Werkstattbericht: Vom Recht haben und Recht bekommen

Und schon wieder was aus der Werkstatt. Diesmal zum Thema Recht und Gesetz in Rakshazar. Dabei gehts ganz allgemein darum, welche Rechtssysteme und Rechtstraditionen es im Riesland gibt.

Ich muss zugeben, bevor ich diesen Blogeintrag auf Teilzeithelden gelesen habe, konnte ich mit dem Thema, zumal für einen zukünftigen Weltenband für ein bewusst barbarisches Setting wenig anfangen. Nach ein, zwei Nächten intensiven Nachdenkens aber habe ich, glaube ich, meine ich ein paar Abenteuerideen, die mit dem Riesländischen Rechtssystem zu tun haben (eine liegt sogar schon im Papierkorb, wobei hier eine Filmsequenz aus einer Dokumentation über die Ermordung Ramses III zugrunde liegt).

Jedenfalls… Herr Engelhardt, der letzte Absatz ist für Sie.

Vom Recht haben und Recht bekommen

Brerrkrorr prüfte die beinerne Spitze der Pfeile. Scharf. Scharf genug, um durch Leder zu dringen und tief ins Fleisch zu schneiden, wenn er nahe genug herankam… „Brerrkrorr, was machst Du da?“ Es war Ionu, die Geleibte von Zrank, die in sein Zelt geschlichen kam. „Ich bereite ein Geschenk für deinen Liebsten vor. Hier, sieh, welch gute Pfeile ich ihm schenken werde!“ Ionu verstand. „Reicht es dir denn nicht, dass er heute verbannt wird?“ „Er hat sich über die Anweisungen unseres Ältestenrates und des Barcak hinweggesetzt. Er hat die Fremden zu der verbotenen Ruine geführt. Er hat zusammen mit ihnen den bösen Geist freigelassen, der fünf der Unsrigen getötet hat! Bei den großen Drachen, meine Frau hat er auf dem Gewissen! Und wofür? Für ein Schwert aus Bronze und eine Axt aus Eisen? Weißt du nicht mehr, wie wir von den Schamanen der Fastmenschen holen mussten, damit er uns half, den Geist zu bannen? Erinnerst Du dich nicht mehr an den Tribut, den wir zahlen mussten, als der Geist den Schamanen fraß? 10 Kinder! Du weißt, was die Fastmenschen mit Gefangenen machen…  Zrank hat mehr verdient, als vom Stamm verstoßen zu werden und ich werde ihm seinen Lohn geben!“ „Aber, aber das ist Mord!“ entfuhr es Ionu. Sanft legte sich die Hand des blinden Barcak auf ihre Schultern. „Nein, mein Kind. Mord wäre es, wenn Brerrkrorr ein Stammesmitglied töten würde. Aber wenn heute die Sonne versinkt, ist Zrank kein Mitglied unseres Stammes mehr.“ sprach der alte Mann sanft. Er hielt kurz inne, dann richtete er das Wort an Brerrkrorr „Gib ihm solange Zeit, wie es bracht, das Lied vom Drachen zu singen, dann folge ihm. Beende es mit dem fünften Pfeil.“

Wer immer die Macht hat, seine Vorstellungen und Wünsche, seine Normen und Gesetze durchzusetzen, hat auch das Recht auf seiner Seite. Das heißt, dass in Rakshazar oft nur das Recht und die Willkür des Stärkeren gelten. Dennoch haben sich in allem Kulturen gewisse grundlegende Rechtstraditionen durchgesetzt.
Vor allem bei den Stammesvölkern, Vom Nedermannenstamm im hohen Norden über die Xhul in der Wüste bis zur Sirdaksippe im Echsendschungel gilt das Recht der Gemeinschaft. Verstößt ein Individuum dagegen, indem es Unfrieden stiftet oder den Stamm in Gefahr bringt, wird des meist in die Verbannung geschickt. Das mag auf den ersten Blick eine vergleichsweise milde Strafe darstellen, kommt jedoch in einer feindlichen Umgebung wie dem Riesland, die von allerlei Riesen, Drachen, Monstren und nicht zuletzt unzähligen feindlichen Stämmen bewohnt wird, fast immer einem sicheren Todesurteil gleich.
Das ausgefeilteste Rechtssystems kennen die Nagah. Innerhalb jeder Ihrer Kasten gibt es Regeln für den Aufstieg innerhalb derselben, Regeln für den Abstieg, Regeln zur Ausbildung des Nachwuchses und viele andere kastenspezifische Vorschriften. Regeln die teilweise Jahrhunderte alt sind und doch nie überarbeitet wurden. Auch zum Verhältnis zwischen den Kasten gibt es kodifiziertes Recht, das etwa die Beziehungen mit den Trabanten oder den Ablauf von Fest- und Feiertagen regelt. Die wichtigsten Strafen sind der gesellschaftliche Abstieg, die Verstoßung in die Kaste der Yrachi, die Verbannung in einen Trabanten und, als finale Strafe, die Opferung des Delinquenten, quasi die Verbannung aus dem Kreis der Lebenden, um die Götter zu besänftigen.

Nur unwesentlich simpler ist das Rechtssystem der Irrogolten, das vor allem ein religiös begründetes System ist. Es regelt in erster Linie die Beziehung der Irrogolten zu ihren Gott Ankroju und erst in zweiter Linie das tägliche Leben. Die Richterväter, die Rechtsgelehrten der Irrogolten, achten auf die Einhaltung der Gesetzte, die im „Buch der Rechtschaffenheit und Würde“ niedergelegt sind, verhängen Strafen (vor allem Geldstrafen), achten auf die Reinheit (und schicken mit Fäulnis Geschlagene zum Sterben in die Verbannung) und richten scharf bei Kapitalverbrechen (zu denen auch Gotteslästerung zählt). Böse Zungen behaupten, das wichtigste Werkzeug der Rechtsprechung sei der „Heilige Prügel“, ein Knüppel, mit dem den Sündern der nötige Respekt vor dem Gesetz eingebläut wird. Tatsächlich ist der Knüppel eine weit verbreitete Waffe unter den Irrogolten, deren eigentliche Bezeichnung Grondarosh ist. Der Name „Heiliger Prügel“,  stammt nicht von den Zwergen selbst, sondern von den Nachbarkulturen und das ist auch eher eine spöttische Bezeichnung, die auf dem (für die meisten anderen rakshazarischen Völker unverständlichen) religiösen Eifer der Irrogoliten beruht. Eine pervertierte, verdrehte Form dieser Rechtsprechung gibt es bei den Faulzwergen, hier Reichen die Strafen, von Verstümmelung (welche mit einem Dämonenpakt zumindest ausgeglichen werden kann) über Verbannung bis hin zur Versklavung.

Die Sanskitarischen Stadtstaaten wiederum haben ein ganz anderes Rechtssystem, das „Recht der Herrschenden“ genannt wird. Während in den Quartieren der Unterschicht eine hohe Kriminalitätsrate herrscht und die Regenten außer gelegentlichen Säuberungsaktionen mit Schwert und Feuer nichts dagegen unternehmen, herrscht in der Mittelschicht und Oberschicht Zucht und Ordnung. Für die meisten Vergehen gibt es saftige Geldstrafen, die manchmal eine ganze Familie in den Ruin treiben können. Bei Diebstahl wird die Hand abgehackt, bei Majestätsbeleidigung rollt auch schnell mal der Kopf. Im Allgemeinen gilt: je direkter ein Verbrechen dem jeweiligen Herrscher gilt, desto mehr Blut muss bei der Bestrafung fließen und je öffentlicher muss die Bestrafung sein. Vergreift sich gar ein Sklave oder jemand aus der Unterschicht an einem Höhergestellten, muss er damit rechnen, vor den Toren der Stadt an ein Balkengerüst geschlagen zu werden, wo er über Tage hinweg jämmerlich krepiert.
Von den blutigen Strafen ausgenommen sind die Mitglieder der adligen Oberschicht und der Herrscherfamilie. Hier gilt es, bei der Bestrafung möglichst wenig Blut zu vergießen und vor den Augen des Pöbels verborgen zu strafen. Weswegen die Todesstrafe oft im Schlafzimmer durch erdrosseln ausgeführt wird. Deswegen war auch die Hinrichtung der politischen Feinde Sultans Akims III von Sahana eine große Schandtat. Nicht, weil er große Teile der Oberschicht hinrichten ließ, sondern weil die Hinrichtung – wie bei einem gewöhnlichen Verbrecher – öffentlich durch das Schwert erfolgte.

Bei den Reiternomaden wird oft mit zweierlei Maß gemessen. Während in der Sippe strenge Gesetze das tägliche und religiöse Leben bis ins kleinste Detail regeln und schon einfache Vergehen mit Auspeitschung bestraft wird, gelten gegenüber Fremden oft nicht einmal die Gesetze der Gastfreundschaft. Schon viele Reisende, die sich am Abend im Schutze des Gastrechtes wähnten, fanden sich am folgenden Morgen ihrer Freiheit und Wertsachen beraubt auf dem Sklavenmarkt von Teruldan wieder. Für die Einhaltung der Gesetze ist der Wahrer der Traditionen zuständig, der zugleich der offizielle Stammesrichter ist.

In Amhas werden grausame Strafen nur gegen Sklaven verhängt, die es wagen, sich gegen ihre Herren aufzulehnen – also meist nur gegen Wildfänge. Sklaven der zweiten und späteren Generationen akzeptieren die Dominanz ihrer Herren so gut wie immer klaglos. Von den Amhasim selbst verlang ihre Philosophie, immer treu den Gesetzen der republik zu folgen, sich dem Wohle des Stadtstaates unterzuordnen und sich redlich zu mühen, ein wertvoller Teil des Staatskörpers zu sein. Natürlich klaffen Anspruch und Realität auch bei den Amhasim auseinander. Missetäter werden aber hier nicht zum Tode oder Sklaverei verurteilt. Vielmehr schlagen die Richter dem Schuldigen in einer vertraulichen Verhandlung vor, wie er sein Vergehen sühnen kann. Meist bedeutet dies Dienst bei den Schwarzen Reitern.

Als berühmtester Delinquent Amhas darf wohl Diomekis, der Gouverneur von Amhalashal, gelten. Er gilt als vollkommen unberechenbarer Soziopath und Sadist. In Amhas atmeten mehrere Würdenträger auf, als er nach Amhalashal versetzt wurde und insgeheim wünschten einige von ihnen, seine Barke möge unterwegs im Byrastes versinken. Unbeliebt war Diomekis schon immer, doch den Vogel schoss er angeblich ab, als er vor dem Senat eine neue Hinrichtungsmethode für aufmüpfige Sklaven präsentierte. Was genau vorgefallen ist, hat bisher kein Außenstehender in Erfahrung bringen können, aber diese Technik muss selbst für die, was Folter und Sadismus angeht, nicht gerade zimperlichen Senatoren zu viel gewesen sein. Man spricht über den Vorfall nur hinter vorgehaltener Hand und selbst dann nur als „Diese ekelerregende Schweinerei damals…“. Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen dabei eine Art Dusche und ein Eimer schwarzen Schlicks aus dem Totenwasser eine Rolle gespielt haben. Tatsache ist, dass etlichen Senatoren nach der halbstündigen Vorführung speiübel und Diomekis gesellschaftlich unten durch war.

Die dritte große Rechtstradition ist das bei den Brokthar und Orks verbreitete Götterurteil. Hier fordert der Ankläger (oder ein von ihm benannter Stellvertreter) den Übeltäter zu einem Zweikampf heraus. Nun bestimmt ein Priester oder Ältester die Waffen, die Zeit und den Ort der Auseinandersetzung und die Kontrahenten rufen jeweils ihre Götter an, um sie um Beistand zu bitten. Beliebt sind bei den Brokthar die Götter Rontja und Korthos, bei den Orks RasRag und Taugrach.

Der Kampf selber wird, von Stamm zu Stamm variierend, entweder bis auf das erste Blut oder bis zum Tode eines der Kontrahenten geführt. Der Unterlegene (oder seine nächsten Verwandten) muss dann oft einen Siegerpreis zahlen (Waffen, Vieh oder ähnliches) oder wird, zusätzlich zum sozialen Stigma von den Göttern verlassen zu sein, aus dem Stamm verstoßen.

Eine spezielle Form des Götterurteils pflegen die Tharai. Ihrem Glauben nach bedeutet Friede und Ruhe Tod und Untergang. Daher ist es unter anderem die Aufgabe eines so genannten „Sippenprotzers“, ständig für Ärger und Streit zu sorgen, der dann in ritualisierten Zweikämpfen zu Ehren ihrer ständig streitenden Götter ausgetragen wird.

Über die geheimnisvollen Pfadwanderer und deren Gesetzte lässt sich wenig sagen, pflegen sie doch aus dem Limbus heraus kaum Kontakt zu anderen Völkern Rakshazars. Was bekannt ist, ist dass es in den Limbusfestungen streng und humorlos zugeht und oft uralte Traditionen und Regeln befolgt werden, deren Ursprung heute kein Donari mehr kennt.

In den großen Städten Kurotan, Rimtheym oder Xhoulajambo herrscht oft ein riesiges Chaos, wenn es um das Thema Recht und Gesetz geht. Hier treffen die drei Rechtstraditionen (Stammesrecht, Recht des Herrschers und Götterurteil) aufeinander, wiedersprechen und ergänzen sich. Im Grunde gilt in diesen Städten oftmals, wie auch auf allen Wegen Rakshazars und bei Kontakten zwischen verschiedenen Völkern, das Recht des Stärkeren.

Zwar gibt es in den jeweiligen Städten durchaus Herrscher, Könige, Priester und Tyrannen, doch diese sind eher darauf bedacht, mit ihren Garden mögliche Konkurrenten von der Machtergreifung abzuhalten. Um die Belange der einfachen Bevölkerung  kümmern sie sich nur selten.

Überraschender Weise gibt es aber, über alle Kulturen und Völker Rakshazars hinweg, eine Art gemeinsames Handelsrecht, das über Traditionen und Gepflogenheiten regelt, wann Waren geliefert werden, was bei Zahlungsverzug geschehen soll und wer bei Streitigkeiten vermitteln soll (Meist ein Zusammenschluss mehrerer Stammesältester oder der König einer Stadt oder ein Priester einer bestimmten Gottheit).

Keine Rechtstraditionen Rakshazars kennt regelrechte Gerichtsverfahren. Beim Stammesrecht beschließen die Ältesten und Häuptlinge über das Strafmaß – in der Regel ohne den Beschuldigten oder den Kläger auch nur einmal gehört zu haben, in ihrem Selbstverständnis wissen die Ältesten ja sowieso über alles Bescheid, was im Stamm vor sich geht. Man geht davon aus, dass sich das beschuldigte Stammesmitglied der Entscheidung des Rates beugt. Beim Recht der Herrschenden steht das Urteil ebenfalls oft schon vorher fest, dem Beschuldigten wird lediglich die Gelegenheit gegeben, sich zu verteidigen, besser aber, sich zu entschuldigen und beim Götterurteil sprechen ja die Götter selber (vollkommen unmissverständlich und endgültig) Recht.

 

 

3 Gedanken zu „Werkstattbericht: Vom Recht haben und Recht bekommen

  1. Pingback: Aus dem Limbus: Rüstkammer, Kosten, Riesland-Recht und Ulisses-Podcast | Nandurion

  2. rolandhofmeister1 Autor

    ASAP. Wir sind gerade mitten in der Ausarbeitungsphase für die einzelnen Regionen. Sobald die fertig sind (incl. Lektorat), kann es mit dem Layout losgehen. Wir können immer fleißige Mitarbeiter brachen. Realistisch betrachtet könnte es bis Jahresende fertig sein. Wir sind halt Amateure und so was wie der BER des Rollenspiels 😉

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    http://rakshazar.de/forum/index.php?topic=5271.msg83162#msg83162

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