nicht mit Studierenden und Lehrenden. Das funktioniert im Fantasy-Kontext nicht gut. Konkretes Beispiel aus dem Abenteuer: Lustknaben. Gibts dafür ein genderneutrales Wort?
Gendern tut niemanden weh, es inkludiert Spieler*innen und hilft, sich zu vergegenwärtigen, für wen man das Abenteuer schreibt und welche Intension man damit verfolgt.
Muss das bösen N-Wort aus den Büchern verschwinden? Ja, aber…
Ja, ich fand es gut, dass in den enuen Ausgaben von Pipi Langstrupf nun Südseekönig satt Negerkönig heißt. Ich find es deswegen gut, weil das kein Eingriff in den Plot der Geschichte ist, Astrid Lindgreen eher als Freundin einer freien Lebensart bekannt ist und Neger hier tatsächlich ein unnötiger Rassismuss wäre.
Nein, ich find es nicht gut, das böse N-Wort aus allen Büchern zu verbannen. In Hucklberry Finns Abenteuer, in Onkel Toms Hütte oder bei Wer die Nachtigal stört dient dieses böse, böse Wort einen bestimmten Zweck. Er zeigt den Rasissmus auf, der in der Südstaatengesellschaft herrschte. Und er zeigt die außergewöhnliche Stellung, die die Helden der Geschichte, z.B. dem colorbinden Huck Finn, haben. Ich denke, eine gute Lösung für das Problem wären, ähnlich den Reklam-Heften, kleine Esseys am Ende eines Buches, die Helfen 1) den Rasissmus aufzuzeigen und zu benennen und 2) einzuorden. Lovecraft war Rassist und Antisemitist, ja. Aber ich glaube, er hatte eher ein psychologisches Probelm. Karl May war Rassist. Er schrieb von edlen Wilden, kulurell degenerierten Türken und hatte für Chinesen wenig übrig. Er schrieb aber auch tolle Abenteuergeschichten und war bekennender, brennender Pazifist. In vielen Geschichten versucht sein Held Charly seine Feind zu besiegen, ohne einen Schuß aus dem Henrystutzen zu feuern. Im zweiten Band der Mahdi-Saga nimmt er sogar eine ganze Armee von Sklavenjägen gefangen, ohne es zu einem Gemezel zwischen diesen und den Truppen dem ReÏs Effendia kommen zu lassen.
Diversität ist auch so ein Thema. Es ist wichtig, genau wie das Gendern. Wir brauchen mehr Geschichten mit farbigen, tanssexuellen, homosexuellen, behinderten Heldinnen. Ich möchte aber anmerken, dass wir mehr orginelle/orginale Geschichten mit einem diversen Cast brauchen. Meiner Meinung nach krankte der Gostbusters-Film vor allem daran, das man auf Deibel-komm-raus versucht hat, eine Geschichte, die mit Männern funktioniert hat, mit staken, witzigen Frauen nachzudrehen.
Rasissumus, Antisemitismus, Fanatismus und Kolonialismus
Ohh, eine heikle Geschichte und gerade damit hat sich Ulisses voll in die Nesseln gesetzt. Das war dumm. Das war ein Fall von positiven Rasissmus, und egal ob positiver (bestimmte Eigenschaften oder Merkmahle anderer „Rassen“ überhöhender, beispielsweise der edle Wilde) oder negativer Rasissmus: Rasissmus ist scheiße. Rasissmus muss aufgedeckt werden. Ist deswegen jeder, der rasistische Begriffe nutzt, ein Rassist? Ein Nazi?
Rasissmus ist in Fantasy-Welten fester Bestandteil, spätestens seit Tolkin. Da begann der Rassismus zwischen Elfen und Zwergen. Und der zwischen Menschen und Elfen. und der zwischen Orks und allen anderen. Der wird in Fantasy-Rollenspielen noch viel zu oft genutzt. Zeit, mit diesen Rasissmus und rassencliches zu Brechen. Im August habe ich dazu eine kleine Serie geplant.
Aber Troll, höre ich euch sagen, was ist, wenn die Kampagne in den Südstaaten kurz vor oder kurz nach dem Bürgerkrieg spielt? Oder wenn wir CoC in den 30gern in Deutschland spielen? Da ist es wichtig, Spielerin und Spielfigur zu trennen. Die Spielerin mag frei von Rasismuss sein, die Spielfigur, die Teil einer rassistischen Gesellschaft ist, mit Sicherheit nicht.
Ich habe ja hier schon mal geschrieben, dass ich für die Schwefelklippen ein Szenario entwickelt habe, das mir Bauchschmerzen verursacht hat. Ich hatte Probleme mit dem Rasissmus des Prophetenlagers, der Menschen über Echsenwesen und Orks stellt. Ich hatte Probleme mit Infanzit und Mord an anderen Rassen. Das Szenario entstand, als die ersten Flüchtlingsheime brannten (als Feuerwehrler macht mich sowas doppelt wütend) und die AFD aufstieg. Ich habe mit verschiedenen Leuten darüber diskutiert. Der Tenor war, dass nicht ich für das, was Spielerinnen und Meisterinnen aus dem Abenteuer machen, verantwortlich bin. Im Abenteuer wird explizit ein Seitenwechsel zu den „Guten“ angedacht, aber wenn es die Spielerinnen nicht machen… nicht meine Schuld! Mir ist immer noch nicht wohl bei der Geschichte. So leicht komme ich da nicht vom Haken. So leicht möchte ich auch nicht vom Haken. Ich finde nämlich das Szenario gut, um über seine eigenen Einstellungen und Handlungen in der realen Welt zu reflektieren. Darum werde ich es auch nicht löschen. Erweitern, um einen Leitfaden für die Refektion, ja. Löschen… nein.
An dieser Stelle möchte ich mich auch herzlich bei Ute Gunda bedanken. Mit ihr und Leszek Kubat habe ich als letztes über dieses Thema diskutiert undhier wurde mir aufgezeigt, dass sich das „Szeanrio“ arg kolonialistisch ließt (religöser, von rassistischen Motiven geleiteter Kolonialismus). Das war mir so noch nicht klar, auch das muss in eine zukünftige Refektion eingebaut werden.
Sexismus und (sexulelle) Gewalt im Rollenspiel
Bööööööööse Falle! Eine Falle, in die ich schon selbst getapt bin, um einen Bösewicht zu beschreiben. Ein billiger Trick, der so richtig nach hinten losging. Ich habe aus Unwissenheit eine Spielerin getriggert. Den Fehler werde ich nie wieder machen.
Meine Bitte an euch: Setzt einen Gruppenvertag auf und fragt ab, was in Ordnung geht und wo die Grenze ist.
Genau hier muss ich eine Lanze für DSA brechen. In dachen Sexualität waren die DSAler schon immer liberaler als andere Rollenspiele. Die Kontroverse um die zu wenigen Penisse in den Illustrationen ist in meinen Augen ein klein bischen Verlogen. Für freischwingende Hoden mussten wir Riesländer schon mal heftig Gegenwind einstecken und ich bin mir sicher, dass ein erigierter Penis auf dem Cover dafür gesorgt hätte, dass Wege der Vereinigung nicht so veröffentlicht werden könnte.
Was zu Tun bleibt
Reden, ohne Krieg zu führen. Ohne die anderen zu Beschimpfen, zu verunglipfen oder durch Wort und Tat die Gefühle zu verletzen. Setzen wir uns zu einem Thing zusammen und reden und legen neue Standarts fest (ja, ich schau gerade Vikings. Merkt man das?). Streit führt zu Krieg, Krieg zum auseinaderbrechen der Gemeinschaft. Zum Ende unseres Hobbys. Und das, meine lieben Freunde, wäre eine ware Tragödie!
Denken wir bei unserem Ting an das Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun. Nutzen wir für Kritik das Feedback-Sandwich (erst positive Kritik, dann konstruktive Kritik, dann wieder was Positives). Nehmen wir Kritik an. Verdächtigen wir niemanden, dass er im Grunde ein Nazi oder Antifa-Faschist zu sein. Achten wir auf unsere Sprache und auf Umgangsformen. Lasst das Trollen, im Rollenspiel ist nur Platz für einen Toll; mich😎
Übrigens: Wer mit meinen Abenteuern und Szenarien, die ich hier auf meinen Blog veröffentliche, nicht zurechtkommt, weil sie in ihren Augen zu sexistisch / kolonialistisch etc. Sind, für den habe ich ein besonderes Schmankerl: Alles hier ist unter CC/BY. Das heißt konkret, dass du alles jederzeit gerne umarbeiten darfst und veröffentlichen kannst, solange irgendwo meinen Namen (nach einem Szenario von Dnalor the Troll) erwähnst und einen Link auf den Ursprung legst. Du darfst damit sogar Geld verdienen. Beteilige mich nur angemessen. Viel Spaß beim Überarbeiten!