Archiv der Kategorie: Bücher

Bücher, die ich gelesen habe. Für die Links auf Amazon bekomme ich Geld.

Orkmonat August: Orks in Rakshazar – Ein Blick ins Buch der Helden

It’s astounding, time is fleeting
Madness takes its toll
But listen closely
Not for very much longer
I’ve got to keep control
[…]
It’s just a jump to the left
And then a step to the right
Put your hands on your hips
And bring your knees in tight
And it’s the pelvic thrust
That really drives you insa-a-a-a-ane
Let’s do the time warp again
Let’s do the time warp again

Time Warp aus Rocky Horror (Picture) Show



Und so tanzen wir ins Jahr 2011 zurück und greifen uns das Buch der Helden. Last uns mal schauen, was wir darin zu den Orks in Rakshazar finden. Vorweg… das ist noch DSA4.1. In einen der fogenden Blogbeiträge wollen wir die Bepelzten auf DSA5 konvertieren.

Die Rassen[1]: 3x orkig im Geschmack

Als erstes fällt auf, das wir nicht den Ork als Rasse haben, sondern gleich drei davon: Die Braunpelze, die Schwarzpelze und die Weißpelze.

Fangen wir mit den Braunpelzen an. Sie gehören zu den Steppenorks und leben im Süden von deren Hauptverbreitungsgebiet, der Targachisteppe. Sie sind etwas größer und etwas pummliger als ihre Artgenossen, außerdem haben sie etwas längere Zähne. Abgesehen von ihrem braunen Fell zählt zu ihren Besonderheiten, dass die meist als Mehrlinge auf die Welt kommen. Es gibt aber die Möglichkeit einer Einlingsgeburt, dem Morgaii (kostet 2 Generierungspunkte mehr). Der ist deutlich größer (1,80 Schritt bis 2,05 Schritt), stärker und bekommt den automatischen Vorteil Eisern bzw. den automatischen Nachteil Behäbig.

Die Schwarzpelze sind die weiter nördlich lebende Variante des Steppenorks. Sie sind in der Generierung um 1 Punkt günstiger als die Braunpelze und haben einen Punkt Bonus auf GE und KK statt 2 auf KK. Im Übrigen ähneln Schwarz- und Braunpelze einander stark. Riesenorks gibt es unter den Braunpelzen nicht.

Die Weißpelze leben nicht im Ewigen Eis, wie es ihre Fellfarbe vermuten ließe, sondern im Tal der Klagen und nördlich davon bis in die Grenzgebiete zu den Angurianern, denen einige von ihnen sogar angehören. Wie bei den aventurischen Weißpelzen, den Shurachai, stellt ihre Fellfarbe wohl eine Reaktion auf die schwierigen Bedingungen dar, unter denen sie leben, auch wenn manche sie mehr als Fluch alter Götter sehen. Die weitaus meisten Weißpelzorks sind Rochkotaii, die in zwei rivalisierende Fraktionen gespalten sind, die Warkashii und die Kameshii, welche beide dem Namenlosen zuarbeiten. Bei der Generierung kosten diese Orks lediglich die Hälfte der Kosten, die bei den anderen beiden Rassen anfallen. Weißpelze sind gut 0,10 Schritt kleiner als die anderen Orks, die restlichen Vor- und Nachteile sowie Talente sind fast gleich.

Und die Halborks? Ja, die gibt es in Rakshazar, und sie dürften da auch gar nicht so selten sein, wenn man bedenkt, dass wir mit den Legiten sogar eine „Mischligskultur“ haben, eine Kultur also, in der verschiedene Spezies aus verschiedenen Kulturräumen zusammen überleben. Wir haben für Mischlinge aus verschiedenen Rassen eigens Mischlingsregeln gebastelt. In allen Rassen, die Mischlinge haben, sind Generierungsregeln dafür angegeben.

Brachtão, Jiktachkão, Urgashkão und Rochkotaii – Orkkulturen in Rakshazar

Im Buch der Helden haben wir vier Orkkulturen beschrieben. Wobei … eigentlich sind es drei. Die vierte Kultur, die Jiktachkão, sind eigentlich Pseudo-Orks: Menschen, die die Orks imitieren und mit ihnen zusammenleben. Dazu aber später mehr.

Beginnen möchte ich mit den Brachtão (BdH, S. 106 bis 115). Schon im Inspirationstext steht, wohin die Reise bei dieser Kultur gehen soll:
[…] Die Brachtão sind bekannt für ihre Kraft und Ausdauer, wirklich berühmt wurden sie aber durch ihre Geschäftstüchtigkeit
(Quelle: BdH S. 106). Das sind also die Händlerorks, die halbnomadisch südlich des Artach-Gebirges leben. Im Kapitel “Lebensweise” wird auch auf die amivalente Stellung der Frau innerhalb der Gemeinschaft eingegangen. Frauen können Besitz erwerben und Reichtum erlangen und, um den Kriegerkez größer erscheinen zu lassen, in der Schlachtenordnung auftauchen. Ansonsten werden aber genauso schlecht wie jeder andere behandelt. Die Brachtão werden als brutale Sklavenhalter dargestellt. Bei der Feldarbeit setzen sie Sklaven ein, eine Eigenart, die sie erst vor kurzem übernommen haben und im kleinen Stil praktizieren. Im Infokasten am Ende des Kapitels wird das System Khez (nicht auf Verwandtschaftsbeziehungen beruhender Clan) und Keshik (Dorfgemeinschaft) erklärt. Ich hab ja Anfang des Jahres das Buch “Anfänge – Eine neue Geschichte der Menschheit” gelesen. Ein Buch, das eigentlich ein Plädoyer für anarchistische Formen des Zusammenlebens ist. Darin wird das Totem-System der Native Americans erklärt, und ich musst dabei unweigerlich an das System unserer Orks hier denken. Totem / Khez als Idenifikation, gleiches Totem / Khez in mehreren Stämmen, Aufnahme bei seinem Totem / Khez, wenn man von einem Stamm / Keshik in ein anderes wechselt …

Zum Thema Glauben und Weltsicht hat ja Tobias schon viel geschrieben. Interessant an dem Kapitel ist, dass Schamanen gegen eine Gebühr ihre Kräfte und ihr Wissen auch an Fremde weitergeben.
Die Sitten und Gebräche der Brachtão sind … gewöhnungsbedürftig. Gastrecht gilt nur beim Essen. Keiner verlässt das Essen ohne zumindest ein kleines Geschäftchen. Die Jugend wird von den einzelnen Khez ersteigert. Eine besondere Ausbildung findet in den Kriegerkhez statt. Die Braunpelzorks betreiben Handwerk, vor allem Schmiede- bzw. Gießkunst. Ihre Erzeugnisse sind begehte Handelsgüter. Schmuckherstellung ist aber nicht so das Ding der Brachtão. Das Kapitel Tracht und Bewaffnung ist, zugegeben, nicht gerade einfallsreich: Man trägt Kriegshammer, Säbel und Lederkilt, dazu einen Helm und Brustgurte. Also typisch Fantasy-Barbaren.

Im Kapitel Magie wird as, was in Lebensweise von den Schamanen gesagt wurde, erneut aufgegriffen und sie als Spezialisierte Handwerker, jedoch nicht als eigenen Kez beschrieben.
Die Kapitel zur Darstellung, den Namen und der Sicht auf andere Völker runden den Eintrag ab. Interessant finde ich den Text zur Darstellung, in dem explizit darauf hingewiesen wird, die Brachtão als geldgierige kleine Wichser darzustellen, sondern eher als Barbaren, die zivilisationserfahren sind (man hat ja Handelskontakte mit anderen Völkern), denen Mut, Loyalität und Ehre viel zählen und die trotzdem wissen, dass am Ende nur der Profit zählt. Interessantes Spannungsfeld, meiner Meinung nach.


Alphabetisch geht es dann mit den Jiktachkão (S. 170 – 177 ) weiter. Diese Kultur ist ein weiteres Beispiel für kulturelle Vermischung – böse Zungen würden wahrscheinlich von “Kultureller Aneignung” sprechen – in Rakshazar. Die Mehrheitsgesellschaft hat die Kultur der orkischen Minderheit übernommen und sieht sich nun selbst als Orkstamm an. Bei den Jiktachkão geht es eine Stufe primitiver zu als bei den anderen (beschriebenen) Orkkuturen. Die Khez- und Keshik-Struktur gibt es nicht, vielmehr zählt die Stamm Gemeinschaft der Blutsverwandten. Es gibt eine Kaste der Krieger, die die Sippen beschützen, aber diese sind eher organisierte Räuber und Erpresser denn Teil eines Stammes. Ihr Pantheon ist eine Kopie des orkischen Pantheons, die Stitten sind barbarisch, im Krieg wird alles niedergemetzelt. Als Initiationsritus müssen die Dreizehnjährigen ihre Orkhauer verdienen, entweder im Zweikampf gegen einen Ork des Stammes oder in Orkjagden. Ein dreizehnjähriger Jugendlicher gegen einen Orkkrieger … Die meisten Hauer sind Tierzähne, werden von den Stämmen ebenso akzeptiert und wecken den Wunsch in den nun Erwachsenen, irgendwann einmal echte Orkhauer zu besitzen. Handwerklich bewegen sich die Jiktachkão auf dem steinzeitlichem Niveau, aber vergleichsweise hoch entwickelt. Bekannt sind sie für ihre Heilkunst, was Schädelöffnungen einschließt, und der Schmuckherstellung. Im kurzen Kapitel zur Magie steht, dass die Schamanen eher gefürchtet werden und als Einsiedler mit ihren Schülern abseits der Sippen leben. Dargestellt werden sollen Held*innen aus der Kultur der Jiktachkão als zielstrebig und ausdauernd. Sie können, wenn sie ein Ziel nicht im ersten Anlauf erreichen, jahrelang auf eine zweite Chance warten und ihre Pläne anpassen.


Nächste Orkkultur sind die Urgashkão (S. 308-315). Das sind DIE Orks Rashazars. Reiterhorden, die mit ihren Viehherden durch den Norden wandern. Hier klingen Irdische Reminiszenzen an sämtlicher Reitervölker aller Zeitalter zwischen Ungarn und Sibirien mit. Die Lebensweise, die Kriegsverbrechen (Schädeltürme), die Lebensgrundlage, die Darstellung: historische Anleihen bei jenen Völkern. Das Khezwesen ist bei diesen Bepelzten am ausgeprägtesten, Frauen fast rechtlos, ähnlich wie bei den aventurischen Orks. Die Urgashkão haben auch die M’reg Cha, die Lederrüstungsteilchen, die in den Pelz des Trägers eingeflochten werden und so eine ganz neue Art persönlicher Rüstung ergeben. Sie sorgen außerdem dafür, dass die Urgashkão selbst im Schlaf gerüstet sind.


Nun zu den Rochkotaii (S. 244 – 254). Wenn man eine Fantasy-Welt kreiert, dann schmeißt man normalerweise weißpelzige Varianten seiner Standardmonster in den Norden, Richtung Ewiges Eis. Ein schöner Hinweis darauf, dass klassische Fantelalter-Fantasy überwiegend von der Nordhalbkugel stammt. Ausnahmen gibt es da wenige, und wo es sie gibt, hausen solche Wesen meist unter der Erde oder in Höhlensystemen wie die weißen Gorillas aus Kongo und die Morloks. Wir haben unsere Weißpelzorks schwerpunktmäßig ins Tal der Klagen gegeben und mit einer reichhaltigen Mythologie ausgestattet (siehe Tobias’ Beitrag zur Götterwelt der Rakshazar-Orks).

Diese religiöse Komponente spaltet die Rochkotaii auch aktuell. Es gibt mit den Warkasii und den Kameshii zwei Stämme unter dem von den anderen Orks verstoßenen Volk. Beide Kulturen werden als eher tierhaft und von ihren Instinkten getrieben beschrieben, die Warkashii noch mehr als die Kameshii. In beiden Kulturen gibt es einen ausgeprägten Schädelkult und Trophäenjagd. Waffen? Steine, Horn, eigene Zähne und Gift. Dies alles wird im Buch der Klingen deutlicher herausgearbeitet. Magie? Absolut verhasst, ebenso wie die Schwarz- und Braunpelze. Die Darstellung der Kultur rundet das Bild vom tierhaften Ork ab. Wenn man als Meister einen “Bösen Ork ™” braucht, hier hat man ihn.

Indiana Jones und die verlorene Orkkultur – Die Artachkão

Im Buch der Helden fehlt noch eine finale Orkkultur: die Artachkão. Zwar sind im ganzen Buch Hinweise auf diese Orks des Artach-Gebirges verstreut, aber als ausgearbeitete Kultur tauchen sie nicht auf. Das liegt am Faktor Zeit: Sie sind einfach nicht rechtzeitig zum Abgabetermin fertiggeworden. Ein Umstand, dem sich Tobias angenommen hat. In der Memoria Myrana Nr. 67 wird eine Ausarbeitung erscheinen.

Orks in Rakshazar – ein Fazit

Die Orks aus Rakshazar sind anderes als ihre aventurischen Vettern. Gut, das Steppenvölkerding taucht auch hier auf, aber das Khez-System ist viel interessanter als die Einteilung in vier Kasten. Mit den Jiktachkão haben wir eine spannende Idee an Bord, eine Kultur, bei der die meisten Angehörigen gerne zu einer andere Spezies gehören würden und deshalb kulturelle Elemente der Orkkulturen übernommen haben. Mit den Brachtão haben wir dann den Ork geschaffen, der auch locker in Kurotan herumspazieren kann, ohne groß als Exot aufzufallen. Und die Weißpelze … Einerseits sind sie natürlich die bösen, tierhaften Orks. Andererseits stellt es eine rollenspielerische Herausforderung dar, eine*n verstoßene*n, tierhafte Helden*in zu spielen.


[1] Das Wort “Rasse” ist hier nur deshalb zu lesen, weil es im DSA4.1-Regelwerk verwendet wird. Da wir bisher noch keine vollständige Konvertierung auf DSA5 vornehmen konnten, basiert Rakshazar nach wie vor auf dem “Buch der Helden”, das nach der DSA4.1-Edition kreiert worden ist. Folglich ist in unserem Basisregelwerk auch noch der Rassebegriff zu finden. In DSA4.1 gab es sogar verschiedene Menschenrassen, etwas, das weder wissenschaftlich noch politisch dem aktuellen irdischen Kenntnisstand entspricht. Entsprechend wurde das Konzept der “Rasse” in DSA5 über Bord geworfen und durch den Begriff der “Spezies” ersetzt, was wir für unsere aktuellen Publikationen natürlich übernommen haben. Nach dem aktuellen DSA5-Regelwerk gibt es nur noch die Spezies Mensch mit einer Liste an Phänotypen.

Rezension: American Gods Staffel 3

Ferien sind was tolles, endlich hat man Zeit, ein paar Serien zu schauen, die man auf dem Radar hatte, aber nie die Zeit fand, sie anzusehen.

Grade sind die letzten Sekunden der 3. Staffel American Gods vorbei, Zeit also, meine unbedeutende Meinung hinaus ins Internet zu plärren.

Ich finde das Buch besser als die Serie, aber… die Serie macht verdammt viel richtig! Der riesige Vorteil einer Serie, die über mehrere Staffeln läuft, ist, dass sie Teilaspekte aufgreifen kann und so interessante Nebenplots schafft, die im Original nicht oder nur zu kurz kamen. Beispiel hierfür ist Laura Moons reise ins Totenreich bzw. ins Fegefeuer. Die Szene im Kinosaal, in dem das Eigene Leben läuft, ist genial. Eine Therapiestunde, in der Laura erfährt, das sie nicht für ihr verkorkstes Leben und das Zerbrechen der Ehe ihrer Eltern verantwortlich ist. Der Wartesaal vor der Ewigkeit mit dem buddhistischen Mönch, der dort seit über 30 Jahren wartet. Das sind wirklich gute Szenen. Ach der Plot um das Peacock Inn, ein LTBQ+ Plot, ist super. Ein Ort, vom Chinesischen Schutzgott der Schwulen in den späten 50gern als Zuflucht und Tempel auserkoren, von einer Transfrau geleitet, Heimat vieler queerer Charaktere. Schutzraum für Salim und die Möglichkeit, sein innerstes zum ersten Mal frei auszuleben. Genial. Werd ich mir als Idee fürs Rollenspiel klauen.

Der Nachteil einer Serie, die über so langen Zeit läuft ist, dass man sich in Subplots verliert und das Wesentliche, das Ziel einer Serie aus den Augen verliert. Game of Thrones ist genau das passiert, sowohl in Buchform (Herr Martins, wir warten immer noch…) als auch in Serienform. Da bekamen wir ein Finale, bei dem verzweifelt versucht wurde, die losen Fäden, die damals ja nicht mal vom Autor selber zum Abschluss gebracht werden konnten, zu einem Ende zu spinnen. Das Ergebnis war dann so schlecht (es war immer noch gut, aber im vergleich zu dem, was es hätte sein können…), das heute eine Art damnatio memoriae über der Serie liegt. Fast wäre American Gods auch in diese Falle getappt, die Serie reißt aber so ab Episode 8 das Ruder um und beginnt tatsächlich, in das Finale einzubiegen. Der schwächste Nebenplot bisher war meiner Meinung nach die Geschichte um Mrs. Heinzelman, einen Plot, den ich im Buch wegen seines unterschwelligen Horrors geliebt habe.

<Insgesamt bin ich aber mit dieser Staffel deutlich zufriedener als mit Staffel 2.

Rezension: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit – Wie haben unsere Vorfahren Politik gemacht und kann ich das im Rollenspiel nützen? 

Diese Rezension hat viele Einstiege. Wie ein Labyrinth winden sie sich auf dieses Buch und den Inhalt zu, teilweise über Jahre, teilweise parallel. 

Dieses Buch ist keine Offenbarung und keine endgültige Wahrheit. Das sind Bücher über Philosophie und Geschichte nie. Vor allem letztere unterliegt einem Wandel, je nachdem wann, mit welchem Bias und welchen Methoden auf sie geschaut wird. 

Das was man von diesem Buch mitnimmt ist eine Lust, es mal anders zu probieren, sich mit Politik auseinanderzusetzen und, wenn man Weltenbauer ist, mal nicht die Monarchie als Default-Politik in seinen Fantasy-Sattings zu verwenden. Denkanstöße. Das ist es, was dieses Buch liefert. 

Wege zum Buch 

Ich bin ein politischer Mensch. Ich kann von mir sagen, dass ich seit meinem 18. Geburtstag an jeder Wahl teilgenommen habe, vom Pfarrgemeinderat bis zur Europawahl. Ich bin CSU-Mitglied (in Bayern fast obligatorisch 😉 ), finde aber viele “linke” Themen interessant und wichtig. Dass ich in Online-Diskussionen schon mal pro Asylrecht, gegen den Klimawandel und für Gleichberechtigung verschiedenster Sexualitäten bin und auch in meinen Texten versuche, einigermaßen konsequent zu gendern, hat mir aber den Ruf eingetragen, dass ich ein Linker sei. Da sich die Linken gerade im Kampf um die linkeste Position zerlegen, wäre ich aus deren Sicht wohl ein Konservativer. Konservativismus heißt für mich: Bewahre, was des Bewahrens wert ist, ändere, was geändert werden muss. Bewarenswert sind für mich die Werte der Demokratie, die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und, ja auch der, der Kapitalismus, am liebsten in der Ausprägung der sozialen Marktwirtschaft. Als Sternstunde der Politik, die ich damals live im Fernsehen verfolgt habe, ist mir die Vermittlung Heiner Geißlers zwischen der Bahn, dem Land Baden-Württemberg und der Stuttgart21 Bewegung im Gedächtnis geblieben.   

Die Vorstellung dieses Buches, die, glaube ich, auf dem Deutschlandfunk lief, fasziniert. Darin wurde von möglichen Alternativen zu patriarchalen Herrschaftsmodellen gesprochen, von archäologischen Entdeckungen und deren Bewertung und deren neue Bewertung und von Abrachie. Kam war ich zuhause, habe ich mir damals die deutsche Übersetzung des Buches vorbestellt. 

Die Geschichte des Buches beginnt aber schon bald 11 Jahre früher, während der Occupy Wallstreet Bewegung. Damals brach sich der Frust und die Wut auf ein korruptes Bankensystem bahn, das genau 3 Jahre zuvor den US-Häusermarkt implodieren ließ, Versicherungen und Banken in den Untergang riss (Stichwort Leman-Pleite) und ab 2010 zu einer Krise verschuldeter Staaten führte (Euro-Kriese. Die haben wir als EU noch relativ gut hinbekommen, wir Deutsche konnten davon sogar überproportional stark profitieren). Die Protestierenden besetzten im September die Wallstreet, ab Oktober gab es Proteste auch in Frankfurt, München London. Wir sind die 99%, das war ihr Schlachtruf, eine Transaktionssteuer und schärfere staatliche Kontrollen des Finanzsektors, das war ihr Ziel. Damals schon liefen Nazis neben Linke, man hatte einen gemeinsamen Feind. 

In diesem Umfeld trafen sich dann David Graeber und Davis Wengrow, der eine Anthropologe, der anderere Archäologe. Und sie begannen, miteinander zu reden und diskutieren. Über Freiheit. Über Macht. Über die Frage, wo unsere Vorfahren falsch abgebogen waren und ob die heute gültigen Herrschafts- und Wirtschaftsformen die einzige Möglichkeit menschlichen Entwickelns waren. 2020 starb dann Graeber überraschend, das Buch ist sozusagen das Vermächtnis und Ergebnis dieser 10 Jahre andauernden Diskussion. 

2019 bin ich über einen interessanten Blogbeitrag gestolpert. Darin ging es um die Darstellung von Anarchie im Rollenspiel. Anhand von anarchistischen, sprich herrschaftslosen Bergvölkern und einem hierarchisch organisiertem Talvolk wurden da einige interessante Aspekte aufgeworfen, die mich, in Bezug auf unser Rakshazar, zum Nachdenken brachten. Wie müsste ein anarchistisches Rollenspielsetting jenseiz von Sprawl und Volksaufstand aussehen? Warum nutzen wir in Rollenspielsettings immer wieder die Monarchie als Default? 

Worum geht es? 

In dem Buch wird ziemlich viel behandelt und, nebenbei, es ist keine leichte Lektüre für die Abendstunden. Das beginnt mit der Frage, ob die Geschichte vor der Geschichte, die Altsteinzeit, eher so war wie es Hopes sich erdachte (also ein steter Kampf jeder gegen jeden) oder eher so wie Rousseaus, für dem das Unglück begann, als der erste ein Stück Land umzäunte und es sein Eigentum nannte. Schon hier stößt der lesende auf einen wichtigen Punkt: Keine der beiden Sichtweisen also weder der Kampf jeder gegen enden, noch das Paradies auf Erden, ist je durch archeologische Funde bestätigt worden. Es gibt aber Funde, die darauf hindeuten, dass weder Hopes noch Rousseaus recht hatten. Die Autoren arbeiten heraus, dass die Menschen immer schon Politik betrieben und verschiedene politische Systeme nutzten, teilweise über Jahrhunderte, ohne stark ausgeprägte Hierarchien. Wichtigster Antrieb schien es immer schon gewesen zu sein, die Souveränität des Einzelnen mit den Bedürfnissen der Gruppe abzugleichen. 

Als Belege und Beispiele für ihre Thesen nutzen sie immer wieder indigene Völker Amerikas. Aus Eurasien werden die Jamnaja-Kultur aus der Ukraine, die Bewohner Göbekil Tepe und Çatalhöyük, die Induskultur und der frühe Ur genannt, in Afrika die Buschmänner, doch das Groh der Kulturen stammen aus Amerika. Ein geschickter Schachzug, denn hier liegen tatsächlich schriftliche Dokumente über deren Politik und Sozialstruktur vor. Zwar meist von weißen Eindringlingen, trotzdem wertvolle, oft einzige Quelle. Und dann geht das Buch in die Vollen. Wir haben: 

  • Spielkönige, deren macht auf eine gewisse Jahreszeit, ein gewisses Ritual oder eine gewisse Reichweite begrenzt ist (Beispiel: Tocobaga aus Florida, die absolute Macht über Leben und Tod hatten, solange man direkt in ihrer Präsenz weite, jedoch schon außerhalb ihres Palastes praktisch machtlos waren und nichts mehr zu melden hatten. 
  • Ältestenräte. Die werden als sehr gerechte Sache dargestellt, schließlich wird jeder mal Alt und erwirbt sich so automatisch einen Sitz im Rat. 
  • Klanstrukturen, die auf Totemtiere basieren. In jeden Stamm gab es Bären, Kojoten oder Adlerklans. Reiste man von seinem Stamm zum Nachbarstamm, kam man beim Klan des eigenen Totems unter, wurde als Teil dieser Familie gesehen, auch wenn man eine andere Sprache sprach. 
  • Stadt(teil)räte, die so lange diskutierten, bis es zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung kam. 
  • Häuptlinge, die bei Vorhaben den Stamm erst durch politische, rhetorisch gut erstellte reden überzeugen musste. 
  • Jäger, die bei der Rückkehr erst mal ausgelacht und verächtlich gemacht wurden, so dass sich ihr Ego nicht aufplustern und über andere erheben konnte. 
  • Besondere Persönlichkeiten die in der Eiszeit mit höchsten Ehren und ihren Besitztümern begraben wurden (meist Körpergeschädigte oder Menschen mit Neurodiversigenz). Dies Wurden zu Lebzeiten geehrt und gefürchtet und sollten auch im Tod eine Verbindung zu den Göttern sein. 
  • Sklavenhaltergesellschaften wie die Kwakiutl in Vancouver, bei denen die hauptaufgabe der Sklaven die Nahrungsbeschaffung war. Die Nahrung wurde dann im Winter vom Häuptling mit vollen Händen an seine freien Untertanen weitergereicht. So sicherte er seine Macht. 

Ebenfalls wird der Mythos der Neolithischen Revolution gründlich zerlegt. Gut, ich wusste schon vorher, dass diese an mehreren Stellen parallel stattfand, im Buch wird aber dargelegt, dass  

  1. die Landwirtschaft nicht immer planvoll, sondern die meiste Zeit als Schwemmlandlandwirtschaft in Überflutungsgebieten geschah. Vorteil: Du musst nur Körner auf den feuchten Boden werfen, der Rest wächst von selber. 
  1. die meiste Zeit das nur Ergänzung zur Jagd und zur Viehzucht war 
  1. Landwirtschaft viele Formen haben kann. Im Buch werden diverse Native American Stämme aus Kalifornien genannt, die Land in Form von Nussbaum-Anbau betrieben und sich explizit gegen andere Formen der Landwirtschaft entschieden. 
  1. Manchmal auch zum Scheitern führte (Bandkeramiker in Deutschland. Das scheint, siedlungsgeschichtlich, alles andere als ein Erfolg gewesen zu sein. Übrigens… die Jäger und Sammlerkulturen des alten Europas lebten wohl am Meer bzw. an Flussmündungen, wo es Fisch, Vögel und Jagdwild sowie nutzbare Pflanzen gab. Das waren keine rumziehenden Steinzeithonks, wie man sie aus Filmen kennt, das waren zumindest Saisonal sesshafte Jäger, die ihr Revier hatten und davon gut leben konnten. 
  2. Jäger und Sammler lebten nicht (nur) in extremen Umwelten (Wüsten, Eismeeren, Steppen) sondern vor allem entlag von Flüssen, in Auen und Deltas, weil es da immer genug Nahrung gab, um sich lange anzusiedeln und von Wildbeuterei sowie etwas Gemüse- oder Getreideanbau zu leben.

Zuletzt werden im Buch noch drei Faktoren herausgearbeitet, mit denen solche anarchischen Herrschaftsformen beschrieben werden können. Souveränität, Geheimwissen und charismatische Führer. Souveränität bedeutet, wie weit ist ein Individuum unabhängig von den Entscheidungen der anderen, wie viel Freiheit besitzt es? Geheimwissen kann fast alles sein, es wird Ritualspezialisten (extremste Ausprägung wären die Priester heutiger organisierter Religionen) weitergegeben, entweder an Auserwählte oder an Initiierte (was das ganze Volk sein kann). Charismatische Führer wären die oben erwähnten Häuptlinge, die nur durch ihr Charisma und ihre rhetorischen Fähigkeiten (oder durch die Fähigkeit, Essen im Überfluss zu verteilen), die Mitglieder eines Stammes zur Arbeit bewegen. Die Faktoren können, müssen aber nicht alle zusammenwirken. 

Was nehme ich fürs Rollenspiel mit? 

Ne ganze Menge! Als wichtigstes vielleicht die Erkenntnis, dass, selbst wenn du ein mittelalterliches Setting bauen willst, es nicht immer die Monarchie sein muss, die ein Volk politisch definiert. Vielleicht wird dein neues Fantasy-Volk von einem Ältestenrat geleitet, der jede Entscheidung erst einmal ausdiskutiert, bis sich alle einig sind und auf einen Kompromiss verständigen. Vielleicht werden die Held*innen selbst Anführer eines Stammes, eines Spielkönigtums, dass nur für ein paar Monate besteht, wenn sich dieser und die Nachbarstämme versammeln, um ein Ritual an einem bestimmten Ort durchzuführen oder um einen Kultplatz zu schaffen. Die Möglichkeiten sind tatsächlich unendlich, wenn man sich einmal von der Idee der Monarchie, ja der Idee von Hierarchie vollständig verabschiedet! 

UPDATE: Hier der Afilliate Link zum Buch „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“

Rezension: Iron Widow – Ein feministischer Sci Fi- Befreiungsroman 

Ich hab mir wieder mal ein Hörbuch geleistet. Iron Widow (Achtung, Affinity Link) von Xiran Jay Zhao. Wow, was für ein Buch! Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, bei dem die Protagonistin so gezielt und kaltblütig auf Rachefeldzug geht (und das Ziel eben jenes Rachefeldzugs bald darauf auch killt) und sich dann so konsequent von allen gesellschaftlichen Zwängen befreit. Das Buch ist ein feministischer Aufschrei, eine Selbstermächtigung, eine Befreiung… und coole Sci Fi Literatur. 

Aber erst mal von vorn: Xiran Jay Zhao? Wer ist denn das? Eine Youtuberin. So bin zumindest ich auf die junge Chinesin, die in Kanada lebt, gestoßen. Ihr Kanal beschäftigt sich mit chinesischen (und anderen asiatischen) Einflüssen in diversen Filmen, so hat sie unter anderem die Mulan-Filme analysiert und Avatar auseinandergenommen. Auch über die chinesische Küche in amerikanischen China-Restaurants hat sie eine ungewohnt frische, interessante Meinung, die ich so noch nirgends gelesen habe. Toll sind auch ihre Kostüme, mit denen sie vor der Kamera auftritt. Xiran Jay Zhao hat nun zwei Romane geschrieben, wobei der jüngere nun dieses Jahr herausgekommen ist, der ältere nächstes Jahr folgen soll. 

Worum geht es nun in Iron Widow? Es geht um Wu Zetian, eine junge Frau Anfang 20, die in einer unfairen, patriarchalen Welt lebt und dort Rache will für den Tod ihrer älteren Schwester. Dass die Protagonistin so heißt wie eine erfolgreiche Kaiserin aus dem späten 6. Jhdt. ist kein Zufall, die Geschichte soll eine Neuinterpretation der Lebensgeschichte eben jener Kaiserin werden, mit Mechs und Aliens. 

Wu Zetian lebt in einer Welt, in der Frauen nur als Jungfrauen etwas wert sind. Nur können sie gegen ein stattliches Geld an die Armee, die Götter oder einen Bräutigam verkauft werden. Mit diesem Geld sollen dann die Söhne wiederum ihre Bräute kaufen können… ein Teufelskreis. Mädchen, die außerhalb der Ehe Sex haben (oder vergewaltigt werden) landen als Schande der Familie in einem Eisernen Schweinekäfig, der dann im nächsten Fluss versenkt wird. 

Wu Zetian lebt auch in einer Welt, in der Lotusfüße als Schönheitsideal gelten. Im Buch behindern die gebrochenen, verkrüppelten Füße die Protagonistin immer wieder und müssen auch täglich versorgt werden, um Entzündungen und Nekrosen zu verhindern.  

Wu Zetian lebt in einer chinesischen Welt. Alle Namen der Protagonisten, alle Fachwörter sind chinesisch. Die Kultur der Menschen ist chinesisch, das Denken… Im Roman spielen die Elemente-Lehre (also die 5 chinesischen, Erde, Wasser, Feuer Holz und Metall), Ying und Yang sowie Chi eine wichtige Rolle. 

Wu Zetian lebt in einer Postapokalypse. Die Erde wurde von den außerirdischen Hundun überrannt. Hunduns sind wesen ohne feste Form, aber mit einem besonderen Panzer aus Spirit Metall, einem mystischen Material, dessen Aussehen durch das Chin einer Person beeinflusst wird und aus dem auch die Mechs, im Buch Chrisalises genannt, bestehen. Von unserer Technik ist nicht mehr viel übrig. Es gibt Tablets und Hovercrafts, Kameradrohnen und Fernsehen, aber das meiste ging in der Invasion verloren. Eine Mauer schirmt das fiktive Zukunfts-China vor den Hundun ab, ähnlich der Chinesischen Mauer, die China vor den Mongolen (und anderen Reitervölkern) schützen sollten. Und an den Wachtürmen stehen eben jene Chrisalise, die von einem Paar, einem Piloten und seiner Konkubine, gelenkt werden und die Welt der Menschen schützen. 

Konkubine ist hier ein schönes Wort, potentielles Menschenopfer (Mädchenopfer an die Götter werden im Buch ebenfalls angedeutet) ist aber ein viel passenderes. Sobald ein Mädchen an die Armee verkauft wird, ist es so gut wie tot. Denn um die Mechs zu steuern benötigen beide Piloten ihr Chi. Solange beide gleich viel Chi einsetzen, ist alles gut, beide bleiben am Leben. Setzt ein Pilot mehr Chi ein, als der andere je aufbringen kann, dann quetscht er dessen Geist aus den Körper und tötet ihn. Dreimal dürft ihr raten, wer in den Mechs derjenige mit dem geringeren Chi ist… genau. Hinzu kommt, dass die Konkubinen ihren männlichen Kollegen sexuell zu Diensten sein müssen… eine scheußliche Welt, wenn man weiblich ist. 

Der Roman beginnt damit, wie sich Wu Zetian darauf vorbereitet, zur Armee zu gehen. Allerdings nicht, um ein Menschenopfer zu werden, sondern den Piloten zu töten, der ihre ältere Schwester auf dem Gewissen hat (die nicht in einer Schlacht fiel, sondern so erschlagen wurde, was dazu führte, dass Wu Zetians Familie keine Rente bekam und ihre Schwester in Familiengesprächen nicht wieder erwähnt wird. Sie ist gestorben… zum zweiten Mal). Diesen Racheplan setzt sie dann auch um, mit einer Gradlinigkeit, die ich so noch nirgends gelesen habe. Sogar ihren Freund und Liebsten (aber nicht Liebhaber, Schweinekäfig, ihr wisst ja) verlässt sie dafür. Sie nimmt auch in Kauf, dass bei einem Erfolg wohl ihre ganze Familie (ein wunderbar gestörtes Verhältnis. Psychologen, die mit Familienaufstellungen arbeiten, hätten ihre Freude dran) ausgelöscht wird. Der Mörder ihrer Schwester muss sterben. 

Das geling ihr auch auf die spektakulärste mögliche Art und Weise. Als Strafe wird sie indirekt zum Tode verurteit, sie soll die neue Konkubine des Iron Demon werden, dessen Pilot, ein Vater- und Brudermörder,bisher jede Konkubine vernichtet hat. Auch diesen ersten Flug übersteht sie, überlebt, begegnet ihrem Jugendfreund wieder und muss sich in einer Welt behaupten, die sich vor Iron Widows, Pilotenmördern, furchet. 

Wie gesagt, meiner Meinung nach ist das Hörbuch ist großartig. Die Geschichte um Wu Zetian entfaltet eine Wucht, der man sich nicht entziehen kann und die chinesische Kultur, die immer wieder aufblitzt, gibt dem ganzen noch einen ganz speziellen Drive. Augenöffner sind die Szenen, in denen Wu Zetian erkennt, dass das männliche Gegenüber sie mit ihren Schamgefühlen unterjochen möchte, sie aber weiß, dass Scham ein gesellschaftliches Konstrukt ist und sie, durch ihre Taten, sowieso als schamlose, böse, monsterhafte Person, als neunschwänzige Füchsin (hier nicht in der uns bekannteren japanischen, lüsternen, tricksterhaften Kitsune-Versinon sondern der chinesischen Originalversion, die viel monsterhafter, dunkler daherkommt), wahrgenommen wird. In diesen Momenten gewinnt die Protagonistin eine ungeahnte Tiefe und Macht. Zu stark, um sie einfach zu töten, zu unkontrolliert, um sie am Leben zu lassen… einfach genial mächtig.  Achja… ich hab mir das Hörbuch von meinem eigenen Geld gekauft, weil ich Xiran Jay Zhao gut finde. Ich kriege kein Belegexemplar, noch irgend eine Bezahlung für diese Rezension.

Rezension: Anarchie Déco – Magie, Anarchisten, Nazis und Architektur

Nein, für diese Rezension bekomme ich kein Geld, keine Belegexemplare oder sonstige Vergütung. Das Buch hab ich mir selber gekauft und ich rezensiere, weil ich den Inhalt für das Hobby Rollenspiel und Fantastik interessant finde. Ich habe keine gewerbliche Absicht und verdiene kein Geld mit Links, die ich hier setzte.

Wenn eine bestimmte Serie im Buch und Videomarkt groß und erfolgreich geworden ist, dann wird diese oft als Referenz für alles andere, was auch nur entfernt in die Richtung geht, genommen. Bie Anarchie Déco von den Vögten ist dies bei amazon, googlebooks und ihren Fischerverlag passiert. Die werben mit “Babylon Berlin mit Magie” für dieses Buch und werden weder dem Einen (also der Gereon Rath Krimireihe und der daraus entstandenen Serie) noch dem Anderen (Anarchie Déco) gerecht. 

Die Bühne ist die gleiche: Berlin in den 20gern, bei Anarchie Déco genau im Jahr 1928. Auch einige Personen tauchen hüben wie drüben auf, etwa der Buddha. Die Polizei spielt in beiden eine Rolle, in Anarchie Déco sind die Hauptpersonen aber nur wissenschaftliche Berater der Polizei. Dat wars aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Denn Anarchie Déco ist weniger Krimi als Urban Fantasy. Es geht weniger um den Fall und die Zusammenhänge als um die Magie, die in die Welt drängt. Es geht um Feminismus. Es geht um Transsexualität. Es geht um Wissenschaft und Kunst. 

Achtung, Spoiler! 

Das Buch beginnt damit, dass die Protagonistin, die Halbägypterin und Physikerin Nike, 1927 auf der Solvay-Konferenz den anwesenden Herren Heisenbergs Magie vorstellt (der natürlich nicht selbst auf der Bühne ist, sondern aus dem Zuschauerraum kommentiert. Sollte es schiefgehen, hat er sich nicht lächerlich gemacht). Der zentrale Konflikt des Buches ist, dass die Magie nicht im akademischen Umfeld bleibt, sondern schon ziemlich bald hinaussuppt in die Großstadt. Hinein in die Hände von Nazis und verrückten Architekten, hinein in die Varietés der Stadt. Am sympathischsten sind mir da noch die Anarchisten, die, sobald sie verstanden haben, wie das mit der Magie funktioniert, diese per Flugblätter unters Volk bringen wollen. 

Die Regeln der Magie sind es, die das Buch auch interessant macht, vor allem für Rollenspieler, die mal ein neues, unverbrauchtes Magiesystem suchen: Die Magie basiert auf Dualismus. Zum Zaubern braucht man einen Mann und eine Frau. Eine*r davon Wissenschaftler*in, die andere Person Künstler*in. Beim Zaubern werden dann Strahlen (Röntgenstrahlen, UV-Strahlen, Radiowellen, Schallwellen usw.) durch ein gerade im Schaffensprozess befindliches Kunstwerk gejagt. Ja und dann kann eine Statuette einer Medusa Menschen versteinern, ein Adler zum übergroßen Monster werden, dass auf die Feinde losgelassen wird oder Bismarck von seinem Denkmal heruntersteigen und durch Berlin marschieren. Kunst ist auch, wenn du ein bestehendes Kunstwerk, etwa eine versteinerte Hand eines Tschechischen Anarchisten (Sandor, 2. Protagonist), bearbeitest. 

Die Regeln der Magie werden aber an zwei Stellen sehr interessant gebrochen. Einmal bei der Fotografie. Filme bleiben, in der Nähe von Magie, schwarz. Also zauberst du nicht in dem Moment, in dem du das Foto schießt, sondern erst in dem Moment, in dem du das Bild belichtest. Damit sind die Negative in etwa das, was in vielen Rollenspielen Spruchrollen wären. Vorbereitbare Zauber. Der zweite Bruch der Regeln ist Georgette. Georgette ist eine Transfrau, vereinbart also männlich und weiblich in einer Person, sie ist Psychologin an der Psychatrischen Klink und Fotografin. Durch diese Kombination kann sie tatsächlich alleine Magie wirken (wenn auch nicht so mächtige wie die anderen Protagonist*innen). Das ist mal in meinen Augen queeres Empowerment! 

Queer ist ein gutes Stichwort. Das Buch ist voll von Menschen, deren Gender in Frage gestellt wird oder nicht eindeutig zuordenbar ist. Dass Gregoretta am Ende am Institut von Magnus Hirschfeld landet, ist nur die logische (und das befriedigende) Happy End für diese Figur. 

Spoiler Ende! 

Fazit 

Eingangs habe ich ja schon gesagt, dass “Babylon Berlin mit Magie” weder Der Gedion Rath Reihe noch Anarchie Déco gerecht wird. Für die Fans der Krimis aus dem 20gern ist da zu wenig Crime drin, für die Geschichtsfreaks zu wenig reale Geschichte. Das Buch ist was für Fans von Urban Fantasy und Alternate History. Das Buch ist aber auch was für Babylon Berlin Fans, die bereit sind, das realistische Setting um Magie zu erweitern oder die queere Vergangenheit Berlins kennenzulernen. Ich empfehle vor Genuss dieses Buches den Podcast queer einsteigen Folge 3 mit Jeff Mannes anzuhören, damit man sich im queeren Berlin leichter zurechtfindet. Das Buch ist auch für uns Rollenspieler sehr interessant. Das Setting lädt zu Kampagnen in dieser Welt ein und jetzt, 100 reale Jahre in der Zukunft, in einer Zeit, in der wieder nationalistische und verschwörungsideologische Kräfte an die Macht drängen, auf der anderen Seite aber queere Menschen um Repräsentation kämpfen, überraschend aktuell. 

Wünsche ich mir weitere Bücher in dieser Welt? Nein. Alle wichtigen Protagonisten haben ein Happy End, die Nazis erhalten bei der Reichstagswahl 1928 nur 5%. Ich will glauben, dass die Zukunft dieses Berlins eine bessere, friedlichere ist als des realen Berlins, des realen Deutschlands. Das ist es auch, was mich an den Rath-Krimis gestört und warum ich den letzten Teil nicht mehr weitergehört habe. Dort weiß man, wie die Weltgeschichte weitergeht und sieht die Protagonisten auf ein düsteres, finsteres Zeitalter zusteuern. Im realen Jahr 1930 holte die NSDAP bei den realen Reichstagswahlen 18,33%, 1933, zwei weitere Wahlen später, 43,91 %. 

Rezension und Karneval der Rollenspielblogs: Halt, Polizei! – Die Herren von Chorchop

Das Abenteuer, das ich heute besprechen will, ist schon ein paar Tage alt, es stammt aus dem Jahr 2002, also noch der Fanpro-Ära. In ihm schlüpfen die Held*innen dank der großen Lotterie, in der jedes Jahr die Ämter der Stadt verlost werden, in die Rolle des Schutzprätors. Der Schutzprätor ist quasi der Polizeipräsident und für die Verbrechensbekämpfung (in einer Stadt der Diebe, Huren und Glücksspieler. Viiiel Spaß damit) und Stadtverteidigung zuständig. Eigentlich endet die Zuständigkeit einen Steinwurf außerhalb der Stadt, es sei denn, sie informieren den Kriegsprätor und der zieht mit ihnen los, um die Aufgabe durchzuführen.

Spoiler Voraus!


Den Einstig ins Abenteuer mag ich nicht. Die Helden werden dort versklavt und verlieren ihre Ausrüstung. Das erinnert böse an viele frühe DSA-Abenteuer, etwa die Gefangenen von Ku-Kau-Pe oder unter dem Nordlicht, bei dem die Helden auch am Anfang ohne adäquate Ausrüstung und gesammelte Trophäen dastanden. Darauf kann man verzichten. Wenn man darauf verzichtet, fällt auch die Rache an der Kraton, einer Sklavengaleere, aus. Die Aufgaben, die die Held*innen als Schutzprätor angehen, sind vielfältig: Mal müssen drei Steuereintreiber aus einem Piratennest befreit werden, mal ein Wettbetrug verhindert und einen entführten Gladiator befreien, Mal einen Fluch brechen oder einen Zyklopen mit Heimweh zurück auf die Zyklopeninseln bringen. Das Finale ist aber ein als Staatsbesuch getarnter Überfall der Al Anfaner, bei dem niemand geringeres als Oberin Du Metuants in die Stadt kommt. Er sucht nach einem echsischen Zepter der Macht (was verdammt an Assasins Creeds Adams Apfel aus ACII erinnert, zumindest von der Wirkung her. Natürlich erweckt er nebenbei auch eine Chimäre, die unter der Stadt lauert.


Fazit:

Das Abenteuer ist zwar mittlerweile 18 Jahre alt und inneraventurisch überholt, aber immer noch richtig super. Bis auf den Teil mit der Versklavung. Der ist Mist, heute mehr als je zuvor. Toll finde ich die Dienstvilla der Held*innen und natürlich das Flair der Stadt des Glücksgottes Phex. Auch wenn zwei, drei Abenteuer wenig mit Polizeiarbeit zu tun haben, denke ich, ist Die Herren von Chrochop immer noch die Referenzgröße, an der sich Polizeiabenteuer in einer Fantasywelt messen muss. Ich bin gespannt, ob es die Agenten von Edge Watch mit diesem Abenteuer aufnehmen kann…

Rezension und Karneval der Rollenspielblogs: Halt, Polizei! – Die CCC ermittelt. Spielhilfe und Abenteuer aus dem Skriptorium Aventruris

Im Juli stellte Phillip Koch eine Spielhilfe / Abenteuerideensammlung im Skriptorium online. Darin schlüpfen die Held*innen in die Rolle von Ermittlern des CCC. Nein, hier ist nicht der Chaos Computer Club gemeint, sondern die Connetablia Criminalis Capitale, die Kripo Vinsalts, die auch im Volksmund jener Stadt im Horasreich „Ledernacken“ genannt werden.

Die ersten 6 Seiten sind dann auch Spielhilfe, die kurz den Aufbau der Organisation erklären und ein paar neue Sonderfertigkeiten einführen. Eine nette, kurze Übersicht. Die Ausrüstungstabelle für den CCC finde ich hilfreich. Die haben auch eine Taschenuhr dabei, die ist in Aventurien si richtig teuer. Auch die (Berufs)Sonderfähigkeit Inspektor finde ich interessant. Klar, hier wird darauf abgeziehlt, eine Thementruppe zu erschaffen. Auf das Für und Wider einer solchen Themengruppe, wird in diesem Kapitel auch eingegangen.

Das zweite Kapitel stellt denn den Ort des Geschehens, die Metropole Vinsalt vor. Nur hier hat die CCC Kompetenz, die Sicherheit in anderen Städten regelt die dortige Stadtgarde. Gut, Vinsalt ist für mich jetzt keine Unbekannte. Das, was ich aus dem Kapitel mitnehme ist die Option auf Kontakte in die Unterwelt oder die gehobene Gesellschaft.

Bevor wir zu den Szenen gehen, hier eine Spoilerwarnung!


Los geht’s mit Szenario I, der Vereidigung und dem ersten Auftrag. Eine Rattenplage in Alt Bosparan soll untersucht werden. Hinter der Plage steckt ein buckliger Junge, der seinen Lebensunterhalt mit der Beseitigung von Ratten bestreitet. Die Held*innen müssen den Jungen vor einem wütenden Mob retten (und wenig später miterleben, dass er in den Schatten der Metropole verschwindet). Szenario II nennt sich „Der vergiftete Brunnen“. Wenn jetzt die Warnglocken läuten… nein. Hinter den vergifteten Brunnen steckt keine Minderheit und dafür wird auch keine Minderheit dafür verantwortlich gemacht. Nen Aufstand und falsche Verdächtigungen gibt es aber dennoch, zwei Tagelöhnergruppen beschuldigen sich gegenseitig. Interessant ist die Lösung, die hinter dem vergifteten Brunnen steht: Ein vergessenes Laboratorium, aus dem Quecksilber in den Brunnen läuft. Ein echter Mordfall ist Szenario III, „Die Rache einer Mutter“. Und hier geht es um Polizeiarbeit, wie es im Buche steht. Opfer untersuchen, Tatort sichern, Zeugen befragen. Toll finde ich auch, dass hier mein Lieblingsgift zur Anwendung kam. Szenario IV ist eine Nachforschung in einem Vermisstenfall, der ein Cliffhanger ist für Teil II, der dann in den Rängen der Kronstraßenwache ist.


Fazit:

Ein interessanter Ansatz, wahrlich, und ein schöner Einstieg in eine Kampagne, die erstmal Vinsalt, später das ganze Horasreich (wie ich vermute) umfassen wird. Ich hatte spaß beim lesen und das Heft sollte, da pay-what-you-want, 5,00 € wert sein.

Rezension und Karneval der Rollenspielblogs: Halt, Polizei! – Drei Tage Gardist aus Gefährliche Gassen

Neben Aventurien und Rakshazar ist Myranor meine Heimat auf Dere. Und zumindest im Imperium gibt es, was Polizei angeht, ein interessantes Detail: Die Polizeigewalt ist ziemlich fragmentiert und liegt in den Händen einzelner Kulte. Zum Beispiel leitet die Siminia- Kirche, die eine Handels- und Handwerksgöttin, die Siminia-Garde, die sich um Zollvergehen kümmert und Schmuggler jagt, die Neteron-Garde, die der gleichnamigen Kirche unterstellt ist, kümmert sich um die Totenruhe und verfolgt Nekromanten und Grabräuber usw. Zusammenarbeit zwischen den Garden gibt es kaum, vor allem, weil die Leitung der jeweiligen Kirchen alle paar Jahre aus dem Magieradel gewählt werden was zu Konkurrenz unter den Optimaten führt, eil das oft ein einstieg in eine politische Karriere bedeutet.

In dem Abenteuer „Drei Tage Gardist“ aus der Anthologie schlüpfen die Held*innen in die Rolle von Gardisten in Balan Osrhotania, einer Stadt, die sich in einer Region abseits des Imperiums befindet und grade Richtung Niedergang schlittert.

Monitum perfidiae dederat (Spoilerwarnung!)


Ins Abenteuer kommen die Held*innen auf zwei möglichen Wegen: entweder (so ein Optimat in der Gruppe ist) als Teil einer diplomatischen Mission, um die Stadt näher ans Imperium zu bringen, oderweil sie am Stadttor in den Dienst gequatscht werden, weil grade viele Gardisten krank sind. Übrigens, weil die Stadt auf dem Absteigenden Ast ist, gibt es nur eine Garde und nicht, wie im Imperium, mehrere kleine. In der Stadt gibt es soziale Spannungen zwischen den Reichen, der verarmenden Mittelschicht und den Armen. Jede Aktion, die die Helden in ihrer Zeit als Gardist (sie werden tatsächlich nur für drei Tage angeheuert) durchführen, hebt oder senkt die Beliebtheit bei einer Fraktion (was dann Auswirkungen auf den Aufstand im Finale hat).

Der erste Tag ist ein Tag zum Punktesammeln mit vielen kleinen Aufgaben, die auf die frischgebackenen Gardist*innen wartet: Verkehrsregelung in einer kleinen Gasse (lässt man den Eislieferanten des mächtigsten Mannes der Stadt zuerst durch oder doch die armen Leute?), Verteilung von kostbaren Wassers (dürstende arme Leute oder Insektenwesen, die das Wasser für Lehmbrei brauchen, um damit für die Reichen bauen zu können) usw. Im Hinblick auf Polizeialltag wohl das schönste Kapitel des Abenteuers.

Am zweiten Tag geht es um einen Mord unter Priestern. Einer sticht eine andere, wird dabei von einer betrunkenen Schiwa gesehen und versucht nun, diese zu belasten. Jetzt kommt es auf die Held*innen an. Decken sie das Verbrechen des Meuchelpriesters und Teilzeitkannibalen oder nehmen sie ihn fest und sichern vor allem die Beweise so gut es geht. Die Beweise spielen bei der Anschließenden Gerichtsverhandlung eine Rolle, und ein paar davon verschwinden auch wieder (da der Priester den Reichen angehört und die das vertuschen wollen). Nach dem Prozess gegen den Priester Zaturas (einer Heilgöttin) brennt das Siechenhaus (in dem der Kannibale seine „Studien“ durchführte) samt Insassen nieder. Bei einer Untersuchung des Unglücksortes stoßen die Held*innen dann auf ein Kästchen mit beweisen, dass der mächtigste Mann der Stadt zumindest von den Studien wusste. Und jetzt kommt es auf den Ruf bei den Armen an, denn die Proben nun den Aufstand: Ist der Ruf zu schlecht, sehen die Armen in der Garde nur die Büttel der Reichen und der Aufstand muss niedergeschlagen werden, sind die Held*innen bei den Armen angesehen, so lassen sich diese zumindest etwas beruhigen und ziehen mit den Held*innen los, um die Drahtzieher des Brandes und der Kannibalenmorde zu verhaften. So doer So, das Abenteuer endet in einem riesigen Blutbad.


Fazit:

Das erste Kapitel fand ich sehr stark. Die Polizeiarbeit, die hier beschrieben wird, ist interessant und Abwechsulngsreich und man verspielt es sich relativ schnell mit einer Gruppe. Neutralität zu halten ist kaum möglich. Den Mord und den Schurken des zweiten Kapitels fand ich etwas schwach. Das wird aber durch das dritte Kapitel, die Feuersbrunst und den Aufstand, wett gemacht. Mit dem Aufstand habe ich aber auch die meisten Probleme, erinnert er mich zu stark an die Unruhen, die zurzeit in den USA toben. Gut, das ist nicht die Schuld des Abenteuers, das 2009 also vor 11 Jahren erschien. Würde ich das aber heute leiten, so wäre mit Sicherheit eine X-Card auf dem Tisch und eine Triggerwarnung vorangeschickt.

Rezension und Karneval der Rollenspielblogs: Halt, Polizei! – GURPS Cops

Es gibt Quellenbücher, die sind Referenzwerke. Über Systeme und Jahrzehnte hinweg. Immer, wenn man ein Abenteuer in diesem Szenario plant, wandert man zu seinem Rollenspielbücherschrank (oder die PDF-Sammlung), kramt das Büchlein heraus, schmökert ne Stunde darin und hat dann hundert neue Ideen, Plothooks und Hausregeln im Kopf, die helfen, das Abenteuer zu nem tollen Erlebnis zu machen.

Wie entsteht so ein Referenz-Quellbuch? Am besten, in dem man in das Team jemanden einbringt, der wirklich eine Ahnung von der Materie hat. Im Beispiel von GURPS Cops, das so ein Referenz-Quellbuch ist und 2001, also vor 19 Jahren erschien, ist das Lisa J- Steel, eine Game-Designerin und vor allem eine Strafverteidigerin aus Massachusetts. Zudem werden in den Danksagungen mehrere Cops und Polizeiinstitutionen genannt. Dieses geballte Wissen um das Thema Polizei merkt man dem Buch an, vor allem wenn es um die Beschreibung der Organisation Polizei geht. Der Fokus des Quellenbandes liegt natürlich auf den USA, aber die werden mit Polizeien aus aller Welt (Japan, Großbritannien, Frankreich usw.) verglichen.

Doch nun von vorne: Auf den ersten zwei Seiten wird erklärt, was denn eigentlich der Job einer Polizei ist: Patrollieren, Verbrechen aufklären, öffentliche Ordnung aufrechterhalten (z.B. bei Demonstrationen, Fußballspielen usw.) und öffentliche Sicherheit gewährleisten (ganz profan: Verkehrsregelung bei einem Unfall). Danach nimmt und der Quellenband mit auf eine Reise durch die Polizeigeschichte und präsentiert dabei auch typische (reale) Vertreter des Gesetzes jener Epoche und verschiedener Polizeiorganisationen in verschiedenen Ländern. Allein dieses Kapitel macht das Quellenbuch lesenswert und gibt einen guten Einblick, wie Polizeiarbeit funktioniert und welche Folgen das für den einzelnen Cop haben kann (Joseph Pistone z.B. musste nach seinem Undercovereinsatz gegen die New Yorker Mafia mit seiner ganzen Familie ins Zeugenschutzprogramm, da auf seinen Kopf eine Belohnung von einer halben Million Dollar ausgesetzt wurde, ein schlechter Witz dazu sind seine 250 $ Aufwandsentschädigung für den Einsatz).

Das Nächste Kapitel „The Station House“, ist sehr umfangrangreich. Es beleuchtet jeden Aspekt des Polizeialltags, etwa den Aufbau einer Polizeiorganisation, die Konsequenzen des Schusswaffeneinsatzes (interessant auch die Unterscheidung zwischen einer kinematischen Kampagne (alla Lethal Weapon und Beverly Hills Cop) und einer realistischen Kampagne (bei dem die Held*innen tatsächlich Teil einer Polizei sind und dadurch in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden (und für ihre Handlungen auch zur Rechenschaft gezogen werden. Als Ideengeber dafür empfehle ich die Folgen zum Thema Bestrafung und Belohnung von Nerd ist ihr Hobby und Audit the Audit). Auch wenn das Buch schon 19 Jahre alt ist, die Texte zum Einsatz tödlicher Gewalt durch Polizisten und zu Minderheiten (besonders Afroamerikaner) in den Einheiten sind nach wie vor hochaktuell.

Das dritte Kapitel dreht sich voll und ganz um die Main-Charaktere einer Polizeikampagne: Die Cops. Verschiedene Arten von Cops werden vorgestellt, ebenso die jeweilige Ausrüstung, Vorteile und Nachteile. Im nachfolgenden Kapitel wird auf die Gegenseite geschaut und diverse Verbrechen und Verbrecher dargestellt. Ich habe diesen Artikel hier zu dem Zeitpunkt geschrieben, als in Portland unidentifizierbare Polizeieinheiten Protestierende verhaften haben. Einige befürchteten, das D. Trump das Kriegsrecht (Martial Law) ausrufen wird. In einem Infokasten wird Kriegsrecht und Kriegsgerichtsbarkeit erklärt.

Auch Kapitel 5 und 6 gehören zusammen. Hier geht es um die Ermittlungen in einem Kriminalfall und die Verurteilung und Bestrafung der Kriminellen. Ein interessanter Einblick ins amerikanisches Justizsystem ist vor allem letzteres Kapitel. Im Anhand ist eine riesengroße Bibliografie mit diversen Medien zum Thema Polizeiarbeit und eine Checkliste zum Erstellen einer eigenen Polizeiorganisation.

Wie gesagt, das ist ein Referenz-Quellenbuch, auch wenn die zunehmende Militarisierung der Polizei (vor allem in den Staaten) so nicht vorhergesehen wurde. Für eine Rollenspiel-Kampagne ist dieses Buch ein absolutes Muss, für an der Polizeiarbeit interessierte ein interessanter Einblick hinter die Kulissen.

Die Bücher sind da!

Letzte Woche habe ich gleich zwei Bücher bekommen, die ich jetzt über die Ferien lesen werde. Zum einen meine Backer-Version von Aces in Space! Darauf habe ich mich schon gefreut, seit ich den Kickstarter unterstützt habe. Toll! Als zweites Agends of Edgewatch: Devil at the Dreaming Palace. Von dem wird es nächsten Monat eine ausführliche Rezension geben, da möchte ich wieder mal einen Rollenspielkarneval ausrichten, diesmal zum Thema Polizei.

Bis dann!