Rezension: Neue Geschichten vom Pumukel – So macht man eine Fortsetzung!

Vor ein paar Tagen war ich mit meiner Familie in einem Film, der mich so aufgewühlt, gerührt und zum Nachdenken gebracht hat, wie schon lange kein Film mehr. Ich war im neuen Pumuckel-Film.

Ich bin mit Pumuckel aufgewachsen, genauso wie meine Frau und auch meine Kinder, denen wir schon vor Jahren Pumuckel gezeigt haben. Pumuckel… das ist Teil unserer kulturellen DNA als Bayern. Die 52 Geschichten, die in Meister Eder und sein Pumuckel erzählt werden, waren für uns ein wichtiger Teil auch unserer Erziehung (zum Beispiel Staffel 1, Folgen 16 und 17, Der große Krach). Pumuckel macht irgend etwas, durch sein Handeln wird er oder andere in Schwierigkeiten gebracht, Pumuckel wird mit den Folgen seines Handelns konfrontiert, bereut sein Handel, wird vom Meister Eder ordentlich ausgeschipft und Meister Eder bringt das Schlamassel wieder in Ordnung. Ich hab sogar eine Folge Pumuckel (Staffel 1, Folge 14: Der erste Schnee) in meiner BIK (Berufsintegartions-Klasse) gezeigt, um den Schülern aus Syrien und Afghanistan etwas bayerische Kultur nahezubringen (als Lehrer bin ich so froh, dass es den Art. 131 BayVerf. gibt!).

Als wir, damals noch Kinder, 1993 hörten, dass der Meister Eder gestorben sei (Gustl Bayrhammer, der neben dem Schreinermeister auch noch Tatortkommissar und Petrus (auch so ein Teil meiner Kulturellen DNA) war) und wir mitbekamen, dass schon 7 Jahre zuvor die Werkstatt abgerissen wurde, da endete unsere Kindheit. Die Kinoflime, die danach mit dem kleinen Kobold rauskamen, hatten einfach nicht die Magie der Serie. Es fehlte etwas. Es fühlte sich etwas ganz falsch an. Pumuckel braucht einen Meister Eder, eine Werkstatt, München.

Und dann kam rtl+ und verkündetet, eine neue Pumuckel-Serie gedreht zu haben und diese im Dezember 2023 auszustrahlen. Vorab sollten die ersten 3 Episoden im Kino zu sehen sein. Die ersten Bilder und der Trailer zu Neue Geschichten vom Pumuckel sahen sehr vielversprechend aus. Darum bin ich mit meiner Frau und unseren Kindern ins Kino und haben uns den Film angesehen. Mit uns waren viele Großeltern und Eltern mit ihren Enkeln und Kindern im Kino. Man konnte eine gewisse Anspannung im Saal spüren. Bitte, bitte, lass den neuen Pumuckel gut sein!

Erste Szene: Florian Eder, Neffe des Franz Eder, schneidet eine Sperrholzplatte in einem Baumarkt zu. Im Kino war es mucksmäuschenstill. Ein Hauch von Traurigkeit lag in der Luft. Franz Eder, der Meister Eder, ein stolzer, selbständiger Schreinermeister, a gstandns Mannsbild. Sein Neffe, gelernter Schreiner, rumschikaniert von seinem Chef.

Zweite Szene: Florian und Bärbel Eder stehen vor der Werkstatt. Die Geranien vorm ikonischem Schaufenster… längst vertrocknet. Aber trotzdem… das ist die Werkstatt von unserem Meister Eder. Und im Bewusstsein meldet sich eine kleine Stimme, die uns sagt, dass die Werkstatt 1985 abgerissen wurde. Die beiden Eder gehen in das Gebäude, in die Werkstatt hinein und spätestens jetzt hatten alle Erwachsenen einen Klos im Hals. Das sah noch genauso aus wie 1985, nach Drehschluss der letzten Folge. Das sah so aus, als ob gleich Gustl Bayrhammer als Meister Eder zurückkommen würde. Da! Die Schiffsschaukel kommt ins Bild! Das Holzpferd, Das Koblodsbett. Dann… der Schlag in die Magengrube. Die beiden Eder wollen die Werkstatt verkaufen. Innerlich haben wir Erwachsenen Kinobesucher aufgeschrienen. Danach kommt es zu einer Anspielung an die Erste Folge der alten Serie: Pumuckel verursacht ein Chaos, bleibt am Leim kleben und wird für Florian sichtbar. Gemeinsam holen sie das Bett des Kobolds und die Werkstatt, die zwischenzeitlich vom einem reichen Münchner gekauft wurden, zurück.

Letzte Szene: Bärbel und Florian stehen am Abend vor der Werkstatt. Bärbel muss zurück nach Köln, zu ihrer Familie. Sie fragt ihren Bruder, ob er nicht die Werkstatt übernehmen will, so wie es der Onkel Franz sicher gewollt hätte.

Bevor ich mit der zweiten Folge weitermache, ein paar Worte zum Film. Das Erzähltempo ist ungewohnt langsam. Eine Episode ist 30 Minuten lang, jede Episode braucht auch die Zeit, um sich zu entfalten, zu atmen. Nein, Pumuckel ist nicht auf den schnellen Gag aus. Die Geschichten bauen eine Bühne auf, stellen die Protagonisten vor, präsentieren die Ausgangssituation und lassen dann Pumuckel als kindlich naiven, chaotischen Agenten auftreten, der die Handlung vorantreibt und eine Veränderung bringt. Das langsame Tempo, mit dem sich die Geschichte entwickelt, ist heutzutage sehr selten geworden. Verwechselt aber die Langsamkeit nicht mit Langeweile! Langweilig sind die Geschichten nämlich überhaupt nicht, auch nicht altbacken, auch wenn immer wieder die Originalgeschichten durch die neuen Geschichten durchblitzt. Der Humor, den die Pumuckelgeschichten auszeichnet, ist ein Humor, der aus der Beobachtung der Menschen und ihrem Verhalten sowie der Interaktion des kindlich naiven Kobolds mit dieser Umwelt entsteht. Im baierischen gibt es da einen guten Begriff: hintakünftig (hintersinnig, ein hinterkünftiger Witz, die stille Pointe, die sich von hinten heranschleicht. Ein Lachen, dass dir manchmal im Hals stecken bleibt. Ein lächeln, dass dir über die Lippen huscht).

Folge 2, die Folge der gebrochenen Dämme und der fließenden Tränen. Am Ende der Folge war keiner mehr im Kino, der nicht ein paar Tränen vergossen hatte. Ausgangspunkt der Folge ist die Frage, was Pumuckel die letzten 30 Jahre so gemacht hat. Nichts. Auf den Meister Eder gewartet, der muss ja auch irgend wann genug haben vom totsein. Ein Stich ins Herz, Kameraschwenk auf einen alten Zeitungsartikel mit einem Bild vom Meister Eder an der Wand, nächster Stich. Die Hausmeisterin am Fenster, die ungefragt Geranien pflanzt (die der Franz liebte, der Florian nicht) und alle Verstorbenen aufzählt. Stich. Die nächste Szene spielt auf dem Friedhof. Ein kleines Grab  neben einer Kastanie. Verwildert, vertrocknete Büsche. Stich. Florian erklärt dem Pumuckel, dass darin der Meister Eder liege und Pumuckel beginnt sofort, den Meister Eder auszubuddeln. Stich, und die Klinge umgedreht. Wie erklärt man einem Kind, oder einem unsterblichen Kobold, was Tod bedeutet? Nächgste Szene am Grablichter-Automat, in dem sich Pumuckel durch sein unüberlegtes Handeln selbst eingesperrt hat und die Besucher des Friedhofs, die ein vermeintliches Eichhörnchen aus dem Automaten befreien wollen. Befreiendes Lächeln. Florian Eder, der dem Pumuckel versucht zu erklären, was Tod bedeutet und dass da was bleibt nach dem Tod. Stich.

Warum klappt der neue Pumuckel? Warum ist das hier so viel besser als z.B. die neuesten Disney-Realverfilmungen? Weil man den Charakter der Geschichten, den Charakter der Figuren bewahrt hat. Pumuckel ist auch nach 30 Jahren noch Pumuckel. Änderungen, die Vorgenommen wurden, waren schlüssig und… fühlten sich richtig an. Nostalgie blitzt immer in Szenen auf, ohne eine 1:1 Kopie der alten Serie zu sein. Die letzte Folge zeigt dies am Besten.

Die Kinder des Mietshauses, in dessen Hinterhof die Schreinerwerkstatt steht, spielen mit Wasserbomben. Sommer, Hitze und ein Nachbar, der damit gar nicht einverstanden ist, denn die Kinder blockieren den Wasserhahn, den er braucht, um den Wassertank seines Wohnmobils zu befüllen. Der Nachbar nimmt den Kindern die Ballons ab, diese schleichen sich (samt Pumuckel) in die Wohnung des Nachbarn, klauen dort einen Rasierapparat und verziehen sich in den Keller, um den Hund des Nachbarn zu scheren. Pumuckel schmeißt dann ein paar Wasserbomben auf den Nachbarn hinab. Ich habe mich hier an mindestens zwei alte Folgen erinnert gefühlt, am stärksten aber an Der erste Schnee. Schon klar, andere Jahreszeit, aber zwischen Schneebällen und Wasserbomben ist nicht so ein großer Unterschied. Auch im neuen Film bringt der Kobold die Kinder in Schwierigkeiten, vor allem, als er die zwei plötzlich auftauchenden Polizisten trifft. Auch Meister Eder gerät in Verdacht, weil er den Kindern den Rasierer abgenommen hat und nun vom Nachbarn des Hausfriedensbruches verdächtigt wird. Diese Folge ist DIE eine Pumuckelfolge. Und sie funktioniert 2023 so gut wie 1983. Tatsächlich gibt es in dieser Folge etwas, was ich besser als in den alten Folgen finde: Nachdem alles aufgelößt wurde, nimmt Eder den Wasserschlauch und spritzt den Kobold an. Eine Wasserschlacht. Spielerisch und befreiend. Ein Fenster in die Kindheit.

Fazit

Wurden die Bitten erhört? Ist Pumuckel gut? Aber hallo! Die neuen Geschichten von Pumuckel sind richtig gut geworden, zumindest die ersten 3 Folgen, die, marketingtechnisch sehr geschickt, zu einem Film zusammengefasst wurden. Die Magie, die Gefühle, die ich als Kind hatte, sind wieder da. Als wären da keine 30 Jahre und der Tod eines (bzw. mit Hans Clarin, der Stimme des Kobolds beider) Hauptdarstelles dazwischen gewesen. Eine meiner Töchter fasste den Film so zusammen: „Ich vermisse Meister Eder, aber der neue Eder und die neuen Geschichten sind gut!“ Dem kann ich nichts hinzufügen. Ich freue mich schon auf die neue Serie.

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