Rezension: Von schlaflosen Prinzessinen und amerikanischen Killern

Ich hab mal wieder zwei Bücher verschlungen. Doch irgendwie waren die nicht die leichte Kost, die ich erwartet hatte, sondern ich musste ganz schön mit ihnen kämpfen. Doch der Reihe nach…

Das erste Buch ist Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr von Walter Moers bzw. von Hildegunst von Mythenmetz, seinem Alter Ego. Heike Lindhold hat auf den Teilzeithelden eine tolle Rezension darüber geschrieben, die mich auch dazu gebracht hat, das Buch zu kaufen, obwohl ich bereits eine Negativ-Kritik im Radio gehört hatte.

Von der Träumenden Bücher war ich ja begeistert. Die Arbeit mit und an der Sprache hat mich damals fasziniert. Nun, das findet sich hier zwar auch, aber das magische Momentum wollte bei mir nicht so recht zünden. Ich fand die ersten 55 Seiten, in denen die schlaflose Prinzessin Dylia die 777 ihres Turms rauf und runterläuft, etwas zu lang. Der Nachtmahr ist ein schön vielschichtiger Charakter, dessen Vernichtung (besser: Bannung) tut am Ende nicht nur der Prinzessin Leid, sondern auch mir als Leser. Die durch das Gehirn selber… ja, die hat ihre spannenden Momente, aber auch lange, sehr philosophische Diskurse über die Natur von Gedanken, Ideen, Wünschen und Träumen.

Das Artwork stammte von  Lydia Rode, deren Krankheit, CFS, Moers wohl sehr inspiriert hat. Es unterscheidet sich stark vom Artwork der anderen Zamonien-Romane, passt aber super zur handelnden Hauptperson, die selbst ein Listen und Lexika-Fan ist.

Was nehme ich mit von diesem Roman? Den Nachtmahr! Der muss in mein Mosterhandbuch.

 

Eine andere Art schwere Kost war der dritte Krimi um den Berliner Ermittler Gereon Rath, Goldstein. Die Kriminalfälle (in diesem Buch wird zeitgleich an einem KaDeWe-Einbruch, einem Mord an einem SA-Gruppenführer, an dem Verschwinden zweier Unterweltgrößen, an einem Mord durch einen Polizisten und an dem Mord an selbigen gearbeitet. Nebenbei weilt auch noch ein jüdisch-amerkianischer Mafiakiller in der Stadt) sind top und hängen alle zusammen. Am Ende kommen die Ermittler einer Verschwörung gegen den Rechtsstaat auf die Schliche.

Was mir hier schwer im Magen lag war der Ton in der Gesellschaft, der so im Hintergrund anklingt. Der Roman spielt 1931, also nur noch zwei Jahre bis zur Machtübernahme durch Hitler, und das merkt man gewaltig. Waren im ersten Teil noch die Kommunisten diejenigen, die gröhlend, randalierend und mordend durch Berlin zogen, sind es nun die Schläger der SA, die z.B. einen alten Juden auflauern, aus der U-Bahn treiben und zusammenschlagen. Nazis tauchen hier offener, provokativer und einschüchternder auf als in allen vorherigen Teilen. Das Schlimme sind aber die Passanten, die sich wegducken, wegsehen und nicht eingreifen. Dadurch werden die Nazis zu einer so lauten Minderheit, dass diese am Ende des Buches ein beliebtes jüdisches Lokal stürmen und kurz und kleinschlagen können. Kaum hatte ich das Buch zur Seite gelegt, musste ich von realen Pöbeleien der AfD erfahren. Unschön. Vor allem, wenn man während des Lesens des Buches einen Ausflug nach Flossenbürg macht.

Die KZ-Gedenkstätte will ich hier lobend erwähnen, die haben ein geniales pädagogisches Konzept, das ich nur schnell mal umreißen will. Man ist nämlich mittlerweile weg gegangen von der Präsentation des Leides der Insassen in möglichst drastischen Bildern, wie ich sie in meine Jugend in Dachau genießen durfte, weg auch vom brutalen Realismus einer Schindlers Liste, hin zu einem Aufbau eines liberalen, offenen, demokratischem Verständnis von Staat, Recht und Menschenrechten, die eigentlich für Flüchtlingsklassen konzipiert wurden, die ich aber ohne weiteres aber für jede Klasse empfehlen kann. Anhand von fünf Themenfeldern wird in der Diskussion mit den Teilnehmern erst ein gemeinsamer Staat gegründet. Bei den meisten Flüchtlingsklassen stößt vor allem das Thema Homosexualität auf und wird kontrovers diskutiert. Danach geht man ins Museum und anhand von Biografien der Opfer wird  erarbeitet, wie denn die Nazis mit Personen umgingen, die ihrem Weltbild nicht entsprachen.

Was nehme ich aus diesem Krimi mit? Neben einem schlechten Grundgefühl, das mir noch lange Kopfzerbrechen bereiten wird, dutzende Anregungen für Rollenspiel in den beginnenden 30gern, also in der Zeit kurz vor z.B. Achtung! Cthulhu. Oder für Gangstergeschichten aus CoC: Chicago, die angepasst und transferiert, in Berlin besser zünden als in Chicago. Achja, hier noch ein Hörtipp: Ladet euch die Folge „Hitlers Hellseher“ runter und hört sie euch in Ruhe an. Creepy, verstörend, esoterisch… Toll!

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