Archiv für den Monat Januar 2022

Karneval der Rollenspielblogs: Gefängnisse – Was und wo sperrt man im Fantasy-Rollenspiel ein? 

Was sperrt man denn so in der Fantasy ein? Normale Leute. Wie im echten Leben auch wird ein überwiegender Teil der Straftäter in einem Fantasy-Setting wohl stink normale Menschen sein. Und die sperrt man halt in ein Gefängnis. Wie es denen dort geht und was für ein Gefängnis das sein könnte? Donnerhaus hat darüber vor ein paar Jahren eine interessante Serie gemacht. 

Mich interessieren aber heute ganz andere Gefangene. Gefangene mit MACHT! In der Fantasy heißt das ganz oft Zauberkraft. Wo also hin mit den ganzen straffällig gewordenen Magiern, Hexen, Nekromanten? In eine Kerkerdimension vielleicht? 

Kerkerdimensionen sind Welten außerhalb der Spielwelt, wohin die gefangenen Magier gezaubert werden. Meist laufen da irgendwelche Dämonen oder dreiköpfige Hunde herum, die die Zauberer dann bewachen oder Foltern. Ein außerhalb der Mauern gibt es nicht, höchstens eine Lavasee oder… das Nichts!  

Man könnte auch eine Gefängnisinsel einrichten, auf der die Magier leben müssten. In der Realität gab und gibt es immer noch ein paar solcher Inseln, Rikers Island und Alcatraz oder die Insel, auf der der Graf von Montecristo gefangen war. In der Fantasy blicke ich da nach Myranor, für das ich in der MM 60 eine solche Insel entworfen habe. Mit den Inseln Nimoras und Arathax im Horasiat Mayenios gibt es sogar zwei offizielle Gefängnisinseln und auch im Unter dem Sternenpfeiler werden Gefängnisdomänen erwähnt, in denen die einzelnen Optimatenhäuser ihre Problemfälle verstecken. 

Meine Mutter hat vor kurzem ein neues Hobby entdeckt: malen nach Zahlen. Hier ein Bild, das kurz vor Weihnachten fertig wurde: Der Drache in der Flasche. Ich finde ja, magische Flaschen (oder Öllampen) sind der ideale Aufbewahrungsort für Drachen, Magier oder Schiffe

Was kann man noch gefangen halten? Zumindest in der Fantasy Gedanken. In Harry Potter kann man Erinnerungen aus den Geist ziehen und diese dann aufbewahren. So ließen sich auch Worte und Gedanken, die sonst viel Unheil anrichten würden, Gefangen halten. 

In Bibliotheken wurden früher Bücher angekettet (vor allem, um sie vor Diebstahl zu sichern). Was, wenn die Bücher dort in Ketten liegen, weil sie Gefährlich sind? Was, wenn eine Bibliothek nichts anderes als ein Gefängnis der Gedanken und Wörter, gebannt in Schriftzeichen auf Buchseiten, ist? 

Manchmal ist auch der Körper ein Gefängnis. In DSA kennt man die Kalte Braut und den Ingerimmheiligen Rhÿs von Abilacht. In ersterer ist ein Teil des Namens des Namenlosen gebunden, im Letzteren ein Dämon (mit dem Thema habe ich auch im König der Huren gespielt). Mein Filmtipp zu diesem Thema ist Skeleton Key. (Achtung, Spoiler) Das Thema dort ist zwar eigentlich Körpertausch, aber der Geist der jugendlichen Protagonisten ist dann im vom Schlaganfall gelähmten Körper der Voodoo-Praktizierenden gefangen. 

In der Fantasy kann also mehr ein Gefängnis sein, als man denkt. Je mächtiger der Gefangene, desto ausgefallener das Gefängnis. 

Rakshazar Dungeon Crawl – Ein Blick unter die Motorhaube

Der Rakshazar Dungeon Crawl soll ja ein Old School Erlebnis bieten. Darum möchte ich als dahinterliegende Regelwerk auch ein OS-Regelwerk verwenden. Als alter DSAler fällt da meine Wahl auf DSA1. Ich nutze das Buch der Regeln 1 und 2.

Und da fangen meine Probleme an, dat passt nicht so recht nach Rakshazar. Im BdR1 werden 5 Klassen vorgestellt: Krieger, Abenteuer, Magier und die nicht-menschlichen Klassen Zwerg und Elf. In Rakshazar haben wir aber viel mehr nicht-menschliche Spezies. Nagah, Steinechse, Ork, Sirdak, Broktar, Agrim… dazu noch viele Menschen unterschiedlicher Kulturen. Wie kriege ich das unter einem Hut?

Ich nute eine moderneren Ansatz. Für mich unterscheiden sich Ork, Mensch, Steinechse und Zwerg erstmal nur in ihrer Größe und Gewicht. Talente, Fertigkeiten usw. werden von dem gewählten Typen (das sind dann die Klassen) bestimmt. Kultur spielt erstmal (genauso wie in DSA1) keine Rolle. Bleiben nur zwei Typen, die eigentlich Spezies sind: Brokthar und Sirdak. Die sprengen meine Idee etwas, weil sie einen anderen Körperbau haben (Broktars sind bis zu 2,50 Schritt groß und i. d. R. stärker als die üblichen Spezies und zudem bei Verletzungen natürlichen Rüstungsschutz aufbauen) oder ein spezielles Verhalten an den Tag legen (Sirdak sind Baumbewohner. die kommen nicht gerne runter auf die Erde).

Meine Typen sind also:

TypVoraussetzung
Abenteurer*inKeine
KämpeMU 12, KK 12
BroktharMU 13, KK 13, GE 12
Pfadmagier*inKL 12, CH 12
SirdakMU 12 GE 12
Kämpe entspricht dem Krieger, Pfadmagier ist die Rakshazarische Version des Magiers

Die Typen Broktar und Sirdak habe ich dann so beschrieben:

Broktar

Brokthar sind sehr große, starke Humanoide. Es heißt, sie seien das Ergebnis der Verbindung von Trollen und Menschen. Bekannt ist, dass sie einen natürlichen Schutz entwickeln.

Voraussetzung: MU 13, KK 13, GE mindestens 12

Vorzüge: Verhornung: Verliert eine Brokthar bei einem Treffer die Hälfte ihrer LP, erhält sie permanent 1 RS und 1 Geschicklichkeitsmalus hinzu. Kann alle Zweihandwaffen einhändig führen

Beschränkungen: keine Magiebegabung, keine schweren Rüstungen

Lebensenergie: 40 LP Astralenergie: keine

und

Sirdak

Die baumbewohnenden Echsenwesen Sirdak stammen von der Ribukanischen Halbinsel und sind in Shahanna selten zu finden. Auf den Boden fühlen sie sich unwohl und klettern lieber auf Stühle und Tische, als auch nur eine Zehe auf den Boden zu setzen.

Voraussetzung: MU 10 GE 12

Vorzüge: Der Start-Talentwert in Klettern und Fernkampf sind um 4 Punkte höher.

Beschränkungen: keine schweren und mittleren Rüstungen, MU-Malus von 3 Punkten, wenn die Held*in sich auf dem Boden befindet.

Lebensenergie: 25 LP

Astralenergie: keine

Die nächste Geschichte, an der ich Sitze, findet sich im BdR2. Dort werden Ausbauklassen vorgestellt, in die sich (vor allem der Abenteuer) weiterentwickeln kann.

Quelle: Buch der Regeln 2 S. 6

Das möchte ich für meinen Dungeon Crawl auch haben. Ich habe mir da folgendes ausgedacht:

Kultist*innen sind die Geweihten Rakshazars (Magiebegabung bleibt übrigens erhalten, wenn man sich einer Gottheit weiht, also ist der Kultist DIE Vortentwicklungsmöglichkeit für Pfadmagier) Schaman*innen sollen die Rakshazarischen Stammeszauberer / Druiden sein, Gauner entsprechen den Streunenrn Aventuriens.

Eine Frage habe ich aber. Brauchen Brokthar und Kämpe auch Weiterentwicklungsmöglichkeiten? Kultist könnte ich mir bei beiden vorstellen, aber auch eine besondere Kämpferklasse. Nur… was soll die können und welche Voraussetzungen soll sie haben? Vielleicht was mit Mietlingen?

Ja, Mietlinge. Ich plane, DSA-Regeln für Mietlinge zu schaffen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Weiterentwicklung der Krieger und Brokthar spezielle Mietlinge (etwa Kämpen-Mietlinge) anheuern können, die die Gruppe begleitet und auch in die Kämpfe eingreift. Ich bin aber noch am überlegen, wie ich das Ballancing mache. Wer Ideen hat, immer her damit!

Rakshazar Dungeon Crawl: Mit guten Vorsätzen und menschenfressenden Gemüse ins neue Jahr

Sodala, da bin ich wieder. Nachdem ich letztes Jahr ein paar Vorüberlegungen zum Rakshazar Dungeon Crawl gemacht habe, will ich dieses Jahr endlich die Geschichte zu Papier bringen. Das, was ich bisher geschrieben habe, hab ich mir schon mal in die Datei rübergeschoben, ein Einleitungskapitel steht auch schon.

Neu ist die Schlossküche. Oder zumindest die Idee, was in der Schlossküche geschehen soll, Karten habe ich noch nicht gemacht. Bei der Idee hab ich mich ein wenig vom Gurkenkönig und von Angriff der Killertomaten inspirieren lassen. Kennt ihr die noch? Jedenfalls… hier die Schlossküche

2.4 Die Küche des Grauens

Der Einfluss des Dämons und das Mutagen der Pflanzen hat auch das Gemüse in der Küche verändert. In der Nacht, als die Schwimmende Festung fiel, erhoben sich Lauch, Würzel, Kohl und Obst gegen die Menschen. “Nieder mit en Pflanzenessern!” mit dieser Parole griffen sie das Küchenpersonal an und errichteten in der Küche ein Reich des Gemüses. Zu ihrem Herrscher krönten sie eine sauer eingelegte Gurke.  

Die Gemüse- und Obstmonster ernähren sich von Fleisch, am liebsten Fleisch von Vegetariern, Veganern und Omnivoren. Fleischesser greifen sie nicht an, sondern sehen diese als Verbündete. Die abgenagten Überreste ihrer Opfer liegen in der Küche herum, sind aber nur bei ausreichender Beleuchtung zu sehen. Auch an Fleischerhaken hängende Körper können nur bei ausreichender Beleuchtung als humanoide erkannt werden, sonst werden sie für Jagdwild gehalten. 

In einem Lagerraum im hinteren Teil der Küche liegt eine gefesselte Küchenhilfe, die als nächstes auf dem Speiseplan der Gemüse- und Obstmonster steht, sollte sie nicht von den Held*innen befreit werden (Werte wie eine Abenteuerer*in auf Stufe 1). 

Werden die Gemüse- und Obstmonster zu stark bedrängt (10 Tote:  (   ) (   ) (   ) (   ) (   ) (   ) (   ) (   )  (   ) (   ) (   )) ruft die Sauer eingelegte Gurke in ihrem Glas die verbliebenen Kräfte zusammen. Sie bilden einen zwei Schritt großen Grünzeuggolem. 

Werte eines Gemüse- oder Obstmonsters: (Die verrate ich erst im endgültigen Abenteuer 🙂 )

Werte des Grünzeuggolem: (Dito)

Wird die Küche betreten, glimmt nur das offene Feuer in der Feuerstelle schwach, die restliche Küche liegt in Dunkelheit (Malus auf alle Angriffe von X Punkten). Wird das Feuer geschürt und mit neuem Brennmaterial versorgt, fällt der Malus weg. 

Betreten die Held*innen die Küche, hören sie eine Stimme, die sie fragt: “Seid ihr Vegetarier?” Antworten die Held*innen mit ja, werden sie sofort von den Gemüse- oder Obstmonstern angegriffen. Bei einem nein müssen die Held*innen dies beweisen, an einem Tisch in der Küche stehen Teller mit Suppe. In der Suppe schwimmen Fleischstücke, die eindeutig Humanoiden zugeordnet werden können (Augen, Finger (mit Ring XXX), Zähne usw.) Essen sie die Suppe trotzdem, gelten sie als Freunde des Obstes und Gemüses und werden nicht angegriffen. Sie können sich frei in der Küche bewegen und Fleisch essen. Das Mahl gibt W6 Lebenspunkte zurück, kostet aber einmalig permanent 1 Punkt auf Charisma. 

Belohnung 

Die Held*innen erhalten für den Kontakt mit den Gemüse- und Obstmonstern 50 AP, egal wie dieser Kontakt abläuft. Weitere 50 AP gibt es, wenn die Küchenhilfe gerettet wird. Die Küchenhilfe kann als SC verwendet werden. 

Von Zugräubern und privaten Polizisten – Dystopische Vorlagen für Cyberpunk aus Lincoln Heights

Kennt ihr das auch? Da stößt man beim täglichen stöbern im Internet auf eine reale Geschichte, die o absurd ist, dass sie, nach ein paar Minuten Recherche, locker als Plot für ein Abenteuer reicht.

Die Geschichte dreht sich um Los Angeles, genauer gesagt um die Eisenbahnverbindung, die durch den Stadtteil Lincoln Heights führt. Die verbindet den Hafen L. A. mit dem Rest Amerikas und gehört der Eisenbahngesellschaft Union Pacific (das sind die mit den Amtrak-Zügen).

Der Hafen von L. A. ist der größte Containerhafen Nordamerikas, Nummer 2 liegt einige km weiter südlich in Long Beach. Dort werden etwas mehr Container wie im Hamburger Hafen umgesetzt, international ist er der 15 größte Hafen. Was also aus Asien nach Nordamerika kommt, landet entweder hier oder in Long Beach an. Alles Zeug, was hier anlandet, geht über die Schiene in den Rest der Staaten.

Wie man hier sehen kann, sind die Schienen, die durch den Stadtteil Lincoln Heights führen, zweigleisig.

Neben den Gleisen befinden sich Betonwände zum Schallschutz, die Schienen liegen tiefer als das umgebende Gelände. An dieser Stelle müssen die Züge langsamer fahren, teilweise geht es im Stopp-and-Go. Das ist dann so langsam, dass Diebe von den Brücken oder Betonwänden auf die Wagons klettern können, dort die Container knacken (nebenbei… ich habe in Deutschland noch keinen Güterwagon gesehen, bei dem zwei Container übereinandergestapelt waren) und ausräumen. An den Gleisen entlang warten dann die Komplizen mit Cuttermessern, schneiden die Kartons auf und nehmen nur das Wertvolle Zeug mit. Der Rest und die Verpackungen bleiben dann als Müll auf den Gleisen zurück. Wenn man den Link hier folgt… das hat schon was dystopisches, cyberpunkig-dreckiges.

Aber wartet, die Geschichte geht noch weiter! Am Sonntag, dem 17.01.2022 ist da ein Zug in Lincoln Heights entgleit, wahrscheinlich wegen des ganzen Mülls, der da so rum liegt. Verletzt wurde gottseidank niemand. Mittlerweilen haben sie da den Müll und den Zug weggebracht, die Strecke war drei Tage lang zu und ist seit Donnerstag wieder befahrbar.

Warum hat die Stadt Los Angeles die Strecke nicht gereinigt, warum sind da keine Cops, die die Diebe jagen? Ist Los Angeles so am Hund, dass das dort Alltag ist und sich niemand darum schert? Die Antworten auf die Fragen sind gar nicht so leicht zu geben. Ja, Los Angeles scheint es gerade nicht gut zu gehen, aber es Städte, in denen mehr geraubt (Platz 29 in den Top 100, Spitzenreiter Baltimore), gestohlen (Platz 79, Spitzenreiter Cleveland) oder überhaupt Eigentumsdelikte durchgeführt werden (Platz 75, Spitzenreiter Albuquerque mit 3 mal so vielen Delikten je 100.000 Einwohnern). In der Stadt leben auch über 41.000 Obdachlose. Das ist aber nicht die Antwort auf die Frage, warum die Stadt da nichts gegen die Bahnräuber oder die verdreckten Schienen macht. Die Antwort ist, dass sie da gar nicht zuständig sind. Die Schienen sind nämlich, wie oben schon gesagt, Eigentum der Union Pacific. Die sind für die Sicherheit und die Sauberkeit zuständig. Der ganze Müll, der da auf den Schienen rumliegt, der stammte alles aus der Zeit von mitte Dezember bis Januar. Dass da so viel rumliegt hat damit zu tun, dass UP nicht mehr mit dem Reinigen nachkommt (und es, böse Zungen behaupten dies, billiger wäre, entgleiste Züge zu bergen als täglich den Müll abzutransportieren). Für die Sicherheit hat UP übrigens eine eigene, private Polizeieinheit, deren Beamte sich Special Agents nennen, wohl aus Pinkerton hervorgegangen sind (ja, genau aus der privaten Detektei, die im Wilden Westen Butch Cassidy und Sundance Kid gejagt haben oder hinter Jesse James her waren), gut gerüstet sind und weitreichende Befugnisse haben, zuständig. Unter anderem wegen dieser Zuständigkeit greift das LAPD nicht in die Sache ein. Zuständigkeiten sind in den USA bei den vielen konkurrierenden Polizeibehörden so was wie Heilige Kühe, ein Officer des LAPD würde Trespass begehen, wenn er sich auf die Gleise verirren würde. Zudem scheinen Diebstähle nur lax bestraft zu werden, als Petty Crime oder Misdemeanor.

So, und was bedeutet das nun fürs Rollenspiel? Hey, ganz ehrlich, ein Szenario für ein cyberpunkiges Setting schreibt sich da doch fast von ganz allein. Wir haben Güterzüge, die an einer Stelle so langsam fahren müssen, dass sie von Dieben geknackt und leergeräumt werden. Wir haben eine über mehrere Kilometer verdeckte Strecke, die so zugemüllt ist, dass Züge entgleisen. Wir haben konkurrierende Polizeieinheiten, wir haben private Polizeieinheiten, wir haben Zuständigkeitsgerangel.  

Entweder machen die Runner da beim großen Geschenkeauspacken mit oder sind Teil der Polizeieinheiten, die der Geschichte ein Ende bereiten sollen. Vielleicht sollen sie auch einen Wagen und dessen Fracht schützen. Oder es wurde etwas wichtiges aus einem der Container gestohlen, dass unbedingt gefunden werden muss. Eine Mini-Nuke. Ein Alien-Raumschiff (oder zumindest Technologie davon). Ein Container voller Drogen. Ein Panzer. Ein MacGuffin.

Karneval der Rollenspielblogs und Rezension: Kohlrabenschwarz Staffel 2 – Von Schneewittchen zu einem ausgewachsenen Krieg der Magier 

Zwei Tage. So lange hab ich gebraucht, um durch die neue Staffel von Tommy Krappweis und Christian von Asters Kohlrabenschwarz zu suchten. Das Hörbuch (Achtung, Affinity Link) ist stark, atmosphärisch dicht, genial eingesprochen und eindeutig ein Beweis dafür, dass die Pandemie bei zumindest einigen Kulturschaffenden wahre Synapsenfeuerwerke ausgelöst hat. Vor ein paar Tagen las ich ein Interview mit Tommy Krappweis in der Lokalzeitung. Darin erzählte er, wie sie mit Beginn der Pandemie sein Produktionsstudio, eigentlich auf TV-Produlktionen ausgelegt (mit Green Screen usw.) kurzerhand in ein coronakonformes Hörspielstudio umbauten und seither Hörspiele am laufenden Band produzieren (etwa die Lieblingsserien meiner Kinder, Ghostsitter und Rufus T. Feuerflieg, aber auch Lord Schmetterhemd und die Mara-Saga). Wenn man noch die Wildmics dazurechnet, dann… Hut ab, Herr Krappweis, Hut ab. 

Wie bei allem, was Tommy Krappweis macht, spricht er auch in diesem Projekt eine Rolle. Das ist hier die des, mit moderner Kommunikation auf Kriegsfuß stehenden, Polizisten Thomas Falber, der zusammen mit dem Psychologen Stefan Schwab, dessen Freundin und Polizistin Anna Leitner sowie dessen Ex-Frau Susanne Wirzbacher die nun mit Franz, einem freikirchlichen Pfarrer mit dunklen geheimnissen verheiratet ist und dem Schwarzalb Herr Erdmann die SoKo Kohlrabenschwarz bilden. Die Deutschlandweit einmalige SoKo (toller Kunstgriff, so können Sagen und Märchen aus ganz Deutschland aufgegriffen werden) untersucht magische Phänomene, die mit Märchen und Sagenmotiven zusammenhängen. 

Der rote Faden, der sich durch das Hörbuch zieht, ist der EINE Spiegel der bösen Königin aus Schneewittchen, in dessen Mitte, dem Spiegelherz, ein Dämon gefangen ist. Schon Splitter dieses Spielgels lösen Ereignisse aus, die an die Geschichte (auch in ihrer Urform) erinnern und die Opfer zu Marionetten der Geschichte machen. Und im Hintergrund spielen zwei Magier eine Rolle, von dem einer in einem magische Hochsicherheitstrakt unter der Altstadt Wiens sitzt und der andere… 

Mich hat das Hörbuch aus mehreren Gründen begeistert. Der Anfang war, zumindest in meinen Augen, genial. Nachdem man am Ende der ersten Staffel die SoKo offiziell gegründet hat, steigt man in dieser Staffel damit ein, dass die einzelnen Mitglieder der SoKo ihre Rollen (entsprechend der Märchen-Archetypen, die sie verkörpern) finden. Als Rollenspieler finde ich das richtig putzig, das hört sich an wie das Steigern der Charaktere und die Downtime nach einem Abenteuer. Nach einem Abenteuer ist vor einem Abenteuer, es geht nahtlos mit dem neuen Fall weiter. Auch hier was, was mir aus Rollenspielersicht gefällt: Die Charaktere werden passend den Archetypen gewählt. In der Schneewittchengeschichte z.B. nimmt der Jäger zunächst eine negative Haltung gegenüber der Figur ein, also wird Franz nicht mitgeschickt, auch die Hexe Susanne muss zuhause bleiben, einzig Schwab als Hans und das Röschen Anna kann mitgeschickt werden. 

Wo wir grade beim Jäger sind… Rollenspieltechnisch hätte ich Franz nicht als Jäger, sondern mehr als Paladin gesehen. Seine Hintergrundgeschichte verwebt ihn mit der Magie und den Schicksalen der anderen Gruppenmitglieder. Sein persönlicher Wertekodex, sein Einstehen für andere und seine kriegerische Ausbildung (Ex-Bundeswehrsoldat, Ex-Marine, Ex-Fremdenlegionär, Ex-Europol) und seine Verbindung zum Glauben machen ihn im Rollenspiel zum Urtyp des Paladins. In einer Szene des Hörbuchs wird das so richtig klar rausgearbeitet: Erdmann hat zwei Kapitel vorher ein Feenwesen angeschleppt, das Magie aufspüren kann. Ein liebenswertes Wesen, klein, haarig, knuddelig, sofort Gruppenmaskottchen und besonders Sabine schnell ans Herz gewachsen. Das stirbt nun beim Versuch, die Gruppe vor Kitimora zu retten. Das Gebäude, in dem die Sache spielt, stürzt ein und es bleibt nichts außer das Pailettenherz des T-Shirts, welches jene Wesen anhatte, zurück. Mit Müh und Not entkommen die Helden, erste Risse in der Gruppendynamik treten hervor. Trauer. Angst, dunkle Geheimnisse. Und Franz, der verlangt, dass jetzt erst mal eine ordentliche Beerdigung für das Feenwesen gemacht wird. Der es einfordert. Der predigt. Dessen Predigt die Gruppenmoral deutlich erhöht und die Gruppe für den nächsten Angriff wappnet. Ein PALADIN, ein göttlicher Streiter! 

Ebenfalls, aus Sicht des Rollenspielers und passend zum Karnevalsthema dieses Monats, ist das Gefängnis, in das Benedikt Hornhold, der Erzschurke der ersten Staffel, gebracht wurde. Das beginnt bei den Wächterinnen, den Amazonen. Die werden hier als kampfkräftige Kriegerinnen dargestellt, die mit Lanze, Schild, Brünne und Gladius wie aus der Zeit gefallen wirken. Normalerweise hast du in der phantastischen Literatur (und auch dem Rollenspiel, das ich hier mal als Untergenre dazuzähle) das Problem, wie du einen (Spoiler!) Gefängnisausbruch glaubhaft darstellen willst, vor allem, wenn du das Gefängnis vorher als Hochsicherheitstrakt beschrieben hast. Wachen, die vorher als die Besten der Besten beschrieben wurden, müssen dann auch in der Ausbruchssituation so agieren. Das tun diese Wächterinnen. Beim Ausbruchsversuch des Magiers stehen sie ihre Frau und halten den magischen Angriffen stand. Sie weichen auch nicht, als Trolle aus der Wand heraus angreifen und die hinteren Reihen vernichten. Cool finde ich auch den Bruch mit diesem Image, nachdem der Ausbruch verhindert würde. Kaum ist das WLAN im Magieknast wieder an, bimmeln die Handys der Amazonen (ich musste mir einen Lacher verkneifen, als bei der Oberin das Handy losging: Wagners Walkürenritt als Klingelton 😊 ). 

Der Gefangene war übrigens in einer Zelle, die mich an Magnetos Kanst in XMan erinnert. Der Magier hängt, durch einen Zauber gelähmt, über einer tiefen, tiefen Grube. Nackt, mit den Rücken zur Tür. An der Wand eine Tafel mit Buchstaben. Ein Übersetzerwesen, dass diese Buchstaben, die nur mit den Augen angeblickt werden können. in Worte übersetzt. 

Interessant auch die anderen Gefangenen, die hinter Hochsicherheitstüren und Zauberbannen sitzen, in Gängen, die im Notfall per Fallgatter abgeriegelt werden. Berühmtester Gefangener: Der gestiefelte Kater. Der sitzt hier, weil er DIE Waffe gegen Magier ist und wie wild auf alle Zauberer losgeht. Genial! 

Kohlrabenschwarz Staffel 2 ist richtig, richtig gut. Sie umgeht das Problem vieler Mystery-Serien, in der Staffel 2 genau das zu tun, was man auch in Staffel 1 gemacht hat (Monster of the Week, neuer Supergegner (ohne ausreichenden Aufbau), indem sie den Aufbau einer Polizeieinheit darstellt und Gruppendynamiken in den Vordergrund stellt. Sie ist auch gut, weil sie kompetente Ermittler und Gefängniswachen zeigt. Auch der Comic Relif Falber ist, obwohl mit der modernen Technik überfordert, kompetent und nützlich, wenn es darauf ankommt (und er Berichte an die Vorgesetzten schreibt oder Kontakte aufbaut). Und Krappweis Wortwitz und Humor, der immer durchblitzt, ist genau mein Ding, von daher eindeutig eine Kaufempfehlung. 

Anmerkung: Nein, ich habe kein Geld, keine kostenlose Hörprobe oder sonstige Vorteile von Audible oder sonst wem erhalten, ich hab hier meine Meinung abgesabbelt, weil es meine Meinung ist. Dem, der versuchen sollte, meine Meinung zu kaufen, sei hier ein freundliches “Fick Dich” entgegengeworfen.