Karneval der Rollenspielblogs: Halt! Polizei! – Gehen Sie einfach weiter, hier gibt es nichts zu sehen!

Der Karneval ist um, Zeit zu sehen, was da so los war. Zeit, die Beiträge einzusammeln und auszuwerten.

A bad apple spoils the barrel

In der realen Welt hat sich, seit ich den Eingangspost geschrieben habe, in Bezug auf die Polizei viel neues, leider aber wenig Gutes ergeben. Rechtsradikale Chatgruppen in mehreren Bundesländern, rechte Polizisten, die Rechtsradikale überwachen sollten, prügelnde Cops bei Protesten in den Staaten, Belarus und Hong Kong, und immer wieder die Rede von Einzelfällen, von einzelnen Bad Appel, die entfernt werden müssten. Und immer noch keine Studie zu strukturellem Rassismus in der Polizei in Deutschland. Schon klar, ein schlechter Apfel. Aber der reicht aus, um die ganze Obstkiste zu verderben. Andererseits drei Polizisten, die durch ihre bloße Präsenz und deutlicher Ansprache den Sturm einiger komischer, aber unlustiger Gestallten auf das Symbol dr deutschen Demokratie verhindert.

Gleich zwei Podcasts gehen mit ihrem Inhalt in diese Richtung. Den Anfang macht vier stunden langer Podcast vom Zock-Bock-Radio, bei dem Settembrini, Hass&Glas und Dave Damage in de Welt von Cyberpunk 2020 eintauchen. Puh, was für ein Ritt! Die Podcaster zerlegen das Spiel, gehen in die Lore, vergleichen es mit dem Konkurrenten Shadowrun und arbeiten heraus, das Cyberpunk immer schon das sozialkritischere Spiel war, das im Hintergrund immer auf eine große Revolution zusteuerte, die wenigsten Spieler*innen aber diese Revolution je gespielt haben, weil sie schon vorher von ihren Auftraggebern beseitigt wurden oder so außer Kontrolle gerieten, dass sie in den Urbanen Kampfzonen in ihren privaten Kriegen umkamen. Rassismus, aber vor allem Klassenkampf sind Teil des Cyberpunkuniversums, die Polizei und die Chars sind dabei Teil der Unterdrückungsmaschinerie (hier gab es auch einen Setenhieb auf die WoD und einem geschichtsrevisionistischen, rassistischen Eintrag zu den Rodney King Riots. In diesem Zusammenhang wurde Spire: The City Must Fall gelobt für klugen Umgang mit Riots.) Die Kernfrage des Podcasts ist aber, imho, ob Politik ins Rollenspiel muss. Die hier gegebene Antwort: In Cyberpunk ja, sonst eher nicht. Meine Erweiterung: Wenn Politik und Intrigenspiel oder Klassen- / Rassenkampf im Focus stehen, ja, zwingend! Sehr hörenswerte 4 Std. Gedankenfutter!

Auch Greifenklaue hat hier einen Podcast aufgenommen, einen Zweiteiler sogar. In Teil 1 geht er und Christophorus auf die aktuelle Situation ein, finden die Studie zu Rassismus in der Polizei, die Innenminister Seehofer blockiert, gut, können die Aufregung um den Agents of Edgewatch- Abenteuerpfad und vor allem die Miniaturen nicht nachvollziehen, loben Private Eye, weil im Regelwerk ausführlich erklärt wird, wie Polizeiarbeit vor Fingerabdrücken und DNA-Abgleich funktioniert hat, stellen fest, dass die meisten NSC-Cops nur eine gesichtslose Masse ist und erzählen ein wenig von ihrer Polizeikampagne. Interessant, hörenswert und sehr kurzweilig.

Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett

Benjamin Hirth widmet sich auf seinem Blog dem Thema Kriminalabenteuer, quasi der Überkategorie der Polizeiabenteuer. Er findet zwar die Idee eines guten Krimi-Abenteuers super und hält es für ein Highlight einer Spieler*innenkariere, aber eines zu erstellen und zu leiten hält er für eine gewaltige, schier unlösbare Aufgabe für den Meister.

Bei Donnerhaus gibt es gute Tipps zum Spielen für Büttelkampagnen in mittelalterlichen Fantasy-Settings. In Teil 1 geht es darum, wer für Polizeiaufgaben im Mittelalter zuständig war, ab wann diese Personen eingriffen und welche Auswirkungen unser modernes Denken zum Thema Polizei unser Rollenspiel beeinflusst. Im 2. und 3. Teil wird dann eine Polizeikampagne im modernen Setting geplant. Modernes Setting deshalb, weil wir a) mit der Denke da näher dran sind als in einem Fantelalter-Setting und b) die Cops mehr Befugnisse haben. Die Beiträge stammen alle noch aus einer Zeit der Unschuld (Anfang 2019), Frostys Wintersturm #12 hat mich daran erinnert, dass es diese Beitrage gibt. Auch der passt gut ins Thema, geht es darin um physische Gewalt im Rollenspiel, die ja auch Teil einer Polizeikampagne sein kann. Auch Timber hat schon etliche Polizeikampagnen gespielt, auf ihrem Blog berichtet sie darüber. Auf die „Dark Symmetry Campaign“ für Mutant Chronicles hat mich Timber neugierig gemacht, die wird ich mir sicher besorgen. Im Tanelorn-Forum gab es 2017 einen interessanten Faden, bei dem es um Polizisten in einer Welt voll Superhelden ging. Interessant und lesenswert!

Rezensionen, Rezensionen

Den Bereich Rezensionen hab ich so ziemlich alleine bestritten. Ich hab mir das GURPS Quellenbuch COPS angeschaut, das für mich DAS Referenzwerk für eine moderne Polizeikampagne ist. Danach gab es Rezensionen für die Abenteuer Drei Tage Gardist (Myranor) und Die Herren von Chorchop (DSA) sowie der Spielhilfe zur CCC (nein, nicht dem Chaos Computer Club, sondern der Connetablia Criminalis Capitale, der Kripo Vinsalts). Highlight ist die Rezension zum ersten Band des Abenteuerpfades Agents of Edgewatch. Nein, er ist nicht der Aufregung wert, ja, da sind einige problematische Inhalte drin, so lautet mein Fazit.

Polizeieinheiten aller Welten

Einige Blogger haben auch über diverse Fantasy-Polizeieinheiten geschrieben. Leronoth z.B. über die Polizei in SLA Industries. Die haben einen erstaunlich erschreckend aktuellen Bezug:

SLA Industries spielt in einer gnadenlose Welt. Dementsprechend sind Shiver und Operatives düstere Gestalten die alles andere als ein rosiges Bild staatlicher Ordnung zeigen. Auch wenn SLA mit seinem bewusst überzeichneten Stil keine Zukunftsprognose stellen wollte, können einige fiese Seiten dieser Realität erstaunlich aktuell sein. Unansprechbare Polizisten die gewissenlos Demonstrationen auflösen (zumindest bestimmte) und militärisches Equipment zur Aufstandsbekämpfung sind nicht allzu weit von unserer heutigen Realität entfernt. Und auch die Verrohung von Polizisten durch den ständigen Kontakt mit Abgründen der Menschheit ist eine durchaus belastbare These. Um eine Polizeikampagne zu spielen, bieten zumindest die einfachen städtischen Shiver wenig Potential. Dafür gelingt es SLA Industries die moralischen Dunkelgrautöne einer Welt aufzuzeichen in der es keine Alternative mehr gibt. Auch als klassische Operatives kann das Thema Machtmissbrauch und die Durchsetzung einer illegitimen Ordnung eine zentrale Rolle spielen. Damit bewegt es sich nah an aktuellen Konfliktlinien und ist eine starkes Beispiel dafür, wie realweltliche Konflikte ihren Einzug in Rollenspielwelten finden können.“

Damit decken die sich imho mit dem, was in Zock-Bock-Radio über Polizisten in Cyberpunk gesagt wurde.

Meine Wenigkeit stellt die Schwarzen Garden vor, eine Polizeieinheit aus Rakshazar. Die teilen sich übrigens mit dem Helden aus Assassins Creed: Origens ein realweltliches Vorbild: die Medjai, eine Polizeieinheit aus der Hochzeit des alten Ägyptens. Ebenfalls in der Realität verwurzelt ist mein Beitrag über die älteste Bundespolizeieinheit der USA, der UPSIS, der Post-Polizei. Die hatte ja noch im August für Aufmerksamkeit gesorgt, weil die einen ehemaligen Trump-Berater und Breitbard-Schreiberling wegen Betruges über das Internet auf seiner Yacht verhaftet haben. Das könnte man auch im Rollenspiel nutzen und jeder Fraktion, jeder Gilde in einer Fantasy-Stadt eigene Polizeikräfte zustehen (ist in Myranor ja die Regel).

Jon Doe ist mit zwei Polizeieinheiten bzw. NPCs am Start: Der Kommandantin Elainé für Dragon Age (toller innerer Konflikt: Aus der Gosse, in den Palast und zurück in die Gosse… eine vielschichtige Persönlichkeit) und der Thetis Constabluary Force, einer Polizeieinheit für das (bis dahin mir unbekannte) Alien-RPG. Interessant ist, dass diese Polizeieinheit ihr irdisches Vorbild in der Polizei Nordirlands hat.

Suff-Ragetten und Pro-Bäritionisten

Ein richtig tolles Polizeiszenario in Ankh-Morpork, als Teil der legendären Nachtwache, liefert uns Spiele im Kopf! Basierend auf GURPS Discworld 2e wird hier ein Szenario aufgezeigt, das alles hat, was man für eine interessante Kampagne braucht. Frauenrechtsbewegung, Prohibition, eine Verschwörung im Hintergrund und die Held*innen als Teil der Wache mittendrin. Ich liebe es!

Stopp, Würfel weg, Sie sind verhaftet!

Und dann gibt es da auch noch die Rollenspielpolizei: Rollenspieler, die, wenn wir ehrlich sind, toxisches Gate Keeping betreiben und das Wahre Rollenspiel ™ gegen Einflüsse von innen und  außen verteidigen wollen. Die anderen vorschreiben, wie man richtig spielen soll. Die Regeln immer buchstabengetreu auslegen. Hattet ihr schon einen Zusammenstoß mit der Rollenspielpolizei? Einen Strafzettel erhalten für Spaß am Spiel und Hausregeln? Schreibt darüber!

Tja, da wollte ich meinem Namen gerecht werden und rumtrollen. Den Beiträgen nach hab ich es zumindest teilweise geschafft. Ich erinnere mich noch wage an die heftigen Meinungskämpfe um 2007 rum, als die Theorien um ARS hohe Wellen schlugen und einiges böses Blut floss. Greifenklaue hat das hier vor Jahren schön zusammengefasst. De Meinung, dass auf die Regeln zu pochen nichts mit der Rollenspielpolizei zu tun hat, sondern nur Teil einer bestimmten Rollenspielphilosophie ist, bestimmt auch den zweiten Teil des Podcasts zum Karneval. Bei dem Beitrag (und einem Komentar im Eingangspost) kam raus, dass das Wort „toxisch“ in Diskussionen… toxisch ist. Oder besser, als solches empfunden wird. Ich glaub ja, das kommt aus der Diskussion rund um toxische Männlichkeit und dem Missverständnis, dass damit gemeint sei, cis-Mann zu sein sei giftig. Eigentlich werden damit Verhaltensmuster angeprangt, die sowohl für den Mann als auch für die Gesellschaft hinderlich oder Schädlich sind. Genderswapped hat dazu einen tollen Podcast gemacht. Auch zum Thema Gatekeeping, das hier auch angeschnitten wird, gibt es einen guten Podcast vom gederswapped.

Glumbosch, der ja immer wieder gut für Aufruhr im Fantasyland ist, hat bereits im Dezember 2019 über die Rollenspielpolizei aus verschiedenen Standpunkten geschrieben.

Und dann platze da die Bombe. Ausgangspunkt war der (von mir durchaus geschätzte) eskapodcast und dessen Folge zur Zukunft des Rollenspiels, die, das muss ich hier fairerweise sagen, ich noch nicht angehört habe. Aber ich glaube, da hatte sich bei Ask Dogan schon im Vorfeld einiges an Frust und Wut aufgebaut. Ergebnis war ein Rant, der viele Punkte aufgreift und klar macht, das solches Verhalten… fragwürdig ist. Vom eskapodcast gab es dazu eine ausführliche Stellungnahme. Auf Asks Beitrag hin verfasste Teylen wiederum einen interessanten Beitrag, bei dem sie vor allem auf Konflikte im Rollenspiel, am Tisch und in der Community eingeht und zum Fazit kommt, dass es keine Rollenspielpolizei braucht. Unter ihrem Facebook-Beitrag wird da ordentlich weiterdiskutiert. Auch der Sandfuchs podcastet und nimmt Bezug auf diesen Vorfall, ihm nervt es, dass er als Autor immer öfter politische und realgesellschaftliche Dimensionen mitbedenken muss.

Als Abschluss sei hier nochmal Teylen zitiert. Sie schrieb im Forum:

In Bezug auf den toxischen Faktor hin.

„Ich halte es eher für toxisch wenn normale Personen, respektive Interessen, als politisch bezeichnet werden, um sie dann ausgrenzen zu können. Nur weil es nicht im direkten Interessensgebiet respektive dem Umfeld des Autors liegt.
Ralf erwähnt in seinem Podcast den Fall das er einen Weltenbau diskutieren wollte, und dann eine Person fragte wie sich die Rolle der Frau im Setting gestaltete. Für ihn war das ein super politisches Thema respektive eine politische Betrachtungsweise, knapp an einer direkten Anmache/Beleidigung vorbei, welche von seinem eigentlichen Fokus wegführt. Für mich, als weibliche Person, die geneigt ist von Settings Abstand zu nehmen, die mehr oder weniger auf „Fäntelalter/Fantasy Frauen Diskriminierung“ machen, bedeutet die Aussage quasi: „Du bist mit deinen Interessen inhärent politisch! Du versaust mir das Hobby mit deiner Politik! Bitte raus oder zumindest Klappe.“.
Insofern sehe ich die Behauptung das etwas als toxisch zu bezeichnen toxisch ist, eher als verbale Gewalt zwecks Nichtbeschäftigung und der Versuch einer Rollenumkehrung in Bezug wer sich angegriffen fühlt.“

Medien, Medien, Medien

Und nun zu einer kleinen Medienschau zum Thema…was war das Thema nochmal? Ach ja, Halt, Polizei!

Die Jungs und Mädels von Extra Credit History haben da eine sehr interessante Reihe zur Geschichte der Polizei in London gemacht. Besonders die Anfänge sind auch für Rollenspieler interessant.

Part 1: The Thief-Taker General; Part 2: The Fall of Jonathan Wild; Part 3:The Bow Street Runners; Part 4: His Majesty King Mob und der finale Part, Part 5: Scotland Yard at Last.

Ins alte Rom entführt uns Invicta. Besonders interessant finde ich da die alten Fälle, die sie aufarbeiten und sich so tatsächlich zugetragen haben. So etwas hätte ich mir auch für Eagle Eye gewünscht.

Für Polizeikampagnen in der Moderne kann ich Audit the Audit empfehlen. Die zeigen, was bei Polizeieinsätzen falsch laufen kann (und wie kaputt das Polizeisystem in den Staaten ist). Wie es besser geht und was reformiert werden muss, kann man sich bei Legal Egle ansehen.

Am Ende des Sommers wartet ein neuer Karneval

… der sich mit dem Ende des Sommers beschäftigt. Macht alle mit und Danke für den Fisch! Fals ich was übersehen haben sollte, schreibt es in die Kommentare.

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