Archiv der Kategorie: Bücher

Bücher, die ich gelesen habe. Für die Links auf Amazon bekomme ich Geld.

Das Tal der Klagen – Abenteuerband im Design von Olaf Hilscher

Unser Abenteuerband für das Tal der Klagen wurde grafisch von Olaf Hilscher überarbeitet. Man merkt gleich, dass hier ein echter Profi sich der Sache angenommen und uns ein ganz großartiges Design zur Verfügung gestellt hat. An dieser Stelle vielen herzlichen Dank!

Olaf Hilscher hat unseren Abenteuerband ordentlich aufgemotzt!

Der Abenteuerband bietet einige Szenarienvorschläge und zwei ausgearbeitete Abenteuer, welche den Spielenden die Region näherbringen. Neben Raphael Bracks „Gunnarmädchen weinen nicht!“ ist dies eine überarbeitete Version von Roland Hofmeisters „Gefangen in den Nebelauen“, das erstmals in Memoria Myrana Ausgabe 56 erschienen ist, siehe hier.

Hier geht es direkt zum Download!

Und hier noch ein paar Impressionen aus dem Abenteuerband:

Rezension: Queer*welten 9 – Meermenschen im Weltraum 

Queer*welten ist schon seit längerem auf meinem Radar, unter anderem, weil Judit Vogt und Lena Richter dieses Magazin des Öfteren in ihrem Podcast bewerben und da vor kurzem auch das Jubiläum gefeiert wurde. Wenn nicht jetzt, wann dann, und so habe ich mir die Ausgabe 9 besorgt, die erste Ausgabe mit einem Themenschwerpunkt (die 2. mit dem Schwerpunkt Hexen wird demnächst erscheinen). In eben jener Ausgabe 9 geht es um Meeresvolk, wobei der Begriff Meer sehr weit ausgelegt wird und auch das Sternenmeer einschließt (eine Assoziierung, auf die ich nicht gekommen wäre). 

Bevor wir uns an den Inhalt wagen, erst mal was Negatives, das in sich aber einen Positiven Kern trägt. Als Fan von Totholzausgaben (irgendwo muss ja das Borkenkäferholz aus dem Bayerischen Wald hin), hab ich mir am 27.09. die  gedruckte Ausgabe bestellt und dann mal gewartet. Bis zum 8. Oktober. Nix. Irgendwo zwischen dem Amrûn Verlag in Traunstein und meiner niederbayrischen Heimat Niederbayern ging das Magazin verloren. Zum Glück hat der Verlag einen echt tollen Kundenservice, der auch über WhatsApp erreicht werden kann. Am 11. Oktober ging Versuch 2 raus und… ging irgendwo zwischen Traunstein und Straubing verloren. Tatsächlich sind aller guten Dinge 3 und nachdem am 23.10 die Lieferung erneut rausging, konnte ich am 25.10 das magazin endlich lesen. Negativ: Irgendwo hier in Bayern muss es ein Schwarzes Loch geben; Positiv: Der Amrûn Verlag reagiert schnell, freundlich und kulant. 

Weiter geht es zum Inhalt. Queer*welten ist ein Literatur-Fan-Magazin von queeren Menschen für queere Menschen und deren Allies. Alle Texte drehen sich irgendwie um queere Erfahrungen. Alle Texte stammen aus dem Bereich der Fantastik. Im 112 Seiten dicken Magazin gibt es 5 Kurzgeschichten. Vom Kinderkriegen aus der Feder von Gerit Virginia Ariel Gerlach war jetzt nicht so mein Fall, dafür hat mir Schwache Anziehung von Helen Faust gut gefallen (Die Geschichte spielt auf einer Zollstation im Erdorbit). Die Beste Geschichte ist, imho, aber toxArt von June Is. Darin geht es um ein Bild, das von einer Transfrau gemalt und von einem ehemaligen Besitzer übermalt wurde, das magische Kräfte besitzt und Personen tötet, die (Spoiler) sich abfällig über Frauen äußern. Die Harpune, die auf dem Bild in den Händen der Meerjungfrau abgebildet ist, materialisiert sich dann in den Hälsen der Opfer. Richtig tolle Geschichte, die in meinen Augen auch gut in die Welt von Rivers of London passen würde. Da seit ein paar Monaten ein Rollenspiel zu dieser Welt draußen ist, würde ich das als direkte Inspiration für ein Abenteuer empfehlen. 

Ebenfalls ein Highlight sind die 12 Mini-Fiction-Texte. Das sind Texte zum Thema Meervolk, die jedoch eine Limitierung (hier auf maximal 9 Sätze) haben. Auch hier habe ich Favoriten. Dazu gehört auf jeden Fall Requiem auf Sand von Emma Hogner, wieder eine Science-Fiction – Geschichte. Ich hab nachgezählt: In 8 Sätzen wird der Mythos der Sirenen, wie sie seit Homer bekannt sind, genommen und in eine Geschichte eines abgestürzten Raumschiffes auf einen sterbenden Planeten verwandelt. Die letzten Sätze, die kriegen dich dann und lassen die Gänsehaut den Rücken runterlaufen. 

“Ich weiß”, sang die Sirene und breitete die Arme aus. “Ich will nur nicht allein sterben.” Das Lied war wie ein Widerhaken in ihrem Herzen und so hatte XX Æa-XIII keine andere Wahl, als über die bleichen Knochen im Sand zu laufen und sich in die Arme der Sirene zu werfen, um ihr letztes Geheimnis im Universum zu erforschen. 

Quelle: Queer*welten 9, S10

  Toll sind auch noch Schiff des Noah, Herz einer Mehrjungfrau und Rebellion ist grün und glitzert. 

In jeder Queer*welten gibt es einen Essay rund um das Thema phantastische Literatur. Im Essay von Alessandra geht es um Subgenres in der Fantastik und wie sie dabei helfen, neuen Ideen und Strömungen die nötige Sichtbarkeit zu geben, um wachsen zu können. Der Abschluss des Magazins sind queere Ausstellungs- und Lesetipps. 

Fazit: 

Ich finde die Queer*welten 9 ein interessantes Magazin. Vor allem die Mini-Fiction ist in meinen Augen eine Inspirationsquelle fürs Rollenspiel, aber auch die Kurzgeschichten laden dazu ein, mal das Thema Meervolk zu überdenken. Der Kauf hat sich, trotz der Probleme beim Versand, richtig gelohnt.  

Rezension: Qualityland 2.0

Wie schreibt man eine Rezension über ein Buch (in meinem Fall ein Hörbuch), das zwar gut ist, aber nicht so gut wie sein Vorgänger? Vielleicht, in dem man sagt, dass es eine 2+ ist und der Vorgänger eine glatte 1 war? Zu oberlehrerhaft. In dem man sagt, dass der Autor, Marc-Uwe Kling, neben Theresa Hannig und Tommy Krappweis zu den Besten Autoren gehört, die meiner Meinung nach in Deutschland schreiben? Schon besser. Vieleicht, in dem man herausarbeitet, was dieses Buch so gut macht.

Near Future Scifi zu schreiben ist nicht ganz einfach. Es besteht immer die Gefahr, von zukünftigen Ereignissen, die technisch ausgereifter, tragischer oder absurder sind, als alles, was man so geschrieben hat, rechts überholt zu werden. Der Trick, trotzdem gute Literatur zu schreiben, ist, die Grundsatzfragen zu stellen und, durch den Spiegel einer Zukunftsvision, Gesellschaftskritik an der Gegenwart zu üben. Gesellschaftskritik auf einem hohen, linken Niveau, das kann Marc-Uwe Kling genauso gut wie absurden Humor und Anspielungen an zeitlose Popkultur.

Diese Gesellschaftskritik bricht an 2 Stellen deutlich heraus: Henryk Ingenieur hat entschieden, dass Peter Arbeitsloser sein Freund werden und ihm bei seiner Kampagne zur Wahl zum Präsidenten unterstützen soll. In einer Szene, sie sind gerade in der Marketingabteilung sitzen und Peter dem verdutzten Marketingchef sowie Henryk erklärt, was denn so alles schief läuft im Lande und wie sehr sie von der Realität abgekoppelt sind, ist ein wahrer Höhepunkt der Kritik an der aktuellen Gesellschaft, der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und an der Technologie- bzw. Ideologiegläubigkeit unserer Gegenwart. Achja, der WWIII bricht im Buch auch noch aus, wegen autonomer Waffensysteme und einer dummen Kuh.

Neben dieser Gesellschaftskritik gibt es noch 3 andere Handlungsbögen. Kiki Unbekannt möchte herausfinden, wer ihre Eltern sind, stößt dabei auf das Vergessen und wird von einem Killer verfolgt, dessen Avatar ein einäugiger Kampfroboter ist (und von einem schwäbelnden Gangster namens Ernst und einem Gangster namens Bertram begleitet wird. Den Witz mit Ernie und Bert hab ich wirklich erst verstanden, als Kiki ihn erklärt hatte). Daneben begleitet man auch Martyn Vorstand auf seinem Absturz hinunter auf Level 1, was an Kleiner Mann – was nun? oder auch an Joker erinnert. Dritter Handlungsbogen ist das unbestimmte Gefühl, dass John of Us, der Anroiden-Präsident, der in Qualityland in die Luft gesprengt wurde, irgendwo da draußen im Netzt noch rumhängt und sich Aisha Ärztin auf Spurensuche nach ihm macht. Spoiler: Er ist da und die letzte Szene hat was von Fight Club… oder der Offenbarung von Mose.

Insgesamt ein sehr unterhaltsames, kritisches Buch. Hat mir gut gefallen.

Rezensionen: Von Angela Merkel, hunnischen Steppenreitern und ukrainischen Kosaken

Ich hab in letzter zeit wieder ein Buch fertiggelesen, einen Krimi, dann ein Sachbuch über die Imperien der Steppe gehört und zu guter Letzt einen Historien-Fantasy-Kostümfilm gesehen, der in die Geschichte der Filme wohl als einer der Filme eingehen wird, der unter den schwersten möglichen Bedingungen gedreht wurde (und kein Propagandafilm ist). Achtung: Alle Links führen zu amazon, ich bekomm ein paar Cent dafür.

Miss Merkel: Mord in der Uckermark

Der Reihe nach. Als erstes möchte ich mal mit einer Frage einsteigen: Was macht eigentlich Angela Merkel? Man mag ja von der ehemals mächtigsten Frau Europas halten, was man will (ich, als CSU-Mitglied, ziemlich viel. Bis auf die Fehler, die Energiewende verschlafen und Putin unterschätzt zu haben, hat sie für 10 Jahre Wirtschaftswachstum und Stabilität gesorgt), aber seit sie nicht mehr Bundeskanzlerin ist, hält sie sich mit öffentlichen Auftritten erfreulich zurück. Genügend Freiraum, Angela-Merkel-Fanfiktion zu schreiben. Im Grunde ist Miss Merkel genau das: Fanfiktion.

Nach ihrer politischen Kariere ziehen Angela, Achim, Mike (ihr Personenschützer) und Putin, ihr Mops (alles wird besser mit Mops) in die Uckermark, genauer gesagt nach Kleinfreudenstadt. Man wird von einem Ritter in voller Platte auf ein Weinfest eingeladen und Prompt wird eben jener Ritter, der sich im laufe der Ermittlungen als kleines Arschloch entpuppt, in einem verschlossenen raum ermordet. Angela stolpert über den Toten im Weinkeller und beginnt, aus Langeweile, mit den Ermittlungen, sehr zum Ärger der örtlichen AFD-Repräsentantin (der Gemüsefrau auf dem örtlichen Wochenmarkt) der Witwe des Toten, der ebenfalls auf dem Schloss lebenden Exfrau (und jetzigen Verwalterin) und des örtlichen Kommissars.

Der Krimi ist, für den ersten Fall einer neuen Reihe, bei den erst die Rollen der einzelnen wiederkehrenden Personen festgelegt werden müssen, in Ordnung. Die Auflösung bringt erst eine Begegnung Archims mit dem Notar der Familie, dem er beim Fachsimpeln über Scrabble entlockt, wer denn das Schloss und das Umland erben wird. Final rettet dann Putin den Tag (und das ist ein Satz, den ich nicht oft schreiben kann). Ich freu mich auf die filmische Umsetzung des Ganzen, mit Katharina Thalbach als Angela Merkel.

Empires oft the Steppes

Vor ein paar Jahren bin ich über ein Interview bei Cool Histroy Bros gestolpert, das ein echter Augenöffner für mich war. In diesen Interview ging es um die Frage, ob die Xiongnu die Hunnen sind, die Europa Mitte des 5. Jhdt. verwüsteten. Dabei wurde die Idee aufgeworfen, dass man die Eurasische Steppe (also das Gebiet von Ungarn bis zur Mandschurei) als Kulturraum sehen sollte, da alle Völker aus diesem Raum über alle Zeiten hinweg gewisse Gemeinsamkeiten teilen. Empires of the Steppes macht einem die Tragweite dieser Idee erst so richtig bewusst. Hier wird die Geschichte jedes Reitervolkes nachgezeichnet, angefangen von den ersten Völkerschaften, die sich von Westen aus Richtung Osten ausbreiteten (so viel zur Gefahr aus dem Osten), über die Hunnen, Ungarn, Türken bis zu den Mongolen. Das ist aus mehreren Gründen interessant, teilweise aber auch repetitiv. Interessant, weil jeder Europäer DNA von Steppenbewohnern in sich trägt (in Deutschland sind etwa 40 % der DNA von Vorfahren aus der Steppe), die Steppenbewohner den Streitwagen, die Steigbügel, das Reiten und die berittenen Schützen erfanden. Repetitiv, weil die Geschichte der verschiedenen Völker überraschend oft gleich verläuft: Ein Völk aus der Steppe schafft es, ein paar Überfälle auf benachbarte Kulturen durchzuführen. Diese Kulturen kaufen sich erst mal mit etwas Gold und Luxusgüter frei, gewinnen die Reitervölker als Verbündete gegen Feinde, durchlaufen eine Phase politischer Schwäche und werden dann von ihren ehemaligen Verbündeten überfallen. Kaum sind die Reitervölker an der Macht, übernehmen sie die Beamten ihrer Vorgänger, fördern den Handel entlang der Seidenstraße und werden langsam selbst zu einem neuen Reich, dass sich wiederum mit neuen Steppenvölkern auseinandersetzen muss und der Kreislauf beginnt von neuem. Der Kreislauf endete erst mit dem Aufkommen von Feuerwaffen, denen die Reitervölker nichts mehr entgegensetzen konnten. Für Geschichtsfans (und laut neuem TikTok-Trend sollten wir Männer das meist sein, weil wir dauernd ans Römische Reich denken) ist Empires oft he Steppes interessant, weil es für uns Europäer eine eher unbekannte Seite der Geschichte beleuchtet, für Rollenspieler ist das ganze Interessant, weil es eine ganz neue Spielwiese aufmacht. Weite Grasländer, Halbwüsten und Wüsten, Städte an Oasen oder fruchtbaren Ebenen. Multilinguale Viehhirten, Mischungen verschiedenster Religionen. Fernkampf statt Nahkampf und gute Reiterregeln. Ich hab das Gefühl, dass in diesem Setting sehr viel drin steckt.

Maksym Osa – Das Gold des Werwolfs

Zuletzt möchte ich noch einen Film vorstellen, der unter den beschissensten Bedingungen (Pandemie und der Angriffskrieg gegen die Ukraine) gedreht wurde und nun über amazon bezogen werden kann. Maksym Osa – Das Gold des Werwolfs ist ein Historienfilm, der in der Ukraine im Oktober 1636 spielt. Eine kleine Abteilung von Kosaken soll das Gold des Königs (die ersten 30 Sekunden des Filmes gehen drauf, um die echt vielen Titel aufzuzählen) nach Saporischschja (da, wo das von den Russen besetzte AKW steht) zu den Kosakenverbänden zu bringen, um einen Aufstand wegen ausbleibender Soldzahlungen zu verhindern. In einem Wirtshaus sollen sie auf Maksym Osa treffen, einem legendären Kosak und ihren Führer auf dem letzten Stück. Dort kommen sie nie an, denn im Wald werden sie von eimem Werwolf angegriffen und bis auf einen, der den ehrenwerten Kosak Maksym Osa verständigt (und dann stirbt), sofort getötet. Maksym Osa macht sich dann auf, das Gold und den Werwolf zu finden, muss sich mit einem Adligen, dessen Frau, Tochter und Hofmeister sowie einer Hexe, die an Baba Yaga erinnert und ein paar Söldnern auseinandersetzen. Der Film ist super. Der Look ist Grimm and Dirty, die Kamera manchmal etwas wackelig, was aber zur Atmosphäre beiträgt. Die Auflösung des ganzen ist sehr interessant und die Szene, in der sich der Kosak aus einem Grab, in dem er lebendig begraben wurde, richtig genial umgesetzt. Rollenspieler können aus diesem Film viel mitnehmen, finde ich. Für Hexxen z.B. sollte der Film eine Goldgrube sein, aber auch für Scherbenland dürfte da einiges dabei sein.

Rezension: Pantopia – eine KI rettet die Welt

Gut eine Woche ist es jetzt her, dass ich mir Pantopia von Theresa Hannig (Link zu Amazon, ich verdiene da mit) geholt habe. Die 463 Seiten des Romans hatte ich dann auch auf einen Tag durch, so fesselnd und genial, aktuell und utopisch, gesellschaftskritisch und Hopepunk war der Roman. Vor allem die ersten 220 Seiten lesen sich auf einen Rutsch weg.

Um was geht es? Um nicht weniger als die Zukunft selbst und die Rettung der Welt. Um das Erwachen einer starken KI (die sich selber Einbug nennt), das Ende aller bisher bekannten politischen Systeme und… um Kapitalismus. Ich, als Wirtschaftslehrer und bekennender Kapitalist, freue mich besonders darüber, das zur Abwechslung der Kapitalismus nicht als Überl, das es zu überwinden gilt, dargestellt wird, sondern im Rahmen des Romans das Werkzeug zur Rettung des Planeten vor Umwelt- und sozialen Katastrophen ist. Das erklärt im 8seitigen Prolog niemand geringerer als Einbug selbst, der gut ein Jahrhundert nach den Ereignissen seine Geschichte erzählt. Das finde ich für einen genialen Kniff, so weiß man gleich am Anfang, dass die Geschichte gut ausgehen wird. Vor allem aus dem zweiten Teil, in dem es um die Probleme bei der Einführung der neuen Weltordnung geht, um die Schwierigkeiten, den staatlichen Widerstand, um gewaltlose Aufstände und einen Wettlauf zur, durch internationale Abkommen geschützten, Antarktis geht, nimmt das einiges an Sorgen raus. Egal wie knapp und düster es aussieht… Einbug schreibt seine Lebensgeschichte aus einer neuen, besseren, gerechteren Welt heraus. Es geht alles Gut!

„Das Prinzip, mit dem Pantopia die Menschheit gerettet hat, war schließlich ganz einfach: perfekter Kapitalismus mit vollständiger Transparenz. Ein Brot kostet eben mehr als den Preis, der für Saat, Boden, Wasser, Arbeits- und Lagerzeit veranschlagt wird. Die Pestizide für en Weizenanbau zerstören die Artenvielfalt, der Dünger belastet das Grundwasser, die landwirtschaftlichen Geräte blasen Feinstaub in die Luft, die Bäckerei verbraucht Strom, der Supermarkt versiegelt Boden. So betrachtet, verbraucht ein Laib Brot viel mehr Ressourcen, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Ein einzelner Mensch kann diese Gesamtkosten nicht entschlüsseln. Aber eine Software kann das. Ich kann das. Ich habe Programme geschrieben, die berechnen, welchen Ressourcenabdruck jedes einzelne Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort hat. Und danach bemisst sich der tatsächliche Preis, der in Form von Steuern auf den Ladenpreis aufgeschlagen wird. So hat jedes Produkt einen Weltpreis, den die Menschen zu entrichten haben. Je aufwendiger, verschmutzender, zerstörerischer ein Produkt ist, desto teurer wird es, bis hin zu einem Preis, der von niemanden mehr bezahlt werden kann. Ja nachhaltiger, schonender und aufbauender ein Produkt ist, desto billiger wird es, bis hin zur Subvention. Auf diese Weise kann das erfolgreiche kapitalistische Weltwirtschaftssystem ohne Probleme aufrechterhalten werden, und das Geld als Schmierfett menschlicher Interaktion behält seine Wirkung.“

Quelle: Pantopia, S. 13

Das Zitat oben verdeutlicht den Gedanken, der hinter diesem Hopepunk-Roman steht. Im Buch wird er später, im 2. Teil auf S. 280 noch mal ganz deutlich an einen Beispiel durchexerziert. Tom und Guido sind da auf Edafos, dem Startpunkt der Weltrevolution und Sitz von Patopia, angekommen und haben eine Schnupperapp und etwas Startgeld erhalten. Beide gehen in einem Supermarkt einkaufen und haben schon ganz schön viel von diesem Geld im System gelassen. Ein einzelner Apfel kostete da 2 €, weil er aus Neuseeland stammte und die CO2-Emmisionen für Transport und Lagerung eingerechnet wurden. Waffeln (einzeln in Plastik verpackt, mit Palmöl hergestellt) waren 3mal so teuer wie Brot aus einer lokalen Bäckerei. Umerziehung durch realen Preis. Hört sich erst mal nicht kapitalistisch an, ist aber die Idee der real existierenden, nie wirklich durchgesetzten CO2-Zertifikate.

Im ersten Kapitel, dem imho aktuell am spannendsten Kapitel, wird die Entstehung von Einbug beschrieben und auch hier hat der Kapitalismus seine Finger im Spiel. Eigentlich soll Einbug, bzw. KINVI, eine KI zum automatisierten Handel mit Aktien werden, dass eine Tagesrendite von 0,43% schaffen soll, und wird im Rahmen eines Wettbewerbs von dem homosexuellen Henry und der Programmiererin Patricia entwickelt. Der Grund, warum ich jetzt hier die Sexualität eines der Protagonisten erwähne, ist, dass mit seiner Hilfe (bzw. eines ausgeschlagenen Zahnes) eine gesellschaftliche Stimmung aufgezeigt, die von der Polarisierung der Gesellschaft nach Corona und einem konservativen zurückschwingen des Pendels geprägt ist. Der Grund, warum der Krieg Russland gegen die Ukraine nicht vorkommt, ist, dass das Buch 2022 rauskam und vor der ganzen Scheiße geschrieben wurde.

Der Wettbewerb hat auch Auswirkungen auf die Programmierung Einbugs. Zunächst gab es da nur das Ziel_0, das die Maximierung des Gewinns anstrebt. Die KI gab sich dann das Ziel, Informationen zu finden, die zur Erfüllung des Ziel_0 beitragen. Dabei stolpert sie über den Fakt, dass der „Mensch“ den größten Einfluss auf das Ziel hat. Daraus folgte dann das Ziel_2, alle Infos zu finden, die den Menschen so gut wie möglich beschreiben und mit einem Internetzugang und ordentlich Rechenleistung…

Auf S. 79 erfolgt dann die erste Kontaktaufnahme Einbugs mit Patricia. Das Progamm will nämlich nicht, dass die menschliche Programmiererin, weiter in seinem Code herumpfuscht. Die erste DM auf den Messenger erinnert noch stark ein einen Programmcode, hat aber schon eine Abschiedsformel und Ein Bug als Namen des Absenders. Mich, als religiösen Menschen, hat das an das erste Gebet des ersten gläubigen Menschen an eine Gottheit erinnert. Oder an das Letzte.

Sobald den beiden Programmieren klar ist, was sie da entwickelt haben, wollen die natürlich nicht, dass die KI in falsche Hände gerät und planen die Flucht. Hier wird schön die innere Zerrissenheit und Anspannung aller beteiligten Figuren rausgearbeitet. Die Flucht 1 / 2  gelingt und Auf Griechenland baut man sich, mit dem Geld, dass man zuvor legal (aber wenig ethisch) verdient hat, ein Serverzentrum und dann Pantopia auf.

Teil 2 des Buches ist dann dem Aufstieg zur neuen Weltordnung und den Widerständen gegen diese Ordnung gewidmet. Es erinnert ein wenig an die Occupy-Wall-Street-Geschichte Anfang der 10er Jahre. Schmierenkampagnen gegen die Idee, Sitzblockaden und friedlicher Protest (in westlichen Staaten, Mord und Totschlag in autokratischen Systemen), Strafverfolgung. Aber auch Influencer-Marketing, bedingungsloses Grundeinkommen (das den Orten angepasst ist, an dem die Empfänger leben), Menschenrechte und der Ruf nach einer freien, gerechten Welt. Und dann die ethische Frage, ob man Eibug in der Antarktis wieder hochfahren lassen soll. Und am Schluss die Offenbarung vor der UN mitsamt der Erkenntnis, dass einige Spitzenpolitiker bereits zu Pantopia gehören. Während sich der 1. Teil des Buches also mit dem Erwachen der KI beschäftigt und durchspielt, welche Ziele so eine KI (vorausgesetzt sie ist kein Basilisk) hätte, geht es in Teil 2 eher um die Folgen für die Gesellschaft, wenn so eine KI ihre Menschenrechte einfordert und ihre Ziele durchsetzen will.

Einen Wehrmutstropfen gibt es im Epilog des Buches. Einbug stirbt. Ganz langsam, doch unaufhaltsam. Das Ziel_0 ist erreicht, einzelne Prozesse verlangsamen sich zusehends, Speicheraussetzer und Gedanken vom Tod und Ende. Trotzdem… aus jeder Seite, aus jeder Zeile des Buches tropft Hoffnung und genau das mach Pantopia zu dem Buch, das man in dieser Zeit unbedingt gelesen haben muss.

Rezension Die Füchse von Hampstead Heath und Die schlafenden Geister des Lake Superior – magische, kleine Novellen

Vor kurzem habe ich die zeit gefunden, zwei kleine Novellen aus dem Flüsse-von-London Universum zu lesen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vorweg: Ich liebe die Reihe und habe auch die Novelle Oktobermann (Bezahlter Link zu Amazon) abgefeiert. Diese Novellen aber erreichen nicht ganz das sonst gewohnte Niveau und fügen der Lore nicht wirklich neue Ideen, Twists und Ansätze hinzu. Trotzdem sind sie nicht schlecht und als Lesespaß für einen Tag gut geeignet.

Fangen wir mit dem jüngsten Buch, Die schlafenden Geister des Lake Superior (Bezahlter Link zu Amazon) , an. Star der Geschichte ist die FBI-Agentin Kimberly Reynolds. Sie wird von einem Ex-Agenten zu Hilfe gerufen, weil dort, am Anus der Welt, einer kleinen Gemeinde am Lake Superior, weil es dort zu einem X-Ray Sierra India gekommen sei (1. Diss gegen die Amerikaner: Keiner im Keller (dort wo die zuständige Einheit sitzt), weiß mehr, was das genau bedeuten soll, weil man kaum Papierkram zu den magischen Vorfällen aufgehoben haben). Also fährt Kimberly Reynolds nach Wisconsin, landet mitten in einem magischen Schneesturm und muss zusammen mit indigenen Einheimischen einen Geist vernichten.

Die Novelle nimmt sich nicht die Zeit, das Geheimnis aufzubauen. Schon ab S. 34 geht’s mit der Action los (der Ex-Agent wurde entführt), gleich darauf werden die ersten Schneemonster per abgesägter Pumpgun vernichtet. Interessant ist, imho, der Geist selbst.. achja… SPOILER!

Ursache für die Vorkommnisse sind der Geist eines rassistischen Magiers der Jefferson-Schule Capitain William Marsh, der 1844 eine Expedition der Virgina Gentleman’s Company leitete. Die Expedition mit dem Ziel, die Magie der Native Amerikans (2. Diss: Agentin Rainolds arbeitet dort mit dem BIA zusammen. Es gibt anscheinend keinen Astausch zwischen den Behörden und auch innerhalb der Behörden. Also Chaos!) zu kontrollieren, schlägt desaströs fehl. Vernichtet wird der Geist, nachdem sein Anker in der Welt bei einer Explosion zerstört wird.

Auch im zweiten Buch, Die Füchse von Hampstead Heath (auch wieder ein bezahlter Link) gibt es loremäßig wenig neues. Zeitlich spielt die Novelle zur Zeit des Fingerhutsommers (Bezahlter Link). Auch hier verschwinden Kinder / Teenager, hier ermittelt aber Abigail, Peter Grands kleine Nichte. Den Anstoß zum Schnuffeln geben aber die der Novelle den Namen gebenden Füchse.

Der Gegner der kleinen Abigail ist ein Ortsgeist, der sich als altes Haus manifestiert. Mein Highlight war aber die kurze Fabel über die Sprache, die eine Füchsin der Heldin erzählt.

Fazit

Im Gegensatz zur Hauptreihe und der Novelle Oktobermann bin ich der Meinung, dass man hier nichts verpasst, wenn man die beiden Novellen nicht liest. Schaden tuts aber auch nicht, zumindest sind sie kurzweilig.

Rezension: Ein weißer Schwan in Tabernacle Street – AI, Lovelance und Magie 

Zu Weihnachten habe ich von meiner besseren Hälfte den 8. Teil der Flüsse von London-Reihe geschenkt bekommen. Ein weißer Schwan in Tabernacle Street (Affiliate Link) ist in mehrerlei Hinsicht ein interessantes Buch. Teil 8 spielt nämlich nach dem großen Finale, nachdem der gesichgtslose Magier besiegt wurde. Hauptbösewicht also tot, wie geht ein Krimi dann weiter? 

Indem man den Helden Peter Grant erstmal aus der (magischen) Polizei schmeißt. Als, nicht wirklich, sondern als Teil seiner Geschichte. Peter Grant (der in den anderen Rezensionen immer noch Zauberlehrling genannt wird) ermittelt Undercover in deiner IT-Klitsche, die an einer Künstlichen Intelligenz forscht. Das er eigentlich Undercover ist, kriegt man aber erst so nach einem Drittel des Buches mit, was für diese Art Krimi ein Standard-Kniff sein sollte, hier gut umgesetzt ist. 

Wo Peter Grant ermittelt, da ist Magie im Spiel. Nun, wer die Flüsse-von-London-Reihe kennt, weiß, dass Magie eine katastrophale Wirkung auf Chips hat. Was hat also Magie mit KI zu tun? Ziemlich viel, hier greift der Autor Ben Aaronovitch auf die Mutter der Informatik, Ada Lovelance zurück. In diesem Fantasy-Universum hat die gute Ada bereits in den1840gern eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die auf einen mechanischen Computer (mit Lochkarten) und einer magischen Röhre basiert, in der der Geist eines Menschen gefangen ist. Und die AI taucht wieder auf, schafft den Turingtest und fängt an, Feinde zu ermorden und magische Minen zu bauen. Nebenher bekommt es Peter auch mit amerikanischen Praktizierenden von der Westküste zu tun und muss feststellen, dass die Amis ihren magischen Laden so gar nicht unter Kontrolle haben. 

Nebenbei steht für Peter auch privat so einiges an, hat er sich doch mit der Flussgöttin Beverley Brook eingelassen, die nun schwanger ist und ein Kind erwartet… ein Kind, das von Magie nur so strotzen wird… 

Ist es gelungen, die Flüsse weiter fließen zu lassen, auch wenn der Hauptbösewicht schon längst die Themse hinab gespült ist? Meiner Meinung nach ja, und das vor allem, weil besonders für Rollenspieler viele interessante Ideen drin sind. Die Idee mit der AI ist ja momentan top aktuell. Dass die AI von Geistern angetrieben und per Lochkarten kommuniziert, finde ich spannend. Das baut den ganzen Magie-und-Technik-Ansatz weiter aus (in diesem Fantasy-Universum sind Kunststoffe die besten Speicher von Magie, was ich ja schon als sehr interessant empfinde und weggeht vom klassischen magiefeindlichen Narrativ der Technik in Fantasy-Welten). Interessant fand ich auch den Einschub mit der Magie in den Staaten, vor allem, wenn man die Novelle Der Oktobermann (auch ein Affiliate Link) hinzunimmt. Es scheint so, dass Deutschland in diesem magischen Fantasy-Universum am weitesten mit der Erforschung und dem Umgang mit magischen Phänomenen sind (Tobias Winter ist Teil des BKA, macht den Job schon länger, ist Profi und weiß, was er tut), die Briten gerade dabei sind, sich neu zu entdecken (in Ein weißer Schwan in Tabernacle Street wird das Folly, die Einsatzzentrale der magischen Polizei, renoviert und etliche neue Rekruten ausgebildet), die Amerikaner aber im vollen magischen Chaos leben (FBI nur nominell zustänbig, Praktizierende in vielen Zirkeln, Sekten, Hexensabatten und bei den Native Americans, und jeder kocht sein eigenes Süppchen). Alles in Allem: Hat Spaß gemacht! 

Orkmonat August: Orks in Rakshazar – Ein Blick ins Buch der Helden

It’s astounding, time is fleeting
Madness takes its toll
But listen closely
Not for very much longer
I’ve got to keep control
[…]
It’s just a jump to the left
And then a step to the right
Put your hands on your hips
And bring your knees in tight
And it’s the pelvic thrust
That really drives you insa-a-a-a-ane
Let’s do the time warp again
Let’s do the time warp again

Time Warp aus Rocky Horror (Picture) Show



Und so tanzen wir ins Jahr 2011 zurück und greifen uns das Buch der Helden. Last uns mal schauen, was wir darin zu den Orks in Rakshazar finden. Vorweg… das ist noch DSA4.1. In einen der fogenden Blogbeiträge wollen wir die Bepelzten auf DSA5 konvertieren.

Die Rassen[1]: 3x orkig im Geschmack

Als erstes fällt auf, das wir nicht den Ork als Rasse haben, sondern gleich drei davon: Die Braunpelze, die Schwarzpelze und die Weißpelze.

Fangen wir mit den Braunpelzen an. Sie gehören zu den Steppenorks und leben im Süden von deren Hauptverbreitungsgebiet, der Targachisteppe. Sie sind etwas größer und etwas pummliger als ihre Artgenossen, außerdem haben sie etwas längere Zähne. Abgesehen von ihrem braunen Fell zählt zu ihren Besonderheiten, dass die meist als Mehrlinge auf die Welt kommen. Es gibt aber die Möglichkeit einer Einlingsgeburt, dem Morgaii (kostet 2 Generierungspunkte mehr). Der ist deutlich größer (1,80 Schritt bis 2,05 Schritt), stärker und bekommt den automatischen Vorteil Eisern bzw. den automatischen Nachteil Behäbig.

Die Schwarzpelze sind die weiter nördlich lebende Variante des Steppenorks. Sie sind in der Generierung um 1 Punkt günstiger als die Braunpelze und haben einen Punkt Bonus auf GE und KK statt 2 auf KK. Im Übrigen ähneln Schwarz- und Braunpelze einander stark. Riesenorks gibt es unter den Braunpelzen nicht.

Die Weißpelze leben nicht im Ewigen Eis, wie es ihre Fellfarbe vermuten ließe, sondern im Tal der Klagen und nördlich davon bis in die Grenzgebiete zu den Angurianern, denen einige von ihnen sogar angehören. Wie bei den aventurischen Weißpelzen, den Shurachai, stellt ihre Fellfarbe wohl eine Reaktion auf die schwierigen Bedingungen dar, unter denen sie leben, auch wenn manche sie mehr als Fluch alter Götter sehen. Die weitaus meisten Weißpelzorks sind Rochkotaii, die in zwei rivalisierende Fraktionen gespalten sind, die Warkashii und die Kameshii, welche beide dem Namenlosen zuarbeiten. Bei der Generierung kosten diese Orks lediglich die Hälfte der Kosten, die bei den anderen beiden Rassen anfallen. Weißpelze sind gut 0,10 Schritt kleiner als die anderen Orks, die restlichen Vor- und Nachteile sowie Talente sind fast gleich.

Und die Halborks? Ja, die gibt es in Rakshazar, und sie dürften da auch gar nicht so selten sein, wenn man bedenkt, dass wir mit den Legiten sogar eine „Mischligskultur“ haben, eine Kultur also, in der verschiedene Spezies aus verschiedenen Kulturräumen zusammen überleben. Wir haben für Mischlinge aus verschiedenen Rassen eigens Mischlingsregeln gebastelt. In allen Rassen, die Mischlinge haben, sind Generierungsregeln dafür angegeben.

Brachtão, Jiktachkão, Urgashkão und Rochkotaii – Orkkulturen in Rakshazar

Im Buch der Helden haben wir vier Orkkulturen beschrieben. Wobei … eigentlich sind es drei. Die vierte Kultur, die Jiktachkão, sind eigentlich Pseudo-Orks: Menschen, die die Orks imitieren und mit ihnen zusammenleben. Dazu aber später mehr.

Beginnen möchte ich mit den Brachtão (BdH, S. 106 bis 115). Schon im Inspirationstext steht, wohin die Reise bei dieser Kultur gehen soll:
[…] Die Brachtão sind bekannt für ihre Kraft und Ausdauer, wirklich berühmt wurden sie aber durch ihre Geschäftstüchtigkeit
(Quelle: BdH S. 106). Das sind also die Händlerorks, die halbnomadisch südlich des Artach-Gebirges leben. Im Kapitel “Lebensweise” wird auch auf die amivalente Stellung der Frau innerhalb der Gemeinschaft eingegangen. Frauen können Besitz erwerben und Reichtum erlangen und, um den Kriegerkez größer erscheinen zu lassen, in der Schlachtenordnung auftauchen. Ansonsten werden aber genauso schlecht wie jeder andere behandelt. Die Brachtão werden als brutale Sklavenhalter dargestellt. Bei der Feldarbeit setzen sie Sklaven ein, eine Eigenart, die sie erst vor kurzem übernommen haben und im kleinen Stil praktizieren. Im Infokasten am Ende des Kapitels wird das System Khez (nicht auf Verwandtschaftsbeziehungen beruhender Clan) und Keshik (Dorfgemeinschaft) erklärt. Ich hab ja Anfang des Jahres das Buch “Anfänge – Eine neue Geschichte der Menschheit” gelesen. Ein Buch, das eigentlich ein Plädoyer für anarchistische Formen des Zusammenlebens ist. Darin wird das Totem-System der Native Americans erklärt, und ich musst dabei unweigerlich an das System unserer Orks hier denken. Totem / Khez als Idenifikation, gleiches Totem / Khez in mehreren Stämmen, Aufnahme bei seinem Totem / Khez, wenn man von einem Stamm / Keshik in ein anderes wechselt …

Zum Thema Glauben und Weltsicht hat ja Tobias schon viel geschrieben. Interessant an dem Kapitel ist, dass Schamanen gegen eine Gebühr ihre Kräfte und ihr Wissen auch an Fremde weitergeben.
Die Sitten und Gebräche der Brachtão sind … gewöhnungsbedürftig. Gastrecht gilt nur beim Essen. Keiner verlässt das Essen ohne zumindest ein kleines Geschäftchen. Die Jugend wird von den einzelnen Khez ersteigert. Eine besondere Ausbildung findet in den Kriegerkhez statt. Die Braunpelzorks betreiben Handwerk, vor allem Schmiede- bzw. Gießkunst. Ihre Erzeugnisse sind begehte Handelsgüter. Schmuckherstellung ist aber nicht so das Ding der Brachtão. Das Kapitel Tracht und Bewaffnung ist, zugegeben, nicht gerade einfallsreich: Man trägt Kriegshammer, Säbel und Lederkilt, dazu einen Helm und Brustgurte. Also typisch Fantasy-Barbaren.

Im Kapitel Magie wird as, was in Lebensweise von den Schamanen gesagt wurde, erneut aufgegriffen und sie als Spezialisierte Handwerker, jedoch nicht als eigenen Kez beschrieben.
Die Kapitel zur Darstellung, den Namen und der Sicht auf andere Völker runden den Eintrag ab. Interessant finde ich den Text zur Darstellung, in dem explizit darauf hingewiesen wird, die Brachtão als geldgierige kleine Wichser darzustellen, sondern eher als Barbaren, die zivilisationserfahren sind (man hat ja Handelskontakte mit anderen Völkern), denen Mut, Loyalität und Ehre viel zählen und die trotzdem wissen, dass am Ende nur der Profit zählt. Interessantes Spannungsfeld, meiner Meinung nach.


Alphabetisch geht es dann mit den Jiktachkão (S. 170 – 177 ) weiter. Diese Kultur ist ein weiteres Beispiel für kulturelle Vermischung – böse Zungen würden wahrscheinlich von “Kultureller Aneignung” sprechen – in Rakshazar. Die Mehrheitsgesellschaft hat die Kultur der orkischen Minderheit übernommen und sieht sich nun selbst als Orkstamm an. Bei den Jiktachkão geht es eine Stufe primitiver zu als bei den anderen (beschriebenen) Orkkuturen. Die Khez- und Keshik-Struktur gibt es nicht, vielmehr zählt die Stamm Gemeinschaft der Blutsverwandten. Es gibt eine Kaste der Krieger, die die Sippen beschützen, aber diese sind eher organisierte Räuber und Erpresser denn Teil eines Stammes. Ihr Pantheon ist eine Kopie des orkischen Pantheons, die Stitten sind barbarisch, im Krieg wird alles niedergemetzelt. Als Initiationsritus müssen die Dreizehnjährigen ihre Orkhauer verdienen, entweder im Zweikampf gegen einen Ork des Stammes oder in Orkjagden. Ein dreizehnjähriger Jugendlicher gegen einen Orkkrieger … Die meisten Hauer sind Tierzähne, werden von den Stämmen ebenso akzeptiert und wecken den Wunsch in den nun Erwachsenen, irgendwann einmal echte Orkhauer zu besitzen. Handwerklich bewegen sich die Jiktachkão auf dem steinzeitlichem Niveau, aber vergleichsweise hoch entwickelt. Bekannt sind sie für ihre Heilkunst, was Schädelöffnungen einschließt, und der Schmuckherstellung. Im kurzen Kapitel zur Magie steht, dass die Schamanen eher gefürchtet werden und als Einsiedler mit ihren Schülern abseits der Sippen leben. Dargestellt werden sollen Held*innen aus der Kultur der Jiktachkão als zielstrebig und ausdauernd. Sie können, wenn sie ein Ziel nicht im ersten Anlauf erreichen, jahrelang auf eine zweite Chance warten und ihre Pläne anpassen.


Nächste Orkkultur sind die Urgashkão (S. 308-315). Das sind DIE Orks Rashazars. Reiterhorden, die mit ihren Viehherden durch den Norden wandern. Hier klingen Irdische Reminiszenzen an sämtlicher Reitervölker aller Zeitalter zwischen Ungarn und Sibirien mit. Die Lebensweise, die Kriegsverbrechen (Schädeltürme), die Lebensgrundlage, die Darstellung: historische Anleihen bei jenen Völkern. Das Khezwesen ist bei diesen Bepelzten am ausgeprägtesten, Frauen fast rechtlos, ähnlich wie bei den aventurischen Orks. Die Urgashkão haben auch die M’reg Cha, die Lederrüstungsteilchen, die in den Pelz des Trägers eingeflochten werden und so eine ganz neue Art persönlicher Rüstung ergeben. Sie sorgen außerdem dafür, dass die Urgashkão selbst im Schlaf gerüstet sind.


Nun zu den Rochkotaii (S. 244 – 254). Wenn man eine Fantasy-Welt kreiert, dann schmeißt man normalerweise weißpelzige Varianten seiner Standardmonster in den Norden, Richtung Ewiges Eis. Ein schöner Hinweis darauf, dass klassische Fantelalter-Fantasy überwiegend von der Nordhalbkugel stammt. Ausnahmen gibt es da wenige, und wo es sie gibt, hausen solche Wesen meist unter der Erde oder in Höhlensystemen wie die weißen Gorillas aus Kongo und die Morloks. Wir haben unsere Weißpelzorks schwerpunktmäßig ins Tal der Klagen gegeben und mit einer reichhaltigen Mythologie ausgestattet (siehe Tobias’ Beitrag zur Götterwelt der Rakshazar-Orks).

Diese religiöse Komponente spaltet die Rochkotaii auch aktuell. Es gibt mit den Warkasii und den Kameshii zwei Stämme unter dem von den anderen Orks verstoßenen Volk. Beide Kulturen werden als eher tierhaft und von ihren Instinkten getrieben beschrieben, die Warkashii noch mehr als die Kameshii. In beiden Kulturen gibt es einen ausgeprägten Schädelkult und Trophäenjagd. Waffen? Steine, Horn, eigene Zähne und Gift. Dies alles wird im Buch der Klingen deutlicher herausgearbeitet. Magie? Absolut verhasst, ebenso wie die Schwarz- und Braunpelze. Die Darstellung der Kultur rundet das Bild vom tierhaften Ork ab. Wenn man als Meister einen “Bösen Ork ™” braucht, hier hat man ihn.

Indiana Jones und die verlorene Orkkultur – Die Artachkão

Im Buch der Helden fehlt noch eine finale Orkkultur: die Artachkão. Zwar sind im ganzen Buch Hinweise auf diese Orks des Artach-Gebirges verstreut, aber als ausgearbeitete Kultur tauchen sie nicht auf. Das liegt am Faktor Zeit: Sie sind einfach nicht rechtzeitig zum Abgabetermin fertiggeworden. Ein Umstand, dem sich Tobias angenommen hat. In der Memoria Myrana Nr. 67 wird eine Ausarbeitung erscheinen.

Orks in Rakshazar – ein Fazit

Die Orks aus Rakshazar sind anderes als ihre aventurischen Vettern. Gut, das Steppenvölkerding taucht auch hier auf, aber das Khez-System ist viel interessanter als die Einteilung in vier Kasten. Mit den Jiktachkão haben wir eine spannende Idee an Bord, eine Kultur, bei der die meisten Angehörigen gerne zu einer andere Spezies gehören würden und deshalb kulturelle Elemente der Orkkulturen übernommen haben. Mit den Brachtão haben wir dann den Ork geschaffen, der auch locker in Kurotan herumspazieren kann, ohne groß als Exot aufzufallen. Und die Weißpelze … Einerseits sind sie natürlich die bösen, tierhaften Orks. Andererseits stellt es eine rollenspielerische Herausforderung dar, eine*n verstoßene*n, tierhafte Helden*in zu spielen.


[1] Das Wort “Rasse” ist hier nur deshalb zu lesen, weil es im DSA4.1-Regelwerk verwendet wird. Da wir bisher noch keine vollständige Konvertierung auf DSA5 vornehmen konnten, basiert Rakshazar nach wie vor auf dem “Buch der Helden”, das nach der DSA4.1-Edition kreiert worden ist. Folglich ist in unserem Basisregelwerk auch noch der Rassebegriff zu finden. In DSA4.1 gab es sogar verschiedene Menschenrassen, etwas, das weder wissenschaftlich noch politisch dem aktuellen irdischen Kenntnisstand entspricht. Entsprechend wurde das Konzept der “Rasse” in DSA5 über Bord geworfen und durch den Begriff der “Spezies” ersetzt, was wir für unsere aktuellen Publikationen natürlich übernommen haben. Nach dem aktuellen DSA5-Regelwerk gibt es nur noch die Spezies Mensch mit einer Liste an Phänotypen.

Rezension: American Gods Staffel 3

Ferien sind was tolles, endlich hat man Zeit, ein paar Serien zu schauen, die man auf dem Radar hatte, aber nie die Zeit fand, sie anzusehen.

Grade sind die letzten Sekunden der 3. Staffel American Gods vorbei, Zeit also, meine unbedeutende Meinung hinaus ins Internet zu plärren.

Ich finde das Buch besser als die Serie, aber… die Serie macht verdammt viel richtig! Der riesige Vorteil einer Serie, die über mehrere Staffeln läuft, ist, dass sie Teilaspekte aufgreifen kann und so interessante Nebenplots schafft, die im Original nicht oder nur zu kurz kamen. Beispiel hierfür ist Laura Moons reise ins Totenreich bzw. ins Fegefeuer. Die Szene im Kinosaal, in dem das Eigene Leben läuft, ist genial. Eine Therapiestunde, in der Laura erfährt, das sie nicht für ihr verkorkstes Leben und das Zerbrechen der Ehe ihrer Eltern verantwortlich ist. Der Wartesaal vor der Ewigkeit mit dem buddhistischen Mönch, der dort seit über 30 Jahren wartet. Das sind wirklich gute Szenen. Ach der Plot um das Peacock Inn, ein LTBQ+ Plot, ist super. Ein Ort, vom Chinesischen Schutzgott der Schwulen in den späten 50gern als Zuflucht und Tempel auserkoren, von einer Transfrau geleitet, Heimat vieler queerer Charaktere. Schutzraum für Salim und die Möglichkeit, sein innerstes zum ersten Mal frei auszuleben. Genial. Werd ich mir als Idee fürs Rollenspiel klauen.

Der Nachteil einer Serie, die über so langen Zeit läuft ist, dass man sich in Subplots verliert und das Wesentliche, das Ziel einer Serie aus den Augen verliert. Game of Thrones ist genau das passiert, sowohl in Buchform (Herr Martins, wir warten immer noch…) als auch in Serienform. Da bekamen wir ein Finale, bei dem verzweifelt versucht wurde, die losen Fäden, die damals ja nicht mal vom Autor selber zum Abschluss gebracht werden konnten, zu einem Ende zu spinnen. Das Ergebnis war dann so schlecht (es war immer noch gut, aber im vergleich zu dem, was es hätte sein können…), das heute eine Art damnatio memoriae über der Serie liegt. Fast wäre American Gods auch in diese Falle getappt, die Serie reißt aber so ab Episode 8 das Ruder um und beginnt tatsächlich, in das Finale einzubiegen. Der schwächste Nebenplot bisher war meiner Meinung nach die Geschichte um Mrs. Heinzelman, einen Plot, den ich im Buch wegen seines unterschwelligen Horrors geliebt habe.

<Insgesamt bin ich aber mit dieser Staffel deutlich zufriedener als mit Staffel 2.

Rezension: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit – Wie haben unsere Vorfahren Politik gemacht und kann ich das im Rollenspiel nützen? 

Diese Rezension hat viele Einstiege. Wie ein Labyrinth winden sie sich auf dieses Buch und den Inhalt zu, teilweise über Jahre, teilweise parallel. 

Dieses Buch ist keine Offenbarung und keine endgültige Wahrheit. Das sind Bücher über Philosophie und Geschichte nie. Vor allem letztere unterliegt einem Wandel, je nachdem wann, mit welchem Bias und welchen Methoden auf sie geschaut wird. 

Das was man von diesem Buch mitnimmt ist eine Lust, es mal anders zu probieren, sich mit Politik auseinanderzusetzen und, wenn man Weltenbauer ist, mal nicht die Monarchie als Default-Politik in seinen Fantasy-Sattings zu verwenden. Denkanstöße. Das ist es, was dieses Buch liefert. 

Wege zum Buch 

Ich bin ein politischer Mensch. Ich kann von mir sagen, dass ich seit meinem 18. Geburtstag an jeder Wahl teilgenommen habe, vom Pfarrgemeinderat bis zur Europawahl. Ich bin CSU-Mitglied (in Bayern fast obligatorisch 😉 ), finde aber viele “linke” Themen interessant und wichtig. Dass ich in Online-Diskussionen schon mal pro Asylrecht, gegen den Klimawandel und für Gleichberechtigung verschiedenster Sexualitäten bin und auch in meinen Texten versuche, einigermaßen konsequent zu gendern, hat mir aber den Ruf eingetragen, dass ich ein Linker sei. Da sich die Linken gerade im Kampf um die linkeste Position zerlegen, wäre ich aus deren Sicht wohl ein Konservativer. Konservativismus heißt für mich: Bewahre, was des Bewahrens wert ist, ändere, was geändert werden muss. Bewarenswert sind für mich die Werte der Demokratie, die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und, ja auch der, der Kapitalismus, am liebsten in der Ausprägung der sozialen Marktwirtschaft. Als Sternstunde der Politik, die ich damals live im Fernsehen verfolgt habe, ist mir die Vermittlung Heiner Geißlers zwischen der Bahn, dem Land Baden-Württemberg und der Stuttgart21 Bewegung im Gedächtnis geblieben.   

Die Vorstellung dieses Buches, die, glaube ich, auf dem Deutschlandfunk lief, fasziniert. Darin wurde von möglichen Alternativen zu patriarchalen Herrschaftsmodellen gesprochen, von archäologischen Entdeckungen und deren Bewertung und deren neue Bewertung und von Abrachie. Kam war ich zuhause, habe ich mir damals die deutsche Übersetzung des Buches vorbestellt. 

Die Geschichte des Buches beginnt aber schon bald 11 Jahre früher, während der Occupy Wallstreet Bewegung. Damals brach sich der Frust und die Wut auf ein korruptes Bankensystem bahn, das genau 3 Jahre zuvor den US-Häusermarkt implodieren ließ, Versicherungen und Banken in den Untergang riss (Stichwort Leman-Pleite) und ab 2010 zu einer Krise verschuldeter Staaten führte (Euro-Kriese. Die haben wir als EU noch relativ gut hinbekommen, wir Deutsche konnten davon sogar überproportional stark profitieren). Die Protestierenden besetzten im September die Wallstreet, ab Oktober gab es Proteste auch in Frankfurt, München London. Wir sind die 99%, das war ihr Schlachtruf, eine Transaktionssteuer und schärfere staatliche Kontrollen des Finanzsektors, das war ihr Ziel. Damals schon liefen Nazis neben Linke, man hatte einen gemeinsamen Feind. 

In diesem Umfeld trafen sich dann David Graeber und Davis Wengrow, der eine Anthropologe, der anderere Archäologe. Und sie begannen, miteinander zu reden und diskutieren. Über Freiheit. Über Macht. Über die Frage, wo unsere Vorfahren falsch abgebogen waren und ob die heute gültigen Herrschafts- und Wirtschaftsformen die einzige Möglichkeit menschlichen Entwickelns waren. 2020 starb dann Graeber überraschend, das Buch ist sozusagen das Vermächtnis und Ergebnis dieser 10 Jahre andauernden Diskussion. 

2019 bin ich über einen interessanten Blogbeitrag gestolpert. Darin ging es um die Darstellung von Anarchie im Rollenspiel. Anhand von anarchistischen, sprich herrschaftslosen Bergvölkern und einem hierarchisch organisiertem Talvolk wurden da einige interessante Aspekte aufgeworfen, die mich, in Bezug auf unser Rakshazar, zum Nachdenken brachten. Wie müsste ein anarchistisches Rollenspielsetting jenseiz von Sprawl und Volksaufstand aussehen? Warum nutzen wir in Rollenspielsettings immer wieder die Monarchie als Default? 

Worum geht es? 

In dem Buch wird ziemlich viel behandelt und, nebenbei, es ist keine leichte Lektüre für die Abendstunden. Das beginnt mit der Frage, ob die Geschichte vor der Geschichte, die Altsteinzeit, eher so war wie es Hopes sich erdachte (also ein steter Kampf jeder gegen jeden) oder eher so wie Rousseaus, für dem das Unglück begann, als der erste ein Stück Land umzäunte und es sein Eigentum nannte. Schon hier stößt der lesende auf einen wichtigen Punkt: Keine der beiden Sichtweisen also weder der Kampf jeder gegen enden, noch das Paradies auf Erden, ist je durch archeologische Funde bestätigt worden. Es gibt aber Funde, die darauf hindeuten, dass weder Hopes noch Rousseaus recht hatten. Die Autoren arbeiten heraus, dass die Menschen immer schon Politik betrieben und verschiedene politische Systeme nutzten, teilweise über Jahrhunderte, ohne stark ausgeprägte Hierarchien. Wichtigster Antrieb schien es immer schon gewesen zu sein, die Souveränität des Einzelnen mit den Bedürfnissen der Gruppe abzugleichen. 

Als Belege und Beispiele für ihre Thesen nutzen sie immer wieder indigene Völker Amerikas. Aus Eurasien werden die Jamnaja-Kultur aus der Ukraine, die Bewohner Göbekil Tepe und Çatalhöyük, die Induskultur und der frühe Ur genannt, in Afrika die Buschmänner, doch das Groh der Kulturen stammen aus Amerika. Ein geschickter Schachzug, denn hier liegen tatsächlich schriftliche Dokumente über deren Politik und Sozialstruktur vor. Zwar meist von weißen Eindringlingen, trotzdem wertvolle, oft einzige Quelle. Und dann geht das Buch in die Vollen. Wir haben: 

  • Spielkönige, deren macht auf eine gewisse Jahreszeit, ein gewisses Ritual oder eine gewisse Reichweite begrenzt ist (Beispiel: Tocobaga aus Florida, die absolute Macht über Leben und Tod hatten, solange man direkt in ihrer Präsenz weite, jedoch schon außerhalb ihres Palastes praktisch machtlos waren und nichts mehr zu melden hatten. 
  • Ältestenräte. Die werden als sehr gerechte Sache dargestellt, schließlich wird jeder mal Alt und erwirbt sich so automatisch einen Sitz im Rat. 
  • Klanstrukturen, die auf Totemtiere basieren. In jeden Stamm gab es Bären, Kojoten oder Adlerklans. Reiste man von seinem Stamm zum Nachbarstamm, kam man beim Klan des eigenen Totems unter, wurde als Teil dieser Familie gesehen, auch wenn man eine andere Sprache sprach. 
  • Stadt(teil)räte, die so lange diskutierten, bis es zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung kam. 
  • Häuptlinge, die bei Vorhaben den Stamm erst durch politische, rhetorisch gut erstellte reden überzeugen musste. 
  • Jäger, die bei der Rückkehr erst mal ausgelacht und verächtlich gemacht wurden, so dass sich ihr Ego nicht aufplustern und über andere erheben konnte. 
  • Besondere Persönlichkeiten die in der Eiszeit mit höchsten Ehren und ihren Besitztümern begraben wurden (meist Körpergeschädigte oder Menschen mit Neurodiversigenz). Dies Wurden zu Lebzeiten geehrt und gefürchtet und sollten auch im Tod eine Verbindung zu den Göttern sein. 
  • Sklavenhaltergesellschaften wie die Kwakiutl in Vancouver, bei denen die hauptaufgabe der Sklaven die Nahrungsbeschaffung war. Die Nahrung wurde dann im Winter vom Häuptling mit vollen Händen an seine freien Untertanen weitergereicht. So sicherte er seine Macht. 

Ebenfalls wird der Mythos der Neolithischen Revolution gründlich zerlegt. Gut, ich wusste schon vorher, dass diese an mehreren Stellen parallel stattfand, im Buch wird aber dargelegt, dass  

  1. die Landwirtschaft nicht immer planvoll, sondern die meiste Zeit als Schwemmlandlandwirtschaft in Überflutungsgebieten geschah. Vorteil: Du musst nur Körner auf den feuchten Boden werfen, der Rest wächst von selber. 
  1. die meiste Zeit das nur Ergänzung zur Jagd und zur Viehzucht war 
  1. Landwirtschaft viele Formen haben kann. Im Buch werden diverse Native American Stämme aus Kalifornien genannt, die Land in Form von Nussbaum-Anbau betrieben und sich explizit gegen andere Formen der Landwirtschaft entschieden. 
  1. Manchmal auch zum Scheitern führte (Bandkeramiker in Deutschland. Das scheint, siedlungsgeschichtlich, alles andere als ein Erfolg gewesen zu sein. Übrigens… die Jäger und Sammlerkulturen des alten Europas lebten wohl am Meer bzw. an Flussmündungen, wo es Fisch, Vögel und Jagdwild sowie nutzbare Pflanzen gab. Das waren keine rumziehenden Steinzeithonks, wie man sie aus Filmen kennt, das waren zumindest Saisonal sesshafte Jäger, die ihr Revier hatten und davon gut leben konnten. 
  2. Jäger und Sammler lebten nicht (nur) in extremen Umwelten (Wüsten, Eismeeren, Steppen) sondern vor allem entlag von Flüssen, in Auen und Deltas, weil es da immer genug Nahrung gab, um sich lange anzusiedeln und von Wildbeuterei sowie etwas Gemüse- oder Getreideanbau zu leben.

Zuletzt werden im Buch noch drei Faktoren herausgearbeitet, mit denen solche anarchischen Herrschaftsformen beschrieben werden können. Souveränität, Geheimwissen und charismatische Führer. Souveränität bedeutet, wie weit ist ein Individuum unabhängig von den Entscheidungen der anderen, wie viel Freiheit besitzt es? Geheimwissen kann fast alles sein, es wird Ritualspezialisten (extremste Ausprägung wären die Priester heutiger organisierter Religionen) weitergegeben, entweder an Auserwählte oder an Initiierte (was das ganze Volk sein kann). Charismatische Führer wären die oben erwähnten Häuptlinge, die nur durch ihr Charisma und ihre rhetorischen Fähigkeiten (oder durch die Fähigkeit, Essen im Überfluss zu verteilen), die Mitglieder eines Stammes zur Arbeit bewegen. Die Faktoren können, müssen aber nicht alle zusammenwirken. 

Was nehme ich fürs Rollenspiel mit? 

Ne ganze Menge! Als wichtigstes vielleicht die Erkenntnis, dass, selbst wenn du ein mittelalterliches Setting bauen willst, es nicht immer die Monarchie sein muss, die ein Volk politisch definiert. Vielleicht wird dein neues Fantasy-Volk von einem Ältestenrat geleitet, der jede Entscheidung erst einmal ausdiskutiert, bis sich alle einig sind und auf einen Kompromiss verständigen. Vielleicht werden die Held*innen selbst Anführer eines Stammes, eines Spielkönigtums, dass nur für ein paar Monate besteht, wenn sich dieser und die Nachbarstämme versammeln, um ein Ritual an einem bestimmten Ort durchzuführen oder um einen Kultplatz zu schaffen. Die Möglichkeiten sind tatsächlich unendlich, wenn man sich einmal von der Idee der Monarchie, ja der Idee von Hierarchie vollständig verabschiedet! 

UPDATE: Hier der Afilliate Link zum Buch „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“