Auf Facebook bin ich über einen Tabletop-Spieler und Modellbauer gestolpert, dessen Skizze für ein postapokalyptisches Floß mich begeistert hat. Wir sind ins Gespräch gekommen und er hat mir ein paar Bilder seiner Modelle gezeigt, die unbedingt hier veröffentlicht werden müssen. Um dafür den geeigneten Rahmen zu setzen, hier ein Interview mit Tim Warnke:
Hallo Tim, wie geht es Dir? Wie läuft das Home Office [Tim ist, wie meine Wenigkeit, Lehrer]?
In Kooperation mit ein paar Kollegen betreue ich den Unterricht in drei Klassen mit learningapps.org. Da erstelle ich regelmäßig Übungen, die mit dem vor dem Shut-Down mitgegebenen Material korrespondieren. Ich bevorzuge learningapps, da es erstens wirklich auf jedem internetfähigem Gerät (ich arbeite an einer Brennpunktschule, an der man die oft fehlende Ausstattung für die aktuelle Situation bedenken muss), selbst auf einem Fernseher, läuft und man zweitens sehr genau sehen kann, wer wann was gemacht hat.
Stellst Du dich uns kurz mal vor?
Ich komme aus Berlin und arbeite jetzt schon einige Zeit an einer Grundschule. Ansonsten schreibe ich manchmal Kurzgeschichten und reise gerne.
Du hast auf FB geschrieben, dass Dein apokalyptisches Setting in Berlin spielt, das nie wiedervereinigt wurde. Alternative History scheint ja momentan gerade richtig angesagt zu sein. Amazon hat z.B. aktuell Tales fot he Loop (wie immer, Affinity Link) im Angebot, das den 70ger Jahre Stile mit Robotern mischt.
Deine Kaugummiautomaten erinnern mich an meine Kindheit auf dem Dorf in den 80gern und frühen 90gern.Als jemand, der den Mauerfall vom Fernseher seiner Eltern erlebt hat, interessiert mich Dein Setting sehr. Kannst Du uns mehr darüber erzählen? Bespielst Du das Setting auch? Mit welchen Regeln?
So neu ist die Idee ja nicht… Der Roman „Schmetterling und Hakenkreuz“ / „The man in the high castle“ machten das ja schon vor (und das wurde dann auch die Vorlage für Wolfenstein). Ganz allgemein siedle ich mein Setting bei Fallout an. Da es so gut wie keine konsistenten Informationen über die Welt außerhalb der USA gibt, ging ich vom plausibelsten Fall aus (und wurde dafür oft schon scharf kritisiert, da das nicht dem Kanon übereinstimme…):
Die USA und China benutzen deutsche Ausrüstung, es wird von Deutschland als Industrienation mit der Hauptstadt Bonn gesprochen, also ging ich vom ersten Indiz der Teilung aus. Da ein geteiltes Deutschland für mich mehr Atmosphäre des Kalten Krieges erzeugt und man so einen vielfältigeren Handlungsort schaffen kann, beließ ich es dann bei einer BRD und DDR, die natürlich im Sinne Fallouts auch in den 2050ern und 2060ern die Ölkrise und Ressourcenkriege und den darauf folgenden europäischen Krieg mitmachten, der in Berlin eher als Stellungskrieg mit kleineren Scharmützeln geführt wurde (ich stelle mir vor, dass eben im Sinne des Kalten Krieges eher Stellvertreterkonflikte weitab der eigentlichen Zentren stattfanden). Bunkerprojekte wie die Vaults gab es eher als ausgebaute U-Bahnhöfe. Beschrieben wird das Überleben von solchen U-Bahnbewohnern, die an die Oberfläche zurückkehren und ein verwildertes Berlin vorfinden. Die Sümpfe des Mittelalters kehrten zurück und ganze Bezirke wurden teils überschwemmt. Zurückgelassene chinesische Kampfroboter formten zusammen mit westdeutschen Robotern eine Art Befreiungsarmee aller Roboter… Es gibt eine Gemeinde der freien Berliner Bezirke und Raidergruppen, die sich an Jugendkulturgruppen der 50er-80er orientieren.
Den Mauerfall erlebte ich als Kind „live und vor Ort“. Im Spiel berücksichtige ich das als den Trost der Überlebenden, nun endlich vielleicht in einer vereinten Stadt leben zu können.
Gespielt wird das Ganze mit den Regeln von Fallout Wasteland Warfare.
In deine Modelle packst Du auch Kritik an den Aktuellen Zuständen ein. Die Klopapierrollen und die Nudelpackung in der Box finde ich genial. Wie verdammt hast Du die gemacht?
Das war recht einfach. Ein angemalter Capri-Sonne-Strohhalm, um den schmales Malerkreppband gewickelt wurde… Die Nudelpackung hatte ich einfach im Textverarbeitungsprogramm als kleine Faltbox erstellt und dann geklebt.
Dein Meisterwerk, den Kampfroboter, den hab ich doch schon irgendwo gesehen… Das Schloss im Himmel, stimmts? Welche Medien (Filme / Bücher / Spiele / Serien) beeinflussen Dich?
Ja, der ist aus dem Laputa-Film. Das Modell fand ich in Koyasan, diesem Tempelberg mit dem uralten Friedhof, als da als Rucksacktourist übernachtete. Ich fand es recht absurd, an so einem Ort einen offiziellen Ghibli-Shop zu finden.
Ich lese gerne historische Science Fiction. Speziell für mein Setting fand ich aber auch die Spiele Deponia und Machinarium als Ideenspender gut.
Wie kamst Du auf die Idee, den Kampfroboter für dein Setting umzubauen? Im Original hat er ja keine Bombe auf dem Rücken und auch der rote Stern und die chinesischen Schriftzeichen sind ja Deine Idee (mein Mandarin ist ja grade noch so wie der Impfstoff gegen Corona – nicht da. Bedeuten die Zeichen was).
Er heißt „Der Rächer“, deshalb auch der kleine tote Roboter auf der Hand… Bei Fallout haben die Amerikaner einen riesigen Roboter gebaut, der mit Atombomben wirft. Die Chinesen bauten dann in meinem Setting ein Gegenstück, eben den „Rächer“. Ein Exemplar davon wurde auch in Ostberlin heimlich stationiert. Im Film Laputa ist er ja ein freundlicher Riese, der eigentlich als Kriegsmaschine gebaut wurde, hier ist es genauso. Menschen sind ihm allerdings egal, außer, sie können seine zerstörten Geschwister reparieren.
Wenn ich mir das Stoppschild hier auf der Base anschaue und die Kleiderbügel und Schädel entdecke… Details sind Dir Augenscheinlich wichtig. Wie lange arbeitest Du an einem Modell wie, sagen wir mal, den Roboter oder der Kiste mit dem Klopapier?
Da müsste ich etwas ausholen. An meiner Schule betreue ich eine Schülerfirma, die Textildruck mit Plotter und Heizpresse betreibt. Bei der Arbeit merkte ich, dass solche Geräte auch für den Kartonmodellbau einsetzbar wären. Ich schaffte mir in der Folge selbst einen Plotter an, mit dem ich seit einigen Jahren Modelle erstelle (zum Beispiel der Ofen, die kleinen Roboter, die Kiste für das Klopapier, die Werbeschilder, der Mülleimer, die Strandkörbe, die Kleiderbügel, Funkstation, Kinderwagen, Kaugummiautomat usw.). Auch da ecke ich im Tabletopbereich manchmal an, da es scheinbar viele für das falsche Material halten (obwohl ich bewies, dass meine Pappkisten über zwei Kilo Druck aushalten und auch wasserfest sind) und es etwas verlachen. Naja, alle geplotteten Pappsachen muss ich vorher mit CAD erstellen, da es in dem Bereich außer mir fast niemanden zu geben scheint, der so arbeitet.
Der Roboter hat ca. 6 Tage (2 Stunden am Tag) gebraucht, die Klopapierbox war an einem Tag fertig.
Du arbeitest ja grade an einem Hausboot. Ist das auch wieder für Dein Berlin-Setting? Wann wird es auf der Spree fahren können?
Das Hausboot ist für einen Wettbewerb (Wastebuilding- Bastle nur mit Müll und Haushaltsobjekten) in der deutschen Fallout-Wasteland-Warfare-Gruppe bei FB, und er muss deshalb noch im April fertig werden.
Das Gefährt wird dann einem sonderbaren Fischer und seinem Leguan (habe ich schon mit Greenstuff modelliert) gehören, der wehmütig auf seinen Globus schaut („Berlin“ auf der einen Kugelhälfte, „Rest“ auf der anderen).
Vielen herzlichen Dank für das Interview und Deine Bilder, die ich hier auf dem Blog veröffentlichen durfte. Und für das Kopfkino, die die Bilder bei mir Ausgelöst haben. Ich hab jetzt so richtig Lust, in einem Setting mal ein Abenteuer zu spielen.
Danke
Wer mehr von Tim Warnke sehen will, der findet sicher tolle Bilder von im in der FB-Gruppe Tabletop Geländebau und der deutschen Fallout-Wasteland-Warfare-Gruppe.