Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, / und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, / empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, / gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, / hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, / aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; / von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. / Ich glaube an den Heiligen Geist, / die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, / Vergebung der Sünden, / Auferstehung der Toten / und das ewige Leben. / Amen.
Credo der katholischen Kirche
Ich bin gläubiger Katholik. Ich weiß, dass es Gott gibt, denn ich selber wurde Gegenstand und Zeuge seiner Gnade.
Ich wurde mit einer Saugglocke auf die Welt gezogen (ich hatte wohl schon damals einen großen Kopf. Heute habe ich Hutgröße 60). Die Stelle, an der die Glocke angesetzt wurde, entzündete und Eiter bildete sich. Die Ärzte gaben mir damals eine Fifty-Fifty Chance. Entweder stürbe ich oder bliebe an Körper und Geist beeinträchtigt. Meine Mutter versprach damals, im Falle meiner Genesung, jedes Jahr nach Altötting zu pilgern. Nun, ich lebe, bin körperlich so fit wie man ohne regelmäßigen Sport so fit sein kann und ich würde nicht behaupten, dass ich geistig beeinträchtigt bin. Einzig eine Narbe am Kopf erinnert an diese Zeit. Meine Frau war übrigens entsetzt, als sie mir vor 17 Jahren zum ersten Mal durch meine damalige Lockenpracht fuhr und die Narbe ertastete. Ich hatte vergessen, sie vorzuwarnen, die Narbe gehört für mich zu meinem Körper und ist für mich absolut … normal.
Das Gelöbnis zur Gottesmutter wird von meinen Eltern immer noch eingehalten. Zur Schwarzen Madonna gibt es von meiner Seite der Familie aus noch einen weiteren Bezug: vor gut 70 Jahren verunglückte mein Großvater mit dem Traktor. Er kam von der Straße ab und stürzte eine Böschung hinunter. Der Traktor, ein Hanomag, überschlug sich ein paar Mal, schleuderte meinen Großvater auf die Wiese unterhalb der Böschung und kam einen Schritt vor ihm zu liegen. Er blieb, bis auf ein paar blaue Flecken, unverletzt. Damals stiftete er eine Votivtafel, die heute noch in der Gnadenkapelle hängt.
Im Gegensatz zu manch großem Künstler oder armen Ministranten erlebte ich Religion auch nie als Fessel, Bürde oder Gefängnis. Als Kind liebte ich die Maiandachten, die Prozessionen, das ganze feierliche und mystische der katholischen Kirche. Das befreiende Gefühl nach der Beichte, wenn man wusste, dass, egal welchen Scheiß man gebaut hatte, der Chef da oben verziehen hatte. Die Evangelien, besonders das von Zachäus, Lazarus, dem Hauptmann von Kafarnaum und dem mit Jesus im Tempel, wo er so richtig den Punk raushängen lässt und die ganzen Händler aus dem Tempel wirft (katholische Hybris: wenn wir in Altötting waren, gehörte ein Besuch bei den Devotionalienhändlern dazu, geweiht wird und wurde im Bruder Konrad und St. Magdalena im Halbstundentakt). Bei meiner Hochzeit war meiner Frau und mir die Ausgestaltung des Gottesdienstes wichtiger als das Festmahl im Anschluss (wir hatten extra Lieder gewählt, die unsere Gäste kannten und mitsingen konnten, ohne den ganzen Klassik-Klimborium, der damals so modern war). Heute gehe ich mit meiner Familie zum Gottesdienst. Der gehört für mich immer noch zum Sonntag, genauso wie ein Sonntagsbraten, dazu.
Mir ist durchaus klar, dass mein Heiliges Buch nicht unbedingt wörtlich genommen werden darf (sieben Tage vs. 4,5 Milliarden Jahre für die Schaffung der Erde), dass die religiösen Gesetze und Moralvorstellungen für eine patriarchalische, bronzezeitliche Kultur bestimmt waren und mit heutigen Vorstellungen nur schwer in Einklang zu bringen sind (man denke an die Homosexuellenrechte. Ich feiere ja innerlich die Ehe für alle ab und bejahe die Adoption durch gleichgeschlechtliche Ehepaare). Dennoch… für mich existiert Gott, ich glaube an ihn, ich glaube an Jesus, ich glaube an den Heiligen Geist und ich verehre die Gottesmutter und die Heiligen Florian, Sebastian, Hubertus, Eustachius, Kunigunde, Elisabeth, Barbara,….
Religion im Rollenspiel: Gibt es da einen Unterschied zum realen Leben?
Eine der Prämissen des diesmonatigen Karnevals war es ja, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Realität – in der ja behauptet wird, Gott sei tot – und diversen Fantasywelten, wo Götter als existent angesehen werden, wo Priester in deren Namen Wunder wirken (mit entsprechenden Geweihtenregeln) oder die Götter gar direkt in die Welt eingreifen.
Ich denke, die Prämisse hinkt, und zwar gewaltig. Denn für eine_n Gläubige_n in der Realwelt (Christ_in, Muslim_a, Judentum, Hinduist_in…) existiert der jeweilige Gott, seine Priester_innen erbeten Wunder und erteilen Segnungen und ihr Gott greift aktiv ins Weltgeschehen ein (oder lässt es als Strafe bleiben). Gläubige in der Realwelt würden sich in einer Fantasywelt genauso verhalten. Es gibt sowohl in der Realwelt wie auch in einer Fantasywelt religiöse Extremisten_innen. Es gibt in beiden Welten das Böse, dem man, wenn man verderbt genug ist, auch huldigen kann, sogar durch Mord (und in beiden Welten muss man die Konsequenzen tragen, sei es Gefängnis oder eine Helden_innengruppe, die einen den Gar ausmacht). In beiden Welten erfahren Gläubige Wunder, Entrückung und die Nähe ihrer Gottheit. In beiden Welten erfahren sie auch Enttäuschung, Gottesferne und fallen vom Glauben ab. Der Unterschied zwischen Realwelt und Fantasywelt ist nur, dass im Fantasyrollenspiel ein Spieler-in einen Charakter in einer Fantasywelt spielt und dafür die Regeln des Rollenspielsystems nutzt.
Ich glaube nicht an die Zwölfe! – Atheismus im Rollenspiel
Was ist mit den Atheisten in Fantasywelten? Meiner Meinung nach genau das gleiche wie mit den Gläubigen, mit ein, zwei Besonderheiten. Zunächst… ich habe nichts gegen Atheisten_innen. Ich verstehe, dass man Gott aus logisch-wissenschaftlichen, geschichtlichen, philosophischen oder persönlichen Gründen ablehnt. Ich versteh auch, dass man sich mit Gläubigen darüber streitet, sie für Deppen, gefährliche Fanatiker_innen oder, im besten Fall, für Schafe hält. Damit kann ich leben. Die müssen halt damit leben, dass ich sie für Deppen, Fanatiker_innen oder bestenfalls verlorene Seelen halte und über meinen Glauben rede.
Atheisten_innen in einer Fantasywelt haben es genauso schwer wie die Atheisten_innen von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Sie werden von den jeweiligen Gläubigen für ihre Ideen angefeindet, verfolgt und getötet. Unglücke werden ihnen angelastet und wenns einen von Ihnen erwischt, wünscht man demjenigen viel Spaß mit dem Teufel und einer Annanas in den feurigen Tiefen (siebter Kreis) der Hölle. Es gibt jedoch Unterschiede zwischen Atheisten im Realleben und Rollenspiel.
- Für den Spieler ist Atheismus im Rollenspiel nicht nachvollziehbar. Der_die Spieler_in kennt die Regeln der Welt. Er weiß, wenn sein Charakter an diesen Gott glaubt und dessen Geboten folgt, erhält er diese Vorteile, wenn er jenen Gott glaubt, jene Vorteile, wenn er gar mit dem Bösen paktiert, diese schwarzen Gaben. Für eine_n Spieler_in macht es gar keinen Sinn, jemanden zu spielen, der aus philosophischen Gründen alle Götter einer Fantasywelt ablehnt. Dafür gibt es keine Boni, manchmal gibt es dafür sogar Mali.
- In den meisten Fantasywelten gibt es Magie, die ähnliche Wirkung wie göttliche Wunder erzielt. In DSA5 wurden sogar die Geweihtenregeln den Magieregeln angepasst. Warum also eine_n Atheisten_in spielen, wenn ich auch eine_n egozentrischen, narzisstischen Magier_in spielen kann, der_die sich gegen die Gebote einer Religion aufbäumt, weil er sich ungerecht behandelt fühlt, sie seiner persönlichen Freiheit zuwider laufen oder ihn in der Forschung einschränken?
Religion im Rollenspiel – Fazit
Ich glaube, dass die Prämisse, Religion, Glaube und Atheismus im Rollenspiel unterscheide sich von der Realwelt, weil die Charaktäre wissen, dass es die Götter gibt, zumindest für in der Realwelt gläubige Spieler_innen nicht zutrifft. Gläubige Spieler_innen können ihre Realwelt-Erfahrung is Rollenspiel hineinnehmen und auf noch so obskure und fremde Götzen übertragen. Ich als Meister merke es am Metaphern, die ich im Rollenspiel vor allem mit Neulingen nutze: Da vergleiche ich schon mal die Stadt des Lichts mit dem Vatikan und die Spieler_innen können mit diesem Bild etwas anfangen.
Für alle nichtgläubigen Spieler_innen hätte ich da noch einen Tipp für die nächste Kampagne, in der Religion eine Rolle spielt: Geht in ein Gotteshaus eurer Wahl. Geht dann hin, wenn gerade kultische Handlungen (vulgo: Gottesdienst) durchgeführt werden und schaut euch die Leute an. Wer sitzt da? Warum sitzt die Person da, was macht sie? Was macht der Priester? Wie alt ist er und was mag ihn zu seiner Berufung geführt haben (Bonus für die Besucher_innen eines katholischen Gottesdienst: Könnte ich mein Leben ausschließlich einem Gott weihen und auf Sexualität verzichten? Auf Familie?)? Besucht Ausstellungen zum Thema Sakralkunst und überlegt, was die Menschen von 100, 200, 1000 Jahren gebracht hat, Statuen zu Schnitzen, viel Geld für Sakralbauten zu sammeln und noch mehr Zeit als heute auf den Knien zu verbringen. Wenn du Antworten für diese Fragen gefunden hast, dann kannst du ermessen, was Religion in einer Welt bedeuten mag, in der tatsächlich ab und an mal ein Drache übers Dorf fliegt oder ein Kraken im Auftrag eines Gottes eine Stadt terrorisiert.