Archiv der Kategorie: Hexxen1733

Das Meer der Monster- Die Seefahrt der HeXXen

Mare Monstrum, die Mittelmeer / Seefahrtserweiterung für HeXXen 1733 ist da. Da Seefahrt ja mein Ding ist und ich hier im Blog schon einige Systeme beschrieben habe, schreit diese Seefahrtserweiterung ebenfalls nach einer Rezension.

ABER: Ich bin hier nicht ganz unparteiisch, da ich an der Entstehung des Projekts im weitesten Sinne beteiligt war.

Die Idee zur Mittelmeererweiterung Mare Monstrum kam aus dem Orkenspalter-Forum und stammte aus der Feder des Waldviehs, der in den Anfangstagen des Rakshazar-Projektes auch bei uns mitgearbeitet hat. Im Januar 2019 haben dann Raphael Brack und Bjorn Beckert das Projekt so weit geführt, dass es offiziell Teil des HeXXen-Universums werden soll. Damals hat mich Raphael angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, daran mitzuarbeiten. Lust hatte ich, also sagte ich zu.

Dass ich dann im Frühjahr 2020 ausgestiegen bin, hatte mehrere Gründe. Zuerst mal kam ich mit den cineastischen Ansatz von HeXXen und den Regeln nicht so richtig klar. Ich komm aus der DAS-Ecke Kreuzung OSR. Wir beschreiben keine Kinoszenen, wir crawlen Dungeons. Haben Fallen. Wächter, die per Schleichenprobe umgangen werden müssen. Da half es auch wenig, dass ich für meinen Beitrag, ein Abenteuer auf Kreta, einen waschechten Dungeon gezaubert hatte. Dass biss sich mit der Idee von HeXXen, worauf mich Mirko Bader auch ein paar zurecht Mal hinwies. Mein Hauptgrund für den Ausstieg war aber, dass mir das Ganze zu stressig wurde (ich hab nebenher an meiner Abschlussarbeit für eine Zusatzqualifikation geschrieben, was mich meine Faschingsferien gekostet hat) und ich keine Ruhe zum Schreiben fand. Da war mir klar, dass ich kein Abenteuer abliefern konnte. Schweren Herzens bin ich dann aus dem Projekt raus.

Wenn ich mir das im grade an die Backer verschickte PDF Das Geheimnis der Inseln zur Hand nehme und dort das Kreta-Abenteuer von Jens Thomä (der auch das Kapitel über Kreta in der Weltbeschreibung geschrieben hat) lese, dann war meine Entscheidung wohl die beste, die für das Projekt getroffen werden konnte. Das Abenteuer ist genial! Darin geht es um einen versteinerten Ritter und einen Gorgonen, die durch eine Seelenlichtgranate zurück in die Realität geworfen wird. Drei Handlungsfäden warten darauf, aufgegriffen zu werden und am Schluss wartet ein Teil des Schlüsselfragmentes, das zum ultimativen Ziel führen soll. Schön finde ich, dass der Haupthandlungsplatz beibehalten wurde. Bei Kreta denkt der moderne Mensch ja an Knossos und den Minotaurus, ich schlug aber damals die (auch in der Realität umkämpfte und lange gesperrte) Lasithi-Hochebene mit dem Kloster Kera Kardiotissa und der Höhle der Psychro (auch die Zeus-Höhle genannt) vor. Danke Jens, das du das beibehalten hast!

Aber nun zu den Seefahrtsregeln. Die sind in zwei Büchern aufgeteilt. Im Mare Monstrum Spielerhandbuch stehen von S. 91 bis S. 110 die allgemeinen Seefahrtsregeln rund um Schiff, Mannschaft, Ladung und Seefahrt, in der Mare Monstrum Obscura ab S.113 bis S. 120 die Regeln für Seegefechte.

Ein Schiff wird kommen… Die allgemeinen Seefahrtsregeln des Meeres der Monster

Was ist das wichtigste in einer Seefahrtsspielhilfe? Natürlich die verschiedenen Schiffstypen, die zur Verfügung stehen. In den meisten Fantasy-Rollenspielen mit eurozentrischem Focus sind das irgend ein Schiff, dass an die Drachenschiffe der Wikinger erinnert, ein bauchiges Schiff, das als Standart-Handelsschiff die Kogge im Spiel abbildet, eine Galeone, ein paar Galeeren und noch ein großes Kriegsschiff. Meist passen auch die Typen nicht zusammen, wie man z.B. in DSA beobachten kann, wo Ottas (eben jene Wikingerschiffe) gegen Schivonen (die Galeonen) kämpfen können.

In Mare Monstrum ist das anders. Dort wurde viel Wert darauf gelegt, reale, in die entsprechende Zeit passende, Schiffstypen darzustellen. Das führt auch dazu, dass im Regelwerk Schiffe stehen, die in keinem mir bekannten Regelwerk je aufgetaucht wären. Zur Auswahl stehen Feluken, Fustas, Galeeren, Brigs und Schoner (eigentlich das gleiche Schiff, nur eben unterschiedlich getakelt), Galeassen, Polacker und Schebecken (das gleiche in grün, wobei Schebecken meine persönlichen Lieblinge sind), Fregatten, Galeonen und Linienschiffe. Schiffe gibt es in unterschiedlichen Größen von 1 bis 11. Jedem Schiffstyp ist eine gewisse Größenspanne zugeordnet. Meine Schebecken etwa gibt es in der Größenspanne von 5-7.

Jetzt kommt ein Gedanke, den ich so in noch keinem Regelsystem gelesen habe. Je größer ein Schiff ist, desto mehr Segelfläche kann es aufbringen desto schneller ist das Schiff. Je kleiner das Schiff ist, desto einfacher ist es, dieses Schiff zu wenden. Bei einer Größe von 6 heben sich beide Effekte auf, aber ein 11er Linienschiff zum Beispiel ist ein verdammt schnelles Schiff, das aber einen gigantischen Wenderadius hat. Eine Feluke hingegen ist ein sehr wendiges Schiff, aber richtig Meilen kann man damit nicht reißen. Dafür kann es, wie die Fusta, Flüsse befahren.

Schiffe kosten Unterhalt. Auch diese Regel habe ich noch in keinem Seefahrtsregelwerk gefunden. Zum Berechnen des Unterhalts nimmt man die Schiffsgröße mal 100 Gulden, wobei Galeeren und Galeassen um 1 größer zählen, weil da ja so viele Leute (Ruderer) an Bord sind. Meine Schebecke würde also 600 Gulden kosten, eine 2er Feluke wäre um 2/3 günstiger, eine 10 Galeone würde 1000 Gulden kosten. Der Unterhalt wird nach 15 Etappen (eine Etappe entspricht 3 Tagen) fällig. In den Unterhalt sind die Heuer der Standartmannschaft drin, bessere Kapitäne, Navigatoren oder Schiffsärzte kosten einmalig mehr. Verliert ein Schiff Mannschaft (z.B. im Seegefecht), werden die automatisch im nächsten Hafen aufgefüllt.

Handel betreiben und so den Unterhalt finanzieren kann man mit den Schiffen auch, dafür gibt’s eine einfache Regel (Schiffsgröße = Schiffsladungen. Eine Schiffsladung = 1000 Gulden oder 10 Beutepakete. Je weiter das Schiff gefahren ist, desto größer die Nachfrage an der Ladung).

Natürlich gibt es auch Regeln für Schiffsreisen als Passagier.

Ebenso interessant sind die Vorgestellten Beispielschiffe. Eines davon, die Schebecke Lucrezia, ist das Jägerschiff, mit dem die Jäger*innen die Geheimnis der Inseln bestreiten. Der Name kam damals von mir, wir brauchten einen Namen für ein Schiff, das ursprünglich einem Feind gehören sollte. Dieser Feind stammt aus Italien. Da dachte ich natürlich an Lucretia Borgia. Die Schiffe sind ins kleinste Detail beschrieben, und besonders an die Lucrezia verliert man schnell sein Herz.

An die Kanonen! Die speziellen Seefahrtsregeln von Mare Monstrum

Beim Gefecht kommt es darauf an, wo man sich gerade befindet. In Küstennähe (oder Hafen) oder auf Hoher See. Je nachdem können Feinde auf unterschiedlicher Distanz und mit unterschiedlichen Manövern bekämpft werden (je zwei für Hohe See bzw. Küstennähe, eins zum Einnehmen der Schussposition, eins zum Entern). Wird man von den feindlichen Kanonen getroffen, erschweren sich alle weiteren Proben um -1 je Treffer. Auch die Größe der Schiffe spielt dann wieder eine Rolle: um die Lucrezia (Schebecken der Größe 6) ist nach 6 Treffern manövrierunfähig, nach 12 Treffern zu Poseidon geschickt. Auch Regeln für Seekämpfe gegen z.B. Seeschlangen oder zur Reparatur gibt es hier. Bei allen Regeln gilt jedoch

„HeXXen 1733 ist jedoch kein simulationistisches System, viele Aspekte werden entweder erzählerisch oder abstrakt abgehandelt – Kämpfe auf See stellen hier keine Ausnahme dar. Alles, was sich durch die folgenden Regeln nicht abbilden lässt, sollte daher ebenfalls erzählerisch abgehandelt werden.“

Mare Monstrum Obscura S. 113

Interessant sind auch die Regeln für die Bordgefechte. Die Schiffsgröße ist auch hier die Bestimmende Größe, wie viele Bandenfreunde auf der Jägerseite bzw. Bandengegner auf Feindesseite in 5 Wellen gegeneinander kämpfen. Das Ganze kann durch Umgebungseffekte, wie etwa Feuer an Bord, modifiziert werden.

Monster!

Ein Blick noch schnell ins Bestiarium: Da ist wirklich viel drinnen. Vampire, Nymphen, untote Templer, und auch ein Haufen Meergetier. Hippokrampen, zum Beispiel. Meermänner. Raubfische. Sirenen (ganz cool visuell umgesetzt von Isabeau Backhaus. Endlich wieder eine Sirene in der Fantasy, die nahe am mythologischen Vorbild, einem Vogel-Frau-Mischwesen ist!). Seeschlange. Für eine Kampagne an den Küsten des Mittelmeeres ist da, meiner Meinung nach, alles Wichtige dabei.

Fazit

Mare Monstrum ist eine gelungene Seefahrtserweiterung für die Welt von HeXXen 1733. Was mir besonders gut gefällt sind die vielen „neuen“ Schiffstypen und der Zusammenhang zwischen Schiffsgröße, Geschwindigkeit, Wendigkeit und Mannschaftsstärke. Dass viele Werte von der Schiffsgröße abhängig sind, erleichtert das Spiel auf dem Meer ungemein. Tatsächlich brauchst du nur die Schiffsgröße und die daraus abgeleitete Regeln für die Wendigkeit und die Schnelligkeit, um ein Schiff oder einen Schiffskampf zu spielen. Alles weitere ist nur Fluff oder Mittel, die Szene noch cineastischer darzustellen. Eine dringende Kaufempfehlung meinerseits, denn das Regelwerk gehört definitiv zu den stärksten und regelleichtesten Meeresregelwerken auf dem Fantasy-Markt.

Transparenz-Hinweis: Ich habe diese Rezension vorab Mirco Bader geschickt, um sicher zu gehen, dass ich nichts reinschreibe, was gegen meine Stillschweigens-Klausel verstoßen würde. Ich wollte also keine geheimen Interna ausplaudern. Mirco hatte keinerlei Einfluss auf den Inhalt der Rezension, er bat lediglich darum, HeXXen mit zwei großen XX zu schreiben und gab mir den Namen des Kreta-Abenteuer-Autors. Ich habe keine Rezensionsexemplare erhalten, ich habe beim Crowdfunding mitgemacht und mir das Regelwerk aus meiner eigenen Tasche finanziert. Ich werde auch nicht von Ulisses gesponsort oder kriege sonst irgendeinen materiellen oder finanziellen Vorteil.


Karneval der Rollenspielblogs: Reisen – Die Reisen des Trolls… ins Archiv

Persönlich bin ich ja nicht so die Wandersocke, aber Reisen spielen bei meinen Abenteuern und auch bei den Rezensionen hier auf dem Blog eine, selbst für mich überraschend, große Rolle.

Beginnen wir mit den Abenteuern, die ich bereits veröffentlicht habe. Begonnen hat alles mit „Tore im Eis“ in den Blutigen Pfaden. Da geht es um eine Reise nach Rakshazar auf den Spuren von Efferdane Suderstrand. Ich persönlich mag ja Seefahrtsabenteuer nicht so gerne (surprise, surprise, ich schreib aber viel rund um die Seefahrt und bin dabei noch Bayer, das heißt, vom nächsten Meer mindestens eine Tagesreise entfernt. In alle Richtungen). Zumindest in DSA werden da oft alte Kamellen aufgewärmt: Sturm, Piraten, Schiffbruch, Seemonster. Ich wollte da ein bischen was anderes machen und hab die Reise mit einem Schiffsbrand und der suche nach einem Schiff beginnen lassen. Als Reiseereignisse hatte ich damals nur den Eisberg, eine kreuzende Piratenotta, die gegen den Malstrom kämpft und eine Waljagd. Ursprünglich war auch für die Querung des Ehenen Schwertes nicht viel vorgesehen, da wurde ich aber von meinem Lektor angepfiffen, ich solle da noch was dazuschreiben. Schießlich sei das ja eine epische Reise. Der Nachfolger, „Ingerimms Rache“, war auch ein Reiseabenteuer. Clou des Abenteuers war, dass man einen Riesen überreden konnte,, als Passagiere in seiner Behaarung mitzureisen. In diese Art Abenteuer fällt auch mein kürzlich geschriebenes „Tötet den Drachen!“. Auch hier nimmt die Reise, in diesem Fall zum Finalen Bosskampf, einen riesigen Teil des Abenteuers ein. Die Helden müssen sich ausrüsten, sich mit genügend Wasser eindecken und sich mit Wüstenräubern, der Traumzeit, der instabilen Magie und Skorpionen herumschlagen.

Echte Reiseabenteurer sind eine Besonderheit unter den Abenteuern. Statt eines Dungeons ist hier der Weg das Ziel. Alle Besonderheiten der Landschaft dienen dazu, die Reise der Helden zu beschleunigen oder zu bremsen. Manchmal läuft auch noch ein Timer mit, wobei ich Abenteuer, die eine fixe Zeitleiste haben, nicht so mag. Als Negativbeispiel nenne ich mal das Abenteuer „Mutterliebe“. Wenn du da irgendwie aufgehalten wurdest oder auch nur ein bisschen länger zur Regeneration brauchtest oder einen alternativen Weg nehmen wolltest… Tschuss Jüngling, Willkommen Grimmbart! Dem Echten Reiseabenteuer ähnlich ist das Entdeckerabenteuer. Auch hier ist der Weg ziemlich wichtig, aber am Ziel wartet noch nicht die Belohnung, sondern ein Dungeon, eine verlassene Ruine oder eine Schatzinsel, die erst noch erkundet und geplündert werden müssen. Mein „Gefangen in den Nebelauen“ ist so ein Abenteuer. Hier ist übrigens auch die Rückreise thematisiert, ein Aspekt, der Bei vielen Abenteuern hinten runterfällt und den ich auch in „Die Axt des Kuros“ und eben „Tötet den Drachen!“ berücksichtigt habe.

Bei vielen Abenteuern ist, da gebe ich Timberwere recht, die Reise nur die lästige Strecke zwischen dem Ort, an dem die Helden den Auftrag erhalten und dem Dungeon am Ziel. Auch ich hab solche Abenteuer im Angebot: „Die Augen der Lath“ „Per Nubius ad Astra“ und „Die Axt des Kuros“ sind solche Abenteuer. Warum habe ich bei den Abenteuern trotzdem die Anreise zum Dungeon beschrieben? Weil es von mir als Autor erwartet wird, sagt mein Lektor. Anscheinend wollen die Spielleiter*innen da draußen gerne etwas an der Hand haben, wie sie die Reise zwischen zwei Punkten gestallten können. Mir persönlich gefällt da der Ansatz von Hexxen1733 besser. Dort wird das Abenteuer in Szenen erzählt, wie ein Film. Und wenn du einen guten Abenteuerfilm drehen willst und keine 3 Filme a 3 Stunden Zeit hast (*Hust, Herr der Ringe, Hust*), dann lässt du die Teile der Reise, die nicht den Plot vorantreiben, raus.

 

Hier auf meinem Blog hab ich viele Reiseromane rezensiert, interessanterweise und ungewollter weise vor allem von weißen Männern. Richthofen, Arthur Conan Doyle, Marko Polo, Jack London und grad habe ich was vom Prinz zu Wied-Neuwied gekauft. Wenn man ganz gemein ist, könnte man auch Karl Mai in die Reihe reinschreiben, auch wenn der erst gereist ist, nachdem er mit seinen Büchern Erfolg hatte. Auch über die Verfilmung der Reise der Terror hab ich eine Rezension geschrieben.

 

Reiseromane faszinieren uns Menschen schon lange. Entdecker und Reisende berichten über ihren Weg in die Fremde, über besondere Tiere und wundersame Begebenheiten. Erzählen Seemannsgarn und Lügengeschichten. Irgendwie scheine ich aber bisher eine ziemlich europäische und männliche Sichtweise gehabt zu haben. Könnt ihr mir da diversere Alternativen em

Sonnenuntergang in Friedrichskoog-Spitze.

pfehlen?

 

Reisen bildet. Dieses Jahr fahre ich noch nach Prag, ich hab den diesjährigen Urlaub in Friedrichskoog verbracht und bin durchs Watt gewandert, vor Jahren hab ich auf Hochzeitsreise Rom erkundet und mir das Labyrinth des Minotaurus angeschaut. Oft und weit verreise ich nicht, eher so in Europa. Aber folgt man der jungen Schwedin, die für viele Rechte und Konservative ein Rotes Tuch ist, dann ist das Zeitalter der Reisen (zumindest, wenn sie umweltbelastend sind) um. Eigentlich Schade.

Karneval der Rollenspielblogs: Verschworen – Abschlussbeitrag

Der Raum ist groß, er mag wohl 10 Meter durchmessen, oktagonförmig und in rottönen gehalten. Die wände sind mit roten Schweinsledertapeten verziert, der Boden mit terracottafarbenen Fliesen ausgelegt, auf denen ein kaminroter Teppich liegt. Der Tisch und die Stühle sind aus rotem Kirschbaumholz und mit rubinrotem Plüsch gepolstert. Um den Tisch in der Mitte des Raumes haben sich die in bordeauxroten Kutten bekleiden Mitglieder der Roten Geschwisterschaft versammelt. Ein besonders großer, haariger Kultist ergreif das Wort.

Haariger Kultist, der nicht der Troll ist: „Servus, meine Mitverschwörer*innen. Der April ist gerade zu Ende gegangen, es wird Zeit, Rechenschaft über eure Verschwörungen abzuhalten! Meiste… äh… Schriftführer, bitte das Protokoll!“

Schriftführer, der mit Sicherheit nicht der Meister ist; „Haariger Herr, schon bevor der April begonnen hat, spann der frostige General seine Verschwörung gegen die Ohren und verlinkte einen Podcast, bei dem er zu Gast war. In Episode 65 des Radio-Castriert geht es eben in 3 ½ Stunden um Verschwörungstheorien. Was man hier recht schön beobachten kann ist, dass man, je länger man sich mit einer Verschwörungstheorie beschäftigt, je mehr vermeintliche Widersprüche in der offiziellen Version auftauchen und je verbreiteter eine Verschwörungstheorie ist, desto eher ist man geneigt, diese zu Glauben. Ein Beispiel mögen hier die Chemtrails sein, wobei hier die Wettermanipulation durch Gewitterflieger, die zwar real ist aber in Deuschland nicht durchgeführt wird, im Podcast mit der Idee verschmilzt, die Illuminaten, schwarzen Kabalen oder ähnliche Feinde des Lebens würden uns ständig mit Barium und anderen Substanzen aus den Düsen der Flugzeuge besprühen.“

Der haarige Kultist nickt anerkennend zum frostigen General hinüber.

Schriftführer: „Am gleichen Tag ging übrigens ein weiterer Podcast online, der unserer beiden Gäste hier aus Hamburg. Ich bin mir sicher, die beiden kennen weder unseren Karneval noch unseren Blog, doch seien sie hier begrüßt und bedankt. Sie haben den Religionswissenschaftler Michael Blume interviewt, der früher mal mit Sebastian Bartoschek zu dem Thema geforscht hat, im Real Life ein bewundernswerter Held ist und das Buch „Warum Antisemitismus uns alle bedroht“ geschrieben hat. Herr Blume bittet darum, Verschwörungstheorien in Zukunft Verschwörungmythen zu nennen, einem Wunsch, dem ich ab sofort nachkommen werde. Er zeigt im Interview zudem recht schön auf, dass in allen in der Realwelt momentan grassierenden Theorien eine ordentliche Portion Judenhass drinnen steckt.“

Haarige Kultist: „Danke an die Hoax-Mistress und ihren Hoax-Master! Weiter.“

Schriftführer: „Der edlen Dame mit dem Stechginster sei hier ebenfalls Lob und Dank ausgesprochen. Sie gehört zu den Vielpostern diesen Monat, begonnen mit einer Definition, gefolgt von einem Überblick über Verschwörungen in den bisher erschienen Splittermondromanen über einen Podcast, der dritte in diesem Monat, was mich sehr freut, zum Thema Verschwörungen in Splittermond und noch mal einen Beitrag zu Verschwörungen, dieses Mal speziell in Dragorea.“

Der haarige Kultist hebt einen schweren Pokal voll Wein und prostet Richtung der angesprochenen Dame. „Meine Dame, sehr interessante Beiträge, vor allem, weil sie mir so viel Neues gezeigt haben. Splittermond ist ja, wie ihr wisst, nicht so meine Welt, da kenn ich mich nicht aus. Euer Wissen über diese Welt ist aber endlos. Denoch… ich möchte eueren ersten Post über die Definitionen kurz kommentieren. Dort schriebt ihr, Für Verschwörer werde als Synonym Aufständische und Rebellen genannt. Das greift für mein Verständnis zu kurz. Imho ist eine Verschwörung etwas was von einer kleinen Gruppe ausgeht, die mit dem Opfer der Verschwörung, meist einer mächtigen Person, auf gleicher Stufe steht. Rebellionen und Aufstände sind für mich Werkzeuge des Pöbels gegen die da oben.

Schriftführer: „Ebenfalls viel veröffentlicht wurde auf dem d6idears-Blog. Begonnen wurde damit einem Antagonisten, dem Verschwörer, nach den Beutelschneiderregeln. Es folget ein Beitrag von einem gewissen hasran. Der entwarf ein interessantes Regelwerk, basierend auf Beutelschneider, mit dem man schnell Geheimorganisationen darstellen kann. Das Regelwerk ist so schön einfach, dass es auch in andere Systeme integriert werden kann. Die Katze im Sack kann man hier nur empfehlen! Gleich darauf erschien übrigens eine Sammlung von Geheimgesellschaften für die Sonnenlande, einem Setting für Beutelschneider. Zu guter Letzt gibt es, wie bei fast jeden Karneval, einen Blick ins Archiv. Den Ideenoverflow darf ich auch nicht vergessen.“

Der Troll nickt anerkennend zu den Beutelschneidern hinüber.

Schriftführer: „Wo wir grade bei Katzen waren: eines der jüngsten Mitglieder des rsp-Blogs, eine Hexe, hat ebenfalls einen Beitrag beigesteuert. Ein Abenteuer oder en Szenario, hier sind wir beide mit den Begrifflichkeiten nicht ganz klar. Jedenfalls geht es hier um eine mysteriöse Einladung, einen Mord und eine großartige Antagonistin mit einer Fledermaus als Vertrautentier.“

Wieder anerkennendes Nicken vom haarigen Kultisten.

Schriftführer: „Auf der Rollbahn61 hat man sich sehr über verschenktes Potential einer Verschwörung in Shadowrun geärgert. Da wird die Verschwörung groß aufgebaut, entpuppt sich aber in der Schockwellenkampagne als mäßiger Maffia-Plot.“

Der Haarige Kultist: „Ich fand die Alternatividee mit dem Gammastrahlensturm, der auf die Erde zurast, gut. Die Idee mit dem Krieg gegen die Bevölkerung des Planeten Tau Ceti Prime und vor allem Yuzu Daimon erinnern strak an Avatar – Aufbruch nach Pandora. Das Raumschiff Mayflauer zu nennen ist wiederum ein gelungener, ionischer Seitenhieb auf die Kolonialisierung der USA.“

Schriftführer: „Die zweite Hexe hier im Bunde, die mit der Eule da drüben, bringt uns Kunde von einer tierischen Verschwörung in Aventurien. Nun zu deinen Beiträgen, Tro… Bruder Flauschi. Nach deinem Eingangsbeitrag kamen da noch zwei Beiträge über Geheimgesellschaften in Rakshazar (eine Namenlose Verschwörung im Reich der Nagah und ein Kult in Kurotan). Du hast auch die idealen Verschwörungskampagne entdeckt, die Masken der Macht. Dann hast du unter dem Eindruck des Hoaxilla-Beitrags geschrieben, warum du keine Verschwörung spielen willst, die es in der Realwelt gibt. Da war sogar ein kleines Micro-Rollenspiel dabei. Zu guter Letzt haben wir noch eine Verschwörung aufdeckt. Gut, die Verschwörung liegt 430 Jahre zurück, aber wegen der Geschichte muss die Stadt Trier heute noch Zinsen zahlen. Eine interessante Geschichte für Hexxen1733 übrigens. Zudem haben im Forum ein paar Links gepostet, als Inspiration für den Würfelhelden.“

Der haarige Kultist: „So, und nun, bevor ich den Monat mit einem Festbankett beschließe, wen shell we seven meet again?“

Schriftführer: „In ein paar Stunden, zum neuen Karneval, von Merimac organisiert zum Thema Magie oder besser Magiesysteme.“

Karneval der Rollenspielblogs: Verschworen – Gottesmann und Hexenmeister

Heut geht es um eine Verschwörung, die im Jahr 1588 in Trier stattfand, die bis heute Konsequenzen hat. Es geht um die Verschwörung gegen Dietrich Flade. Ich hab mir diese Verschwörung rausgesucht, weil man anhand dieser Geschichte

  • die Merkmale einer Verschwörung wunderschön rausarbeiten kann (imho viel besser als die Beispiele, die Machiavelli nennt),
  • die Akteure der Verschwörung und deren Motivation kennen lernen,
  • die Folgen einer gelungenen Verschwörung aufdecken
  • und uns überlegen, wie wir diese Verschwörung in Fantasy-Settings einbauen können.

 

Das Opfer: Dietrich Flade

Dietrich war ein wohlhabender, wichtiger, gelehrter und einflussreicher Bürger seiner Stadt. Er studierte in Löwen, Orleans und Speier, war Doktor beider Rechte (d.h. des Kirchenrechts und der weltlichen Rechte), zehn Jahre Vize-Schultheis, danach Schultheis des Domkapitels und anschließend der Stadt Trier selbst. Schultheis – das bedeutet nichts anderes als dass er von seinem Landesherrn, dem Kurfürsten und Erzbischöfen von Trier als oberster Verwaltungs- und Steuerbeamten eingesetzt wurde. Ab 1558 vertat er als Kurfürstlicher Rat seinen Herren auf Reichstagen und vor dem Reichsgericht. Letzteres ist zumindest… interessant, da er der Stadt Trier damals 4.000 Gulden geliehen hat. Ein Kredit, mit dem die Stadt einen Prozess vor dem Reichsgericht anstrengte, um reichsunmittelbar, also nur dem Kaiser Untertan, zu sein. Die Geschichte ging dann 1860 schief, die Stadt war verschuldet (ab 1581 war dann ihr Gläubiger auch noch offizieller kurfürstlicher Statthalter) und immer noch dem Kurfürsten Untertan. 1586 ernannte die Universität Trier zu ihrem Rektor.

Dietrich war Hexenjäger. In seiner Funktion als Richter brachte er einige Hexen auf den Scheiterhaufen. Die Geständnisse holte er sich unter Folter, damals gängige und gute Praxis.

Ein Merkmal einer Verschwörung ist es, dass das Opfer immer Macht besitzt. Macht kann vieles sein: Eine große Anhängerschaft, eine bestimmte politische Position, Geld, Wissen. Egal on Cäsar, Lincoln oder JFK: Die Opfer waren mächtige Personen.

 

Die Verschwörer: Peter Binsfeld und Erzbischof Johann VII. von Schönenberg

Peter stammte, im Gegensatz zu Dietrich, nicht aus einer reichen Familie. Er der Sohn eines Bauern und hütete die Ziegen einer Abtei, bis der dortige Abt sein Talent erkannte und ihn im Kloster und in Rom studieren leiß. 1568 kam er als Priester aus Rom zurück, durfte sich bewähren, in dem er durch Wort und Tat verhinderte, dass Prüm lutherisch wurde. Innerhalb von 13 Jahren stieg Peter dann zum Weihbischof von Trier und Titularbischof von Azutos auf. Da war er noch keine 40 Jahre. Die Ämter behielt er auch unter dem reformfreudigen neuen Kurfürsten und Erzbischof Johann VII, dem Dienstherrn Dietrichs.

Es gibt Männer, die wollen die ganze Welt brennen sehen. Peter gehörte dazu. Auf seine Initiative hin fand in Trier und Umgebung eine der schlimmsten Hexenjagten der Geschichte statt.

Johann VII stammte aus einer alten Adelsfamilie. Kanonikatsanwärter mit 13, Teheologiestudent mit 21, zwei Jahre später Domkapitular, später Domprobst, dann 1580 endlich Erzbischof. Ach Johanns Werdegang kann als steil bezeichnet werden, wobei sein Weg durch seien Herkunft schon vorgezeichnet war. Johann war katholisch, aber reformfreudig. Er brachte den lotterhaften Klerus der damaligen Zeit auf Linie mit dem Konzil von Trient, gründete Priesterseminare und führte, kaum dass er zum Erzbischof ernannt wurde, den Gregorianischen Kalender ein. Er war aber eben auch ein streng katholischer Landesherr, der gegen den Protestantismus und natürlich auch das Hexenunwesen kämpfte. Ob er an der Verschwörung gegen seinen eigenen Stadthalter beteiligt war, weiß man nicht. IMHO hat er das Vorgehen Peters zumindest geduldet, profitiert hat er auf jeden Fall davon.

Ein Merkmal von Verschwörungen ist, dass die Verschwörer von einer Mission angetrieben werden oder zumindest, wie im Falle Peters, von Neid und Missgunst zerfressen sind oder sich Vorteile (Macht) aus der Verschwörung versprechen.

 

Das Motiv: Streit um die Hexenverfolgung und 4.000 Gulden Schulden

Dietrich und Peter lagen überkreuz. Peter wollte gerne in Trier noch mehr Hexen brennen sehen und die Hexenverfolgung ausdehnen, Dietrich war dagegen und wollte nur handeln, wenn (durch die Folter bestätigter) begründeter Verdacht vorlag. Vor allem wollte Peter jene brennen lassen, die auf seinem Weg nach oben im Weg waren. Und Dietrich war ihm im Weg.

Da war auch noch das 4.000-Gulden-Motiv, das man imho nicht Vergessen sollte. Gut, die Sache lag fast 30 Jahre zurück, aber Dietrich hatte den Feinden seines Kurfürsten (Johanns Vorvorgänger) Geld geliehen, um in die Reichsunmittelbarkeit fliehen zu können. Andere Städte hatten dies genutzt, um protestantisch zu werden. Pikantes Detail am Rande: Dietrichs Frau, Barbara Reichwein, Witwe des Trierer Leibarztes des Kurfürsten Johanns des VII war eine geborene Walter aus Augsburg. Ihre Familie war protestantisch.

Wie auch immer, Dietrich musste weg!

 

Die Verschwörung: Vom Hexenjäger zum Hexenmeister

„Du bist also am Sabbat zum Friedhof gegangen und hast dem Satanas den Arsch geleckt?

„Ja!“

„Wer noch?“

„Niemand, ich allein…AUUUUUUU!“

„Wer noch?“

„Die Hebamme, die Bimsberger Anne!“

„Wer noch?“

„Der Schwarzmüller. Und der Jud Abraham Levi. Bitte, nicht die Zange …. AUUUUUU!“

„Der Flade Dietrich, der Schultheis von Trier auch?“

„AUUUU!“

„Bedenke wohl, der Schultheis auch?“

„Ja, ja, der auch, der besonders!“

Fiktives Gespräch im Malefizenhaus.

Im Jahr 1587 häuften sich die „Besagungen“ (Anschuldigungen einer Person, von einer vermeintlichen Hexe unter Folter ausgesagt). Die Verschwörung nahm ihren Lauf. Dietrich wurde am 4. Juli 1588 verhaftet und der Hexerei angeklagt. Peter war klug genug, die Befragungen nicht selbst zu leiten. Aber Diethelm hatte noch Freunde, unter anderem den Komtur des deutschen Ritterordens. Der Floh mit ihm am 8. Oktober, brachte ihn aber nach vier Tagen wieder nach Trier zurück. Ein Vögelchen hatte ihm gesteckt, dass er gerade einem gefährlichen Hexenmeister geholfen hat. Am 22. April 1589 folgte das Geständnis unter Folter, am 18 September folgte das Urteil: Tod durch Feuer, als Gnade das Erdrosseln vor der Verbrennung. Noch am selben Tag wurde Dietrich hingerichtet.

Machiavelli schriebt im einst:

Man muss wissen, dass es zwei Arten zu kämpfen gibt: mit den Gesetzen und mit der Gewalt. Die erste Art ist dem Menschen eigen, die zweite den Tieren; da aber die erste oft unzulänglich ist, muß man zuweilen auf die zweite zurückgreifen.

Ein Merkmal einer Verschwörung ist, dass zu Gewalt gegriffen wird. Schnell, tödlich, überraschend. Nach Machiavelli sollen auch möglichst wenige von der Verschwörung wissen. Ich halte Peter und Johann für die Verantwortlichen der Verschwörung gegen Dietrich. Johann, wie wir gleich sehen werden, profitierte finanziell von Dietrichs Tod. Peter schreibt noch im selben Jahr einen Traktat, der auch auf den Gerichtsakten des Prozesses gegen Dietrich basiert und für das nächste Jahrhundert zu dem Standartwerk jedes Hexenjägers, neben dem Hexenhammer, versteht sich. Zudem beerbet Peter Dietrich im Rektorenamt der Universität Trier.

Mit Machiavelli möchte ich auch schließen:

Einem Machthaber darfst du weder so nah stehen, dass sein Sturz dich mitreißt, noch so fern, dass du im Fall seines Sturzes nicht bereit bist, auf seine Trümmer zu steigen.

 

Schulden aus der Vergangenheit: Die Folgen des Urteils

Dietrichs gesamtes Vermögen ging an den Kurfürsten. Einschließlich eines gewissen Schuldscheins über 4.000 Gulden. Die Zinsen, so verfügte der Erzbischof, sollten an die fünf Trierer Innenstadtpfarreien gehen, zur Aufbesserung des Priestergehalts. Und das tun sie heute noch. 430 Jahre nach dem Tod Dietrich Flades zahlt die Stadt Trier jährlich 362,50 Euro an das Bistum, allen politischen Versuchen zum Trotz, die Zahlung zu beenden.

 

Der Fall Dietrich Flade als Inspiration im Rollenspiel

Das erste, dass mir so durch den Kopf ging, als ich von Dietrich gelesen habe, war HEXXEN1733. Gut, die Geschichte Dietrichs trug sich ein paar Jahrhunderte zuvor zu, aber heißt es nicht auch, dass sich Geschichte immer wiederhole?

Dietrich könnte in einem Abenteuer auch wieder aus dem Grabe erstehen: Als Vampir, Rachedämon oder nur als unglückliche, verlorene Seele, die gerne ihren guten Ruf wiederhergestellt hätte. In den ersteren Varianten zieht ein mordender Rachegeist durch die Stadt, in letzterer werden die Heldinnen beauftragt, Peter der Verschwörung zu überführen (was seeehr schwer werden dürfte).

Hätte Peter nicht mit 54 Jahren die Pest geholt, hätte er vielleicht eine Verschwörung gegen dien Kurfürsten geplant. Die Heldinnen hätten dann vielleicht dem Erzbischof zu Hilfe eilen müssen, um gegen den ehemaligen Mitverschwörer zu kämpfen. Was, wenn dabei die Beteiligung an der Verschwörung gegen Dietrich Flade aufgeflogen wäre?

Vielleicht war aber auch Peter ein Hexenmeister und Teufelsdiener, der seine Seele gegen eine Kariere getauscht hatte und Dietrich ist ihm auf die Schliche gekommen. Vielleicht hat Dietrich auch irgendwo Aufzeichnungen darüber versteckt. Hochbrisante Papiere, für die Peter ohne Zewifel über Leichen gehen würde…

 

Quellen:

Wikipedia zu Dietrich, Peter und Johann VII

Die Geschichte auf SWR.de, Focus und Zeit.

Des Trolls Monsterhandbuch und Karneval der Rollenspielblogs: Kopfkino und Tagträume – Sweet dreams are made of this

Es ist Mitternacht. Du schreckst aus einem Alptraum hoch. Schweißgebadet liegst du im Bett. Die Brust schmerzt, Du kannst kaum atmen. Diese Nacht hattest Du ungebetenen Besuch… von einer Drud.

Von Drudn hab ich zum ersten Mal vor gut 30 Jahren gehört. Bei uns gehörte es zum Freitagabend dazu, dass Königlich Bayrische Amtsgericht zu anzuschauen. In der Staffel 1 gab es da eine tolle Folge, die sich mit dem Thema Drudn beschäftigt.

Drudn sind verwunschene (junge) Mädchen, meist die jüngsten Töchter von Drudn (oder eine von sieben Töchtern einer normalen Frau), die verflucht sind, als geisterhafte Erscheinungen allen Schlafenden aufzuhocken und den Atem auszudrucken. Das muss nicht mal ein Mensch sein, auch Tiere, vor allem Kälber, Pferde und Hühner können gedrückt werden. Im schlimmsten Fall können die Opfer erdrückt werden, so der Volksglaube. Früher war das Wirken der Drud eine einfache Erklärung für den plötzlichen Kindstod. Verbreitet ist (der vielmehr war) der Glauben an die unheimliche Drückerin im Ganzen süddeutschen, vor allem aber bayrischen und österreichischem Raum.

Wie wird man jetzt aber so eine Drud wieder los? Da überliefert uns der Volksglaube auch ein paar potente Mittel.

  • Der Drudenfuß. Ja, genau von diesem bayrischen Alp hat das Pentagramm seinen volkstümlichen Namen. Über der Tür, der Bettstatt (ein altes Wort für Bett) oder an der Krippe angebracht, sollte das Pentagramm die Drudn vertreiben. An manchen alten Krippen ist auch noch ein Lilith Abi (hebr. für Lilith hau ab, bezieht sich auf den Dämon Lilith) eingeschnitzt.
  • Ein Drudenstein. Wenn man richtig Glück hat, kann man einen Stein finden, in dessen Mitte ein natürliches Loch ist. Das ist ein sogenannter Drudenstein. Träger eines Drudensteins waren vor den Nachstellungen von Druden und anderen Geistern geschützt. Steine, in die selber oder von Freunden ein Loch in die Mitte gebohrt wurde, waren übrigens wirkungslos.
  • Drudengatter, das heißt ein Kreuz, das Christuskreuz und Andreaskreuz in sich vereinte, wurden vor die Eingänge gestellt. Drudn konnten dann nicht mehr ins Haus (es sei denn, jemand war aus Versehen beim Bau einer Hausmauer über die selbige gestiegen und hatte eine Koboldstür hinterlassen).
  • Drudenmesser waren besonders verzierte Messen, deren Griff ein Gamskruckl, also ein Gämsenhorn war. Das Messer wird mit der Schneide nach oben in den Türbalken gerammt und verhindert, dass eine Drud das Haus oder den Hof betreten kann.

Verwand mit der Drud sind der Alp, der sprachlich mit den Elf verwandt ist und für den Alptraum Pate stand und auch Nachtmahr genannt wird. Beides sind Geister, die sich nächtens auf der Brust des Opfers niederlassen, ihm Schlaf und Atem rauben. Interessant finde einen Aspekt, den ich auf Wikipedia gefunden habe und der mich auch bei den Drudengeschichten untergekommen ist: Nachtmahre scheinen offenes Haar zu verabscheuen. Egal on Tier oder Mensch, sie flechten es zu kunstvollen Zöpfen… warum auch immer. Übrigens gehören auch Incubus und Sukkubus zusammen mit meinen Lieblingsgeistern, dem Schalk im Nacken zu dieser Kategorie der Aufsitzer-Geister.

Auch die Gebrüder Grimm haben ein ganzes, etymologisch interessantes Kapitel in ihrem Werk Deutsche Sagen in Band I von 1816 geschrieben. Darin geht es unter andrem darum, wie man eine Drud bzw. einen Alp in seiner menschlichen Form erkennen kann.

Sagt man zu dem drückenden Alp:

Trud komm Morgen,
so will ich borgen!

weicht er alsbald und kommt am andern Morgen in Gestalt eines Menschen, etwas zu borgen. Oder ruft [132] man ihm nach: „komm Morgen und trink mit mir,“ so muß derjenige kommen, der ihn gesandt hat.

Nach Prätorius stoßen seine Augenbraunen in gleichen Linien zusammen, andere erzählen, daß Leute, denen die Augenbraunen auf der Stirne zusammengewachsen sind, andern, wenn sie Zorn oder Haß auf sie haben, den Alp mit bloßen Gedanken zuschicken können. Er kommt dann aus den Augenbraunen, sieht aus wie ein kleiner weißer Schmetterling und setzt sich auf die Brust des andern Schlafenden.

Quelle: Deutsche Sagen, Band 1, S. 130–132

Die Drud im Rollenspiel

Druden und Alp eignen sich gut für Rollenspiel. Sie sind eine interessante Abwechslung zu Dämonen und Geistern oder zur „normalen Hexe“. Da sie Menschen sind (zumindest tagsüber) und wahrscheinlich sogar in die Dorfgemeinschaft hineingeboren wurden (vor allem die Drud scheint ein bäuerliches Phänomen zu sein, in der feinen Stadt schien man eher mit der Sukkubus zu verkehren), eignen sie sich für einen Detektivplot. Da sie Drud den Überlieferungen nach unschuldig, weil verflucht ist, kommt hier eine Jungfer-in-Not-Situation hinzu (Das Baierische kennt auch eine männliche Form der Drud, den Druderer oder Truderer. Die wird aber auch für böse Zauberer im Allgemeinen verwendet).

Ein weiterer Aspekt ist der Lebensraub bzw. die Atemnot, der mit dem Besuch einer Drud verbunden wird. Das war ja früher ein Erklärungsmodell für Krankheiten und plötzlichem Tod. Im Rollenspiel könnte die Drud tatsächlich Krankheiten übertragen oder totgedrücke Opfer zu einem Unleben verdammen (immerhin sind auch Aufhocker aus der Angst vor Untoten entstanden). Dann kommt zum Detektivplot schnell ein paar Horror-Elemente hinzu.

Vielleicht ist in der Rollenspielwelt, in der unsere Drudengeschichte spielen soll, eine bestimmte Religion vorherrschend und Elemente des Volksglaubens als Aberglaube verboten. Wer also Pentagramme in die Haustür ritzt und Drudengatter bastelt, steht bald selbst unter Verdacht, ein Zauberer (Druderer) zu sein.

Die Drud wäre also eine ideale neue Hexenart für Hexxen1733.

Achja… Heut ist Rauhnacht. Der blutige Dammerl zieht seine Kreise…

 

Update 28.12.2018: blut_und_glas hat für die Drud mal Werte entwickelt. Für Beutelschneider, versteht sich.