Orkmonat August: Wie die Rieslandorks entstanden sind – Teil 1 der Beitragsreihe “Rieslandorks“

Von: Tobias Reimann

Wie sich ein Rakshazar mit Orks herausbildete …

Ähnlich wie beim offiziellen DSA, das seit seiner Entstehung von Edition zu Edition durch die Hände anderer Autoren gereicht worden ist, sind auch im Rieslandprojekt die weitaus meisten seiner geistigen Mütter und Väter nicht mehr aktiv dabei. Ruhmreiche und einzige Ausnahme ist Roland Hofmeister aka Dnalor der Troll, der Betreiber dieses spannenden und informativen Blogs. Kein Angehöriger des aktuellen Rakshazar-Projekts ist folglich auch der frühere Beauftragte in Orkfragen, GrogT alias Michael Menzner. Er hat ein reichhaltiges Erbe an vollendeten und unvollendeten Ausführungen hinterlassen, deren weitere Ausarbeitung jetzt dem aktuellen Team Rakshazar obliegt.

Dabei war in der Frühphase des Projekts im Jahr 2007 gar nicht so klar, ob es überhaupt Rieslandorks geben würde. “Rakshazar”, die heutige Interpretation des Rieslands, ist durch die Zusammenlegung verschiedener teils recht unterschiedlicher Ansätze und Vorstellungen entstanden, deren Urheber zunächst als Einzelkämpfer ihre jeweiligen Konzepte entworfen hatten. Navanur etwa, die Wandelnde Stadt, entstammt ursprünglich dem Faesalia-Setting, einem elfenfokussierten Riesland von Cédrik Duval, das Thorus84 aka Raphael Brack übernommen und erweitert hat. Riesland-FU war die Idee des Ostkontinents im Stile des Hongkong-Actionkinos mit reichlich fliegenden Fäusten. In einer der ursprünglich präferierten Varianten stand des unsterbliche Prophet Myrokar auf der Suche nach den wahren zwölf Göttern, bereit, das Myrokarische Zeitalter einzuleiten, im Fokus des Settings. Auch die Autoren Hanesur (Hannes Radke) und Firanor (Martin Rössel) hatten eigene Ansätze, wobei sowohl Hanesurs als auch Firanors Riesland das Vorhandensein von Orks annahmen. Dies unterscheidet sie von dem Vorschlag, im riesländischen Norden gar keine Orks anzusiedeln, sondern die Schrate zum Kern des Settings zu erheben.

Unter GrogTs Federführung entstanden die drei großen riesländischen Orkfraktionen.

Rakshazarische Orkkulturen

Die größte von ihnen ist der Bund der Targachi, die Steppenorks, die in den Steppen des östlichen Rakshazar ihr Zuhause haben. Sie sind in Targachisteppe und Mammutsteppe, in Kurotan und teilweise noch in der Wüste Lath und den östlichen Ausläufern der Vaestfogg zu finden. Es handelt sich um einen Zusammenschluss dreier orkischer Kão (Stämme), wobei der Begriff im Orkischen „vergrößert“ meint oder auch „Ansammlung“/„Kollektiv“. Die Urgashkão, überwiegend aus Schwarzpelzorks bestehend, umfassen die schwarzen Reiterhorden der frostigen Targachisteppe. Sie folgen mit ihren Zeltdörfern den Viehherden und gelten als Inbegriff von Stärke und Überlegenheit, verstehen sich aber auch auf die Handwerkskunst. Die vornehmlich aus Braunpelzen rekrutierten Brachtão sind ein halbsesshafter Stamm, dessen Gesellschaft auf Hirten und Nahkämpfern fußt, aufgrund der Nähe ihres Siedlungsgebiets zur Sanskitarenstadt Teruldan und zur Seidenstraße gegen Kithorra aber auch auf Handel. Obwohl oder vielleicht gerade weil die Händler Güter fremder Völker kampflos erlangen, werden sie von anderen Stämmen als minderwertige Mitglieder des Stammesbundes gesehen. Das falsche Gerücht, die Männer würden den Frauen das Kämpfen überlassen, hat den Brachtão den Ruf als ”Weiberstamm“ eingebracht, obwohl sie mit dem Kupfermond-Kriegerkhez (Khez = nicht auf Verwandtschaft beruhender Clan) eine der gefürchtetsten Gemeinschaften stellen. Die Brachtão richten KhurKezKão aus, das dreimonatige Winterlager, dem sich auch die anderen Angehörigen des Bundes anschließen und in dem die sonst üblichen Fehden und bewaffneten Streitigkeiten ruhen. Das Volk der Jiktachkão sieht sich selbst als Orkstamm an, obwohl das Gros ihrer Stammesmitglieder Menschen sind. Se sind aus Stämmen der Jikten der Mammutsteppe hervorgegangen. Bei den ursprünglichen Jikten handelt es sich um Nordländer, die sich im Laufe der Geschichte überwiegend den Jiktachkão oder den Slachkaren angeschlossen haben. Die wenigen noch existierenden unabhängigen Jikten der Mammutsteppe, die heute aus Sanskitaren bestehen, haben zu den Jiktachkão nur wenig Kontakt. Bei ihnen hält sich hartnäckig die Legende, ihre einstigen Stammesbrüder seien inzwischen von Ahnengeistern der Orks besessen.

Die zweite große Fraktion, die Rochkotaii, rekrutieren sich aus Weißpelzorks und leben separiert von ihren Artgenossen im Tal der Klagen und seiner Umgebung. Sie teilen sich in zwei verfeindete Stämme, die Kameshii und die Warkashii, die beide vom Namenlosen korrumpiert sind. Warkash der Weiße, von der Legende zu einem Sohn des Gottes Taugrach und einem Bruder des RashRagh verklärt, war wohl in Wahrheit ein Gesandter des Widersachers, der Teile der Schwarzpelze zu einem düsteren Schädelkult verführt hat. Nachdem hunderte von Schwarzpelzen auf ihren Altären geopfert worden waren, schlugen diese zurück und vertrieben die nunmehrigen Ausgestoßenen bis an den Rand des Kontinents. In einem Vorgebirge des Ehernen Schwerts, das damals noch seine ursprüngliche Höhe hatte, trafen sie auf den Stammesältesten Kamesh, welcher sich mit ihnen verbrüderte und ihre Verfolger in die Flucht schlug. Tatsächlich war auch Kamesh ein Gesandter des Namenlosen, der den Konkurrenten Warkash beseitigte und sich selbst an die Spitze der Weißpelze zu setzen versuchte. In der Folge spalteten sich die Rochkotaii in Anhänger Warkashs und Anhänger Kameshs, die bis heute in Fehde liegen. Der Zweite Drachenkrieg und das Auftürmen des Ehernen Schwerts führten dazu, dass die Rochkotaii einen Großteil ihrer Kultur verloren und degenerierten. Die teilweise kannibalisch lebenden Weißpelze siedelten sich im neu entstandenen Tal der Klagen an und stellen dort heute die dominante Spezies.

Der dritte große Stamm, Artachkão, hat sich nach der Artach-Hochebene benannt, auf der sein Hauptsiedlungsgebiet liegt. Artachkão gelten als die archaischsten und barbarischsten der Orks, was angesichts des Zustands der heutigen Rochkotaii schon etwas heißt. Sie halten Nicht-Stammesmitglieder für “fremde Geister”, die gegen den Willen des Weltenschöpfers in RashRaghs Schöpfung eingedrungen sind. Das lässt Verhandlungen mit ihnen zu einer ziemlich schwierigen Angelegenheit werden. Der Stamm war der erste, welcher nach den chaotischen und verworrenen Verhältnissen bedingt durch den Kataklysmus und der darauffolgenden Zeit der Asche ein festes Territorium erstritten hat, welches er bis heute zu verteidigen versteht. Womöglich ist diese territoriale und kulturelle Hegemonie, die die Artachkão für Jahrhunderte von den anderen Orks abhob, der Grund für ihre Annahme, RashRaghs auserwähltes Volk zu sein.

Obwohl geplant war, die Artachkão wie alle anderen Orkkulturen ins Buch der Helden aufzunehmen, fehlen sie dort. Da eine Vereinbarung mit Ulisses bestand, dass diese das fertige Werk als Printausgabe drucken würden, musste der angepeilte Release-Termin gehalten werden. Die Ausarbeitung der Artachkão war bis dahin aber nicht fertig, deshalb wurde sie in der BETA 3 und damit in der finalen Fassung einfach weggelassen. Auch im Nachgang zum Buch der Helden ist sie nie abgeschlossen worden. Das Erscheinen der offiziellen DSA5-Spielhilfe “Hauer & Schwarzer Pelz – Orks” bietet aktuell den Anlass, dieses Versäumnis der Vergangenheit nachzuholen und die Kultur demnächst in der Memoria Myrana vorzustellen.

Das “kleine” Paradoxon beim Gründungsmythos des Bundes der Targachi

Das Buch der Helden schildert, dass die menschlichen Angehörigen der Jiktachkão-Kultur ob ihrer Herkunft und ihres Aussehens eindeutig zu den Sanskitaren gehören, was entsprechend auch für die Jikten der Mammutsteppe gilt. Die Sanskitaren wiederum sind zu Zeiten der tulamidischen Koloniengründung, also während der Hochblüte des aventurischen Diamantenen Sultanats nach 1.200 v. BF, aus einer Vereinigung des riesländischen Menschenvolkes der Remshen mit den Tulamiden (Khunchomer/Kunkomer) hervorgegangen, wobei beide Völker vollständig in das neu entstandene assimiliert worden sind. Der Kontakt zwischen der orkischen und der sanskitarischen Kultur wurde offenbar im Umfeld der in der Wüste Lath gelegenen Sanskitarenstadt Teruldan, dem einstigen Tebuga der Xhalori, hergestellt.

Der Gründungsmythos des Bundes der Targachi, wie er für das Projekt für viele Jahre Gültigkeit hatte, erzählt, dass das Volk der kriegerischen Urgashkão unter seinem Häuptling Ragg’Gor dem Feisten seine Brüder von den Brachtão überfiel, um ihnen den Zugang zu einem lukrativen Handelsweg abzuringen, der Seidenstraße, die ins fernöstliche Kithorra bzw. Kithoriana führt. Die Angreifer siegten dabei derart überlegen, dass es die benachbarten Völker in Angst und Schrecken versetzte.

Erst dieser Sieg war es, der die Remshen zum Eingreifen bewegte, denn sie lebten damals in unmittelbarer Nachbarschaft verschiedener Orkvölker. Solaqim Zah, der Shaik al Shaik der Remshen, befürchtete, dass der Überfall der Urgashkão nur der Auftakt für einen noch größeren Feldzug sein würde, dies mit dem Ziel, die gesamte Ebene der Targachi unter ihre Herrschaft zu zwingen. Er konnte nicht wissen, dass er einem Irrtum unterlag, denn viele Keshiks (Keshik = nomadische Dorfgemeinschaft der Steppenorks) der Urgashkão hatten sich längst wieder zurückgezogen und planten keine Fort­setzung des Kampfes; Ragg’Gor hatte viele andere Häuptlinge verärgert, weil er seinem eigenen Keshik den Löwenanteil der Beute zukommen ließ.

So zogen die Reiternomaden mit einem eilig aufgestellten Heer gegen die wenigen noch immer bewaffneten Stämme der Urgashkão. Solaqim Zahs Strategie sah es vor, den Feind zunächst zu umgehen und seine Weidegründe, Eisenquellen und Kultstätten zu besetzen, um so den offenen Kampf mit den Orken zu vermeiden. Jedoch barg dieser Plan einige Unwägbarkeiten: Zunächst einmal mussten die Remshen dafür die Ländereien der Jikten durchqueren. Die Jikten waren sehr daran interessiert, ein gutes Verhältnis zu ihren orkischen Nachbarn aufzubauen, und folglich von Solaqim Zahs Strategie nicht sonderlich erbaut. Doch der Shaik al Shaik war sich sicher, sie mit dem Versprechen, ihnen einen Teil der Kriegsbeute zu überlassen, besänftigen zu können. Auch rechnete er damit, dass sich ihm die zuvor überfallenen Brachtão anschließen würden und dass er die Urgashkão – mit ihren besetzten heiligen Stätten als Druckmittel in der Hinterhand – zum Rückzug zwingen könne.

Es sollte anders kommen: Die Kämpfer der Brachtão verwehrten ihre Teilnahme, weil sie nicht den Zorn Ragg’Gors auf sich lenken wollten. Auch die Jikten waren nicht zu besänftigen, und die Urgashkão sammelten bereits ihre verbliebene Streitmacht zum Gegenangriff.

Solaqim Zah hatte den teils aus Furcht, teils aus Bewunderung erwachsenden Respekt der anderen Völker vor den Urgashkão unterschätzt. Ihm wurde klar, dass sein Plan nicht aufgehen würde, wenn er nicht rasch handelte. Aus diesem Grund beschloss er, seine Reiter aufzuteilen und überfallartig an mehreren Fronten tief ins Feindesland einzudringen, um das Hinterland zu verwüsten. So gelang es dem Strategen zunächst tatsächlich, die Jikten in die nördlichen Steppen zu treiben und die Urgashkão in zwei blutigen Schlachten aus der inneren Targachi zu vertreiben. Ein endgültiger Sieg über die Orken schien nun nur noch eine Frage der Zeit.

Die Wende erfolgte 2.220 v. BF durch eine unerwartete Geste der Jikten: Diese überbrachten den bisher am Krieg unbeteiligten Urgashkão-Keshiks der Äußeren Targachi ein seit Jahrzehnten verloren geglaubtes Artefakt: die schwarze Keule Chuchoks, die heilige Reliquie des großen Schamanen und Helden im Kampf gegen Xamuns Marhynianer. Als die Stimme des längst verstorbenen Schamanen aus der Keule sprach und eine Entschuldigung vom gierigen Ragg’Gor verlangte, konnte dieser nicht anders als einzulenken. Im Namen des Totengottes Taugrach schwor er, jedem Stamm den ihm zustehenden Anteil an der Kriegsbeute zu gewähren. Die neu erweckte Zuversicht der Häuptlinge und die wiederhergestellte Ehre der anderen Keshiks ließen internen Stammesdünkeln keinen Platz mehr, und nachdem sich die Jikten bereiterklärten, die Urgashkão zu unterstützen, schlossen sich auch die letzten Keshiks der Urgashkão und Brachtão der gemeinsamen Sache an und besiegelten so das ewige Bündnis der Targachi: die Targachkão.

Wie eine Sturmflut kamen die neu vereinigten Stämme an mehreren Fronten über die Remshen. Völlig überrumpelt und auf der Flucht fand Solaqim seinen Tod auf dem Feld von Jamachke, westlich des Artach, im verzweifelten Abwehrkampf gegen die Horden des Orkenbundes, die seinen Truppen fünf zu eins überlegen waren. Die verbliebenen Remshen fanden ab 2.218 v. BF in Tebuga Asyl, wo sie für eine Weile friedlich mit den Xhalori zusammenlebten und sich teilweise mit ihnen vermischten.

Nachdem sich ihre Population zwei Generationen später wieder erholt hatte, nahmen sie ihr gewohntes, vom Nomadentum ge­prägtes Leben wieder auf und zogen fortan durch durch die kargen Lande der Xhalori und weiter nach Süden in den Einflussbereich der Marus. Der Bund der drei Stämme vor den Augen Taugrachs aber blieb bestehen, und die Vereinbarungen, die während der langen Auseinandersetzung getroffen wurden, bilden noch heute die Grundlage des Bundes der Targachi.

In der frühen Projektphase war also versehentlich festgelegt worden, dass die Remshen, die Vorfahren der Sanskitaren, gegen die Jikten, also die sanskitarischen Nachfahren der Remshen, fochten, lange bevor aus den Remshen die Sankitaren hervorgegangen waren. Eine Phase, in der Remshen und Sanskitaren parallel existierten, dürfte es nur für sehr kurze Zeit gegeben haben, die zudem rund eintausend Jahre später stattfand als die Gründung des Bundes der Targachi.

Dies beim Schreiben der Historia festzustellen war für mich gleichermaßen Aha- und Facepalm-Erlebnis und hat mich gezwungen, die Setzungen dahingehend abzuändern, dass die ursprünglichen Jikten keine Sanskitaren, sondern Nordländer waren, die lediglich Teile der Sprache der Remshen, das Alt-Ramsharij, übernommen und durch Verschmelzung mit dem Orkischen zu ihrer eigenen Sprache, Jiktisch, weiterentwickelt hatten. Aus diesen Jikten gingen im Laufe der nächsten Jahrtausende die Jiktachkão hervor, jene Jikten also, die als vermeintliche Orks dem Bund der Targachi beitraten.

Als später dann die einstige Xhalori-Stadt Tebuga unter dem Namen Teruldan sanskitarisch wurde und der Einfluss der Sanskitaren immer weiter nach Norden zu reichen begann, schlossen sich im Laufe der Zeit mehr und mehr Sanskitaren den Jiktachkão an. Dadurch wurden die Nordländer verdrängt oder assi­mi­liert. Bei der Vermischung der beiden Völker setzten sich meist die Merkmale der Südländer durch. So kommt es, dass die Jiktachkão und ihre Brüder, die Jikten, welche nicht dem Bund der Targachi angehören, heute größtenteils aus Sanskitaren und aus wenigen Orks bestehen. Die Sanskitaren indes als Nachfahren der Remshen profitieren heute von den Vereinbarungen, die einst zwecks Verteidigung gegen ihre Vorfahren getroffen worden waren.

Ein notwendiger Retcon unserer eigenen Setzungen, der allzu fragwürdige temporale Verirrungen, die den Zeitwächter Satinav gewiss nicht erfreuen würden, zu vermeiden hilft. Meine Mutmaßung geht dahin, dass der Gründungmythos des Bundes der Targachi zuerst da war und die Jikten erst später, während der Arbeiten am Buch der Helden, als Sanskitaren gesetzt worden sind, wobei es versäumt wurde, die Historie der Orks entsprechend anzupassen. Einer der kleinen Fallstricke also, die beim Arbeiten mit Texten überall auf einen lauern.

Im nächsten Teil erzähle ich euch dann weitere Details über die Geschichte der Rieslandorks.

Viele Grüße

Euer Tobias “Arantan” Reimann

Ein Gedanke zu „Orkmonat August: Wie die Rieslandorks entstanden sind – Teil 1 der Beitragsreihe “Rieslandorks“

  1. Pingback: Orkmonat in Dnalors Fantasy-Blog – Nuntiovolo.de

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..