If there’s something strange
In your neighborhood
Who you gonna call?
Quelle: Ghostbusters Ray Parker Jr., 1984
Dieser Tage feiern wir den ersten Geburtstag eines Spieles, dass ein ganz neues Genre an Horrorspielen geschaffen hat und, wegen bestimmter Mechanismen im Spiel, auch für uns Rollenspieler und speziell für den diesmonatigen Karneval interessant sein dürfte. Ich rede natürlich von Phasmophobia, der Initialzündung aller Ghost Hunter Games.
Ghost Hunter Games basieren auf der Idee der Ghost Hunters Serie, die seit 2004 in 10 Staffeln läuft. In der Serie gehen Geisterjäger “unerklärlichen” Geisterphänomenen nach. Dabei benutzen sie verschiedene technische Geräte und kommen dann darauf, dass da wahrscheinlich ein Geist rumspukt.
Ja, die Serie ist Quatsch. Aber ja, es gibt Leute, die mit (für sie) unerklärlichen Phänomenen konfrontiert werden, einen riesigen leidensdruck entwickeln und Hilfe von (hoffentlich professionellen) Geisterjägern in Anspruch nehmen. Wer mehr über die Geisterjagd wissen will, dem sei hier eine Hoaxillafolge und hier was von den Wildmics entpfohlen.
Zu den Ghost Hunter Games werde ich im Ramen des Artikels hier natürlich Phasmophobia zählen, sowie Ghost Hunters Corp., Obsideo und Forwarned. Ich werde, ähnlich dem Monster Hunter Games, mir mal die Landschaft, die Ausrüstung und die Geister genauer anschauen und überlegen, ob da nicht ein paar Anknüpfungspunkte zum Rollenspiel sind.
Das alte Haus – Schauplatz der Geisterjagt
Dieses Haus ist alt und hässlich
Dieses Haus ist kahl und leer
Denn seit mehr als fünfzig Jahren
Da bewohnt es keiner mehr
Dieses Haus ist halb verfallen
Und es knarrt und stöhnt und weint
Dieses Haus ist noch viel schlimmer als es scheint
Quelle: Das alte Haus von Rocky-Docky von Kurt Feltz, 1955
Die Monsterjäger-Spiele sind Open Map Spiele. Sie finden meist im nordamerikanischen Wald statt. Das krasse Gegenstück sind die Geisterjägerspiele. Bis auf 2 Karten in Ghost Hunters Corp. finden alle Hunts bzw. Geisterjagten im inneren eines Hauses, einer Burg, eines Asylums oder eines Grabes statt. Wenn wir mit Rollenspieler-Augen daraufschauen, erkennen wir sofort unseren guten alten Dungeon wieder. Mal weniger geschminkt als Grabstätte in Forwarned incl. Pendelfalle und Fallgruben, mal gepudert, gewienert und mit aktueller Technik, wie die modernen amerikanischen Häuser in Phasmophobia und Obsideo.
Verlässt man diesen Dungeon, ist man auch vor den Nachstellungen des Geistes geschützt. Ich kann mich noch an die Panik der Spieler von Ghost Hunters Corp. erinnern, als die feststellten, dass in diesem Beispiel der Geist sehr wohl den Dungeon verlassen kann und es keinen Save Space gibt.
Es gibt aber noch zwei andere Orte im Spiel, die weniger offensichtlich sind und die es in den Monsterjagt-Spielen nicht gibt. Zum einen der Save Space, der in den meisten Spielen auch die mobile Basis der Geisterjäger ist. Ein Trailer vor der Haustür, in dem das Equipment lagert, ein Zimmer im verfluchten Haus, ein Zelt in der Wüste. Dort rüsten sich die Spielenden mit ihren Gerätschaften aus, dort steht der Monitor für die Kameras oder das Radar. Der Schutzraum hilft den Spielenden, sich aus einer Belastenden Situation zurückzuziehen, mal Luft zu holen und das Team (die Geisterjägerspiele werden gern auch als Mutiplayer gespielt), aus der Ferne zu unterstützen.
Zum anderen die Lobby. Das ist der Ort, wo die Mission ausgewählt und im Anschluss ausgewertete wird, wo man Ausrüstungsgegenstände kaufen kann (nur in Ghost Hunters Corp. Ist es möglich, weitere Ausrüstung nachzuordern. Beim Rest der Spiele gilt: was liegt, das pickt) und wo man sich im Multiplayer trifft. Die Schönste Lobby hat dabei Forwarned. Sie erinnert an Lara Crofts Mansion, ist mit virtuellem Holz getäfelt und hat auch einen Trophäenraum für die seltenen Collectables.
Auch die beiden Räume kann ich mir aus Rollenspielersicht anschauen, allerdings wird es hier mit der Zuordnung zu einem bestimmten Ortstypen schwerer. Der Save Space hat etwas von einer Heldenbasis, die allerdings nicht weiter ausgebaut werden kann. Heldenbasis ist auch in der Lobby, allerdings auch Marktplatz und Questgeber-Ort. Ich finde die Idee, dass der Save-Space nur so lange existiert, wie die Geisterjagt dauert und dass nur ausgewählte Ausrüstung mitgenommen werden kann, auch fürs Rollenspiel verführerisch.
EMF und Kruzifix – Die Ausrüstung der Geisterjäger
Das EMF Messgerät verfügt über eine 3-achsige Messonde zur Erfassung elektromagnetischer Strahlung. So ist das EMF Messgerät genauso geeignet zur Messung an Transformatoren, wie auch zur Beurteilung magnetischer Felder, die durch Computer-Monitore, Fernseher, industrielle Anlagen (Magnetabscheider, Elektromotoren, Schutzgasschweißgeräte…) erzeugt werden.
Quelle: Produktbeschreibung PCE-EMF 823, gibt es in jedem gut sortierten Baumarkt
Für eine so zünftige Geisterjagd braucht es natürlich auch entsprechendes Equipment. Das lässt sich grob in zwei Kategorien einteilen: Zeug, um den Geist zu finden und Zeug, um den Geist loszuwerden.
Phasmophobia und Forwarned haben nur Zeug, um den Geist zu finden. Bei denen geht es nur um die Bestimmung des Gegners, nicht, ihn für immer los zu werden. Ghost Hunters Corp. und Obsideo haben beides. Dort ist der gelungene Exorzismus das Ziel des Spieles, die richtige Identifikation notwendiges Mittel, um das Ziel zu erreichen.
Beim Zeug, um den Geist zu finden wird sich aus den Vollen des modernen Geisterjäger-Arsenals bedient: EMF-Reader (ursprünglich mal ein Werkzeug, um Stromleitungen unterm Putz zu finden), Parabol-Mikro, Kammeras, D.O.T-Projektoren, Bewegungsmelder, Radar, Spirit-Boxen (UKW-Radio-Scanner, die die Funkfrequenzen ablaufen. Die menschliche Fähigkeit der Mustererkennung lässt dann im Hintergrundrauschen Worte auftauchen) Ouija-Board und vieles mehr.
Ausgetrieben wird dann der Geist mit einer Nutrion-Gun, Weihwasser, der Bibel, Kruzefix und Heiligenstatuette, dem Blitzlicht einer Sofortbildkamera, Saltz und Tigeraugen. Was mir hierbei auffällt ist die Fokussierung auf christlichen, will sagen römisch-katholischen, Exorzismus. Ist euch das in Horrorfilmen auch schon mal aufgefallen? Immer, wenn Geister oder Dämonen ausgetrieben werden sollen, wird auf katholischen Exorzismus zurückgegriffen. Mir fällt spontan kein Film ein, bei dem ein Ruqya von einem Iman, ein Exorzismus eines Vodoo-Priesters oder ein Taoist mal final erfogreich waren und das Böse in die Hölle zurückschickten. Ja, schon bei evangelischen Exorzisten beißt es in Horrorfilmen aus. Meiner Meinung nach verschwendetes Potential.
Noch was: Die Spielenden können nur eine begrenzte Anzahl von Gegenständen mit sich tragen. In einer Hand die Taschenlampe, in der anderen EMF und am Gürtel noch das Thermometer, das war es dann. Bei der Geisterjagt ist daher Taktik gefragt und spielt sich am besten im Multiplayer.
Wenn der Dämon dreimal klingelt – Die Geister
Never run from anything immortal. It only attracts their attention
Quelle: Das Letzte Einhorn (1982)
Jetzt kommen wir zum Thema des aktuellen Rollenspiel-Karnevals, den Zufallstabellen. Denn Zufallstabellen arbeiten hier im Hintergrund. Bei Phasmophobia und Forwarned wird duch Zufall festgelegt, welcher der Geister das Haus bzw. das Grab heimsucht. Jeder Geist hat dabei bestimmte Eigenschaften, die ihn definieren. Beim Myling, dem neuen Geist, den Phasmophobia aus der skandinavischen Sagenwelt ausgeliehen hat, sind das ein Maximalausschlag am EMF, Fingerabdrücke und ein Eintrag ins Geister-Poesiealbum. Rathos the Dammed aus Frowarned kann durch zerstörte Objekte, geschändete Gräber, ausgeblasene Fackeln und Schritte erkannt werden.
Anders machen es Ghost Hunters Corp. und Obsideo. Die Art des Geists wird unter anderem über das Geister-Modell verraten (Shades sind z.B. schwarze, rauchige Gestallten). Die zufälligen Interaktionen verraten aber viel über den Geist und geben Hinweise darauf, welche Dinge man für den Exorzismus benötigt. Obsideo übertreibt es dabei in meinen Augen. Die haben für jeden ihrer 16 Geister vier Tabellen mit Aktionen. Die Tabellen gehen von häufigen Aktionen, über ungewöhnliche und seltene bis zu extrem seltenen Aktionen. Das Dumme dabei ist, dass auch andere Geister sich ähnlich verhalten. Ich könnte nicht sagen, ob, wenn da jetzt ein Bild durch die Räume fliegt, das eine ungewöhnliche Aktion oder eine häufige Aktion ist.
Ich finde diese Mechanismen ziemlich gut, wobei, meiner Meinung nach, der Ansatz von Ghost Hunters Corp. und Obsideo besser ist, da er mehr Abwechslung bringt und sich Spielende nicht so schnell auf die Geister einstellen können. Besonders in den Anfangstagen von Phasmphobia gab es die Möglichkeit, richtige Speedruns zu machen, wenn man seine Geister und deren Aktionen gut kannte.
Geister jagen die Spielenden. Abhängig von Schwierigkeitsgrad dauert es mal länger oder kürzer, bis die Geister aggressiv gegen die Spielenden vorgehen und einmal quer durch die Karte scheuchen. Erwischen die Geister die Fliehenden, so ists um sie geschehen. Bei allen im Multiplayer spielbaren Spielen kann aber die frisch dahingeschiedene als Geist bzw. Mumie zurückkehren und die restlichen Spielenden unterstützen. Bei Ghost Hunters Corp. werden die Geister sogar zu richtige Crouse Missiles. Da sie vom Geist nicht mehr angegriffen werden, Gegenstände aber tragen können (für die Lebenden sieht das aus, als würden diese schweben), können sie z.B. mit Salz durchs Haus laufen und den feindlichen Geist per Zufall bannen, wenn sie ihn auf ihrem Weg berühren.
Von schmutzigem Wasser und goldenen Mumien – Sidequests
Eine waghalsige Unternehmung, aus Gründen des Forschungsdranges oder des Übermuts, mit lebensbedrohlichen Aspekten, unberechenbaren Gefahren und manchmal fatalem Ausgang.
Quelle: Definition des Begriffs Abenteuer in Walter Moers Werk Die Stadt der träumenden Bücher
Alle fast Ghosthunter-Spiele bieten Sidequests an. Sidequests sind hier Aufgaben, die neben der Identifizierung des Geistes erledigt werden müssen und in der Lobby dann Extrapunkte / mehr Geld geben. Welche Quests das sind, hängt auch wieder von einer Zufallstabelle ab. Meist sind es Fotobeweise oder ein verfluchter Gegenstand, der gesammelt werden muss. Auch dieses System könnte leicht ins Pen and Paper Rollenspiel übernommen werden. Hier mal ein paar Ideen für eine Geisterjagt in einem rakshazarischen Grabmal:
Nebenquests für eine Geisterjagt in einem rakshazanischen Grabmal:
1 In dem Grabmal liegt der hochrangige Geliebte*r einer frisch verstorbenen Person. Eine Freundin, die um die Geheime, verbotene Liebe wusste, bittet die Held*innen die sterblichen Überreste (1 Schädel, 2 frische Leiche, 3 kahle Knochen, 4 Mumie, 5 Asche in einer Urne, keine Überreste, dafür einen goldenen Ring, den die tote Person einst von ihrem Geliebte*n bekommen hat). Der Geist, der das Grabmal heimsucht (1 Nebenbuler*in, 2 Hauptehepartner, 3 Schwiegermutter, 4 Mutter, 5 die Liebhaber*in selbst, 6 die Wächter*in des Grabes) ist dagegen und will es verhindern.
2 In dem Grab muss der Name des Verstorbenen aus allen Inschriften getilgt oder bei allen Satuen und Malereien, die ihn zeigen, das Gesicht zerstört werden, da er bei den Lebenden in Ungnade gefallen ist. Der Geist wird zwar jedes mal, wenn etwas beschädigt wird, wütender, aber auch schwächer.
3 Im Grabmal befindet sich ein kleiner Schrein einer Gottheit (1 Kuros, 2 Teithros, 3 Shesal, 4 eine mächtige Ahn*in, 5 ein Elementarwesen, 6 der Namenlose), der entweiht wurde. Die Held*innen sollen den Schrein mit ordentlichen Opfergaben, Weihrauch und Schnaps wieder einweihen. Durch das Blut eventueller Opfertiere lockt den Geist des Grabmahls an. Bei einer 6 auf einem W6 taucht zusätzlich ein minderer Vampir oder ein Ghul auf, der sich hier vollfressen möchte.
4 Im Grabmal haben sich Trogglinge eingenistet, die vertreiben werden müssen. Das Chaos, das sie im Grabmal anrichten ist auch der Grund, warum es hier seit kurzem spukt.
5 Im Grab stoßen die Held*innen auf Anzahl der Spielenden Skelette einer früheren Expedition. Die Toten waren genauso ausgerüstet wie die Held*innen, die Gegenstände scheinen 1:1 Kopien der Gegenstände der Held*innen zu sein. Eine Tot*e hat vor ihrem Ableben an die Wand das Wort “Falle” mit ihrem Blut geschrieben. Was hier wohl geschehen sein mag?
6 Im Grabmal befindet sich ein verfluchter Gegenstand. Die Held*innen müssen ihn finden und bergen oder vernichten.
Laaaangweilig! – Routine ist des Spielspaß tot
Alles langweilt mich.
Quelle: Winston Churchill, Letzte Worte am 24. Januar 1965
Ich hab mir jetzt gewiss mehr als 4 Tage Videomaterial diverser Ghost Hunter Spiele angesehen. Dabei sind mir drei Phasen des Spielspaßes aufgefallen.
Phase 1: Die Spielenden haben das Spiel gerade erst begonnen. Jede Geisterjagd ist aufregend. Da man die Mechanismen des Spiels kaum kennt wird man oft, sehr oft vom Geist erwischt. Trotzdem stellt sich kein Frust ein, da einem die Horror-Atmosphäre immer wieder rein zieht.
Phase 2: Jetzt hat man das Spiel verstanden. Horroratmo ist immer noch da, der Char-Tod aber deutlich seltener.
Phase 3: Die Regeln des Spiels hat man nun durchschaut. Geisterjagten sind fast immer erfolgreich. Nun beginnt man, Challenges (etwa die Keine-Taschenlampen-Challenge) anzunehmen. Eine Jagd dauert meist kaum mehr als 10 Minuten, auch wenn die Karte größer sein sollte.
Phase 4: Das Spiel läuft rein mechanisch ab und verliert immer mehr an Reiz. Horroratmo stellt sich schon lange nicht mehr ein.
Meiner Beobachtung nach wird Phase 4 so etwa nach 50 Spielen erreicht. Teilweise lufen dann die Hunts so schnell ab, dass es nicht mehr zum Angriff des Geistes auf die Spielenden kommt. Hier verlieren die Geisterjägerspiele deutlich an Spielspaß. Beinahe wäre das Phasmophobia zum Verhängnis geworden, als Anfang des Jahres Ghost Hunters Corp. erschien. Nur neue Geister und neue Maps konnte die Spielenden zurückgewinnen.
Fazit
Genauso wie die Monster Hunter Spiele sind die Ghost Hunter Spiele eine sehr interessante Entwicklung im Spielemarkt. Vor allem, weil die Entwicklung in nur einem Jahr stattfand. Viele Elemente der Geisterjäger-Spiele kennen wir Pen and Paper Rollenspieler schon: Der Dungeon, Sidequests, Zufallstabellen, die den Geist festlegen. Wir haben bereits viele gute Systeme, mit denen wir eine Geisterjagd spielen können (z.B. Dread oder Fate oder auch Savage Worlds) und im Gegensatz zum PC spiel können wir auch Jagden so gestalten, dass sie nicht irgendwann Routine werden. Erzählrollenspiele eignen sich zum Beispiel super, um die gruslige Stimmung auch langfristig zu erhalten.